K. Rosen: Constantin, die Christen und der Donatistenstreit

Cover
Titel
Constantin der Große, die Christen und der Donatistenstreit 312-314. Eine Untersuchung zu Optatus von Mileve, Appendix V und zum Verhältnis von Staat und Kirche im 4. Jahrhundert


Autor(en)
Rosen, Klaus
Reihe
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste, Geisteswissenschaften. Vorträge G 432
Erschienen
Paderborn 2011: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
52 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Aus der unüberschaubaren Menge der Publikationen zu Konstantin dem Großen ragen nur wenige Werke heraus, sei es durch ihre Qualität, sei es durch den großen Namen des Autors. In diese Kategorie ist auch die demnächst zu erwartende Konstantinsbiographie von Klaus Rosen einzuordnen, die seit 2004 geplant ist.1 Mit seiner kleinen Monographie zu Optatus legt Rosen eine wichtige Vorarbeit zu diesem Projekt vor. Der allgemein gehaltene Titel ist etwas irreführend: Auch wenn alle Elemente des Titels durchaus Gegenstand von Rosens Ausführungen sind, ist der primäre Untersuchungsgegenstand doch die Authentizität des konstantinischen Briefes, der in Appendix V der Schrift des Bischofs Optatus von Mileve gegen die Donatisten aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts (um 366/67 nach S. 9) überliefert ist.

Die Frage nach der Echtheit des Schreibens ist zugleich auch die Frage nach dem Zeitpunkt der Bekehrung Konstantins zum Christentum, da dieser eindeutig ein Christentum Konstantins bezeugende Brief in das Jahr 314 zu datieren ist. Rosen spricht sich aus vier Gründen gegen die Echtheit des Briefes aus: Ein Vergleich des Textes mit der Schrift des Optatus deckt erstens mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten auf; zweitens ist das dort vermittelte Bild des Christen und reuigen Sünders Konstantin anachronistisch; drittens finden sich in diesem Brief mehrere historische Irrtümer; viertens ist schließlich die Absicht des Fälschers deutlich erkennbar.

Nach einer kurzen Einführung in die Bedeutung und den Inhalt des Briefes (S. 5–8) widmet sich Rosen in jeweils einem Kapitel den vier Elementen, die gegen die Echtheit des Briefes sprechen. Im Vergleich des Briefes mit den korrespondierenden Angaben des Optatus (S. 8–11) arbeitet Rosen folgende Unterschiede heraus: Während der konstantinische Brief eher in einem referierenden Stil abgefasst ist, spricht der Konstantin des Optatus die Petenten direkt an; während der Brief als Reaktion auf eine spätere donatistische Petition gesendet wird, verortet Optatus die korrespondiere Antwort Konstantins bereits nach der ersten donatistischen Eingabe; während der Brief allgemein gegen die Donatisten gerichtet ist, wendet sich Optatus direkt gegen Donatus; im Brief, der nur eine donatistische Eingabe erwähnt, findet ein Tempuswechsel während desselben Vorganges statt, während die beiden korrespondierenden Zitate aus Optatus auf zwei verschiedene donatistische Petitionen Bezug nehmen; während im Brief das priesterliche Urteil gleichbedeutend mit einem Gottesurteil ist, stellt für Optatus das Jüngste Gericht die letzte Instanz dar. Auch wenn Rosen für einige Abweichungen alternative Erklärungen bietet (so könnten beispielsweise die ersten beiden Punkte als dramatisierendes Mittel bzw. als chronologischer Irrtum erklärt werden), kommt er zu dem Schluss, dass der Briefschreiber und Optatus eine gemeinsame Vorlage nutzten und diese vermutlich unabhängig voneinander bearbeiteten. Weiterhin zeige dies, dass der ganze Brief nicht aus dem Jahr 314 stammen könne, sondern in jedem Fall interpolierte Abschnitte enthalte.

Im zweiten Kapitel (S. 11–22) untersucht Rosen die Hinweise auf ein vor 324 hindeutendes Christentum Konstantins. Die Sprache Konstantins erweise ihn zwar als einen Christenfreund, nicht aber als gläubigen Christen, als der er auch nicht von seinen Beamten wahrgenommen worden sei. Die wenigen Hinweise seien entweder – wie das Konstantinsmedaillon – nicht aussagekräftig genug oder – wie die Herrschertugend der pietas – nicht spezifisch christlich. Dass Konstantin von der Wahrheit des Christengottes spricht, bedeute nur eine allgemeine Anerkennung, die sich bereits bei Galerius finde. Folglich deute nichts auf ein Christentum Konstantins bereits im Jahr 314 hin. Neben diesem frühen Christentum Konstantins zeigt Rosen einige weitere historische Irrtümer des Briefes auf (S. 22–32): So seien Elemente der Titulatur für die Frühzeit Konstantins (fratres carissimi und salvator) oder für seine Regierungszeit generell (Bischöfe als Stellvertreter Christi) nicht belegt. Auch die häufige Erwähnung des Christus und der Hinweis auf den Einfluss des Teufels seien frühestens 324 greifbar. Umgekehrt deute die Unterscheidung zwischen den Donatisten, für die nach göttlichem Willen vorgesorgt sei, und denjenigen, die selbst von der Vorsehung verhasst seien, auf die innerdonatischen Konflikte der 370er-Jahre hin.

Im vierten und letzten Kapitel versucht Rosen eine Demaskierung des Fälschers Pseudo-Konstantin (S. 32–39). Eine Verbindung zwischen Pseudo-Konstantin und dem ähnlich denkenden Ambrosius lasse sich nicht erweisen.2 Im Vergleich Pseudo-Konstantins mit dem ebenfalls das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht diskutierenden Rufinus stellt Rosen die deutlich größere Kompetenz der geistlichen Macht bei letzterem fest. Aus zwei Gründen ordnet Rosen die Fälschung schließlich in die Zeit Ludwigs des Frommen ein: die Datierung der einzigen den gefälschten Brief enthaltenden Handschrift ins 9. Jahrhundert durch die neuere Forschung und das ungewöhnlich umfangreiche Incipit des Briefes. Die Absicht des Fälschers sei es gewesen, den reumütigen Konstantin als Vorbild für Ludwig und seine Söhne darzustellen und den Frankenkönig damit aufzufordern, den Bischöfen die oberste Richtergewalt in religiösen Fragen zu überlassen und nur auf ihren Wunsch hin einzugreifen.

Die Grenzen der Überlegungen Rosens, die er selbst explizit als „Spekulation“ (S. 39) charakterisiert, sind schnell aufgezeigt: Die Gegenthese, dass die Fälschung bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstand und im 9. Jahrhundert durch einen Kleriker wiederverwertet wurde, ist mit den genannten Hinweisen ebenso vereinbar. Am schwersten wiegt allerdings folgender Punkt: Warum sollte ein solcher Brief ausgerechnet in das Werk des im Mittelalter insgesamt wenig bekannten Optatus integriert werden?3 Eine antike Fälschung wäre damit deutlich besser vereinbar; im frühen Mittelalter wäre eher der ungleich bekanntere Augustinus als Galionsfigur zu erwarten gewesen.4

Rosens kleine Monographie ist somit insgesamt eine erfreuliche Ergänzung der Konstantin-Forschung. Die gesammelten Argumente widerlegen nicht nur die Echtheit des Briefes, sondern illustrieren auch deutlich die religiöse Entwicklung Konstantins. Die angefügte Übersetzung des Briefes (S. 43f.), die eine schnelle Nachprüfung möglich macht, stellt ebenfalls eine dankenswerte Leistung dar. Kleinere Formalfragen fallen nicht weiter ins Gewicht.5 Dass die zeitliche Verortung der Fälschung dagegen nicht überzeugend gelungen ist, kann angesichts dessen verschmerzt werden, zumal eine erneute kirchenpolitische Verwendung des Briefes in dem von Rosen genannten Zeitraum durchaus im Rahmen des Möglichen liegt. So darf wohl auch mit Rosens Konstantinsbiographie ein lesenswertes Werk erwartet werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Pedro A. Barcelò, Constantius II. und seine Zeit, Stuttgart 2004, S. 9. Die dort ebenfalls angekündigte Julianbiographie Rosens ist bereits 2006 erschienen. Zu Konstantin vgl. jüngst auch Timothy D. Barnes, Constantine. Dynasty, Religion and Power in the Later Roman Empire, Chichester 2011; Raymond Van Dam, Remembering Constantine at the Milvian Bridge, Cambridge 2011; Jonathan Bardill, Constantine, Divine Emperor of the Christian Golden Age, Cambridge 2012 sowie den Bildband Kay Ehling / Gregor Weber (Hrsg.), Konstantin der Große. Zwischen Sol und Christus, Mainz 2011.
2 Methodische Vorarbeiten dazu bietet neben den von Rosen (S. 33f.) gesammelten Indizien die Einordnung der Schrift de excidio Hierosolymitano des Pseudo-Hegesippus in ambrosianische Zeit, vgl. dazu jetzt Markus Sehlmeyer, Geschichtsbilder für Pagane und Christen, Berlin 2009, insbesondere S. 293f.
3 Spezialforschungen zum mittelalterlichen Nachleben des Optatus existieren bislang noch nicht, allerdings spricht die geringe handschriftliche Überlieferung (dazu S. 46, Anm. 12) eine deutliche Sprache.
4 Aus den zahlreichen Titeln zum mittelalterlichen Nachleben des Augustinus sind hervorzuheben: Ernst Bernheim, Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluss auf Politik und Geschichtschreibung, Bd. 1: Die Zeitanschauungen, Tübingen 1918, S. 10–62; Heiko A. Oberman / Frank A. James (Hrsg.), Via Augustini, Leiden 1991; Adolar Zumkeller (Hrsg.), Traditio Augustiniana, Würzburg 1994, S. 123–240; Klaus Schreiner, Augustinus als Vorbild und Regel klösterlicher Buch- und Lesekultur im späten Mittelalter, Paring 1998; Hermann-Josef Sieben, Studien zum Ökumenischen Konzil, Paderborn 2010, S. 29–68. Eine umfangreiche Literaturliste bei Carl Andresen, Bibliographia Augustiniana, Darmstadt 1962, S. 98–118.
5 S. 15 lies „beschuldigt“ statt „beschuldigte“; S. 46, Anm. 23 lies „persecutorum“ statt „persecutorem“; S. 48, Anm. 56 lies „spätere“ statt „späterer“; der S. 48, Anm. 60 zitierte Titel Bringmanns ist noch an einer dritten Stelle erschienen: Klaus Bringmann, Die konstantinische Wende, in: ders., Ausgewählte Schriften, Frankfurt 2001, S. 317–335. Zu der verwendeten Literatur ließe sich noch hinzufügen: Joseph Listl, Der Wandel vom christenverfolgenden zum ketzerverfolgenden spätantiken römischen Staat. Kirche und Staat bei Bischof Optatus von Mileve, in: Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer (Hrsg.), Iuri canonico promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz, Regensburg 1994, S. 645–674.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension