F. Brayard: Auschwitz, enquête sur un complot nazi

Titel
Auschwitz, enquête sur un complot nazi.


Autor(en)
Brayard, Florent
Erschienen
Anzahl Seiten
530 S.
Preis
€ 24,30
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Sandkühler, Geschichtsdidaktik, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Florent Brayard ist Historiker am renommierten Pariser Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) und Verfasser einer Studie zur Politik der „Endlösung“ 1942/43.1 Vor einigen Jahren deutete er an, Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels habe erst spät gewusst, was es mit der Vernichtung der europäischen Juden auf sich hatte.2 Im vorliegenden Buch geht der Verfasser erheblich weiter: Goebbels, so Brayard, habe erst durch Heinrich Himmlers Posener Rede im Oktober 1943 von der Systematik der nationalsozialistischen Judenvernichtung und ihrem vollen Umfang erfahren (S. 31–106). Dasselbe gelte auch für zahlreiche Funktionäre deutscher Ministerien, etwa des Auswärtigen Amtes und des Rüstungsministeriums (S. 301–358, 394–396). Man habe in Deutschland zwar gewusst, dass osteuropäische Juden ermordet wurden, aber von der massenhaften Tötung deutscher Juden sei nichts bekannt gewesen. Obwohl deutsche Juden nur einen sehr geringen Anteil an den Opfern der Judenvernichtung stellten, meint Brayard mit dieser Behauptung, den systematischen Judenmord insgesamt als Verschwörung („complot“) Hitlers, Himmlers und Heydrichs hinstellen zu können, an der Politik und Verwaltung des NS-Staates unwissentlich partizipiert hätten (besonders S. 386–389).3 Dieses Narrativ über „Auschwitz als Verschwörung“ wird in den Kapiteln 1–2 und 8–9 des Buches sowie in drei zugehörigen Zusammenfassungen entwickelt. Die übrigen Kapitel und Reprisen widmen sich im Wesentlichen Hitlers „Prophezeiung“ vom Januar 1939, im Falle eines neuen Weltkrieges würden die europäischen Juden vernichtet (Kapitel 4–5, S. 157–229), und dem Versuch einer Neuinterpretation der Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 (Kapitel 6–7, S. 231–300).

Hitlers endzeitlich getönte Vernichtungsdrohung, die nicht zuletzt Goebbels immer aufs Neue öffentlich ausstieß, war Brayard zufolge nicht mit der physischen Ermordung der Juden gleichzusetzen. Sie habe vielmehr spätestens seit Sommer 1941 Zwangssterilisationen und Massendeportationen bedeutet. Ideengeber der NS-Führung sei insoweit der amerikanische Jude Theodor Kaufman gewesen (S. 42f., 168–170).4 Tatsächlich habe die reichsdeutsche Bevölkerung die „Vernichtung“ der Juden als vorweggenommene Vergeltung für dieses dem deutschen Volk angeblich vom Weltjudentum angedrohte Schicksal aufgefasst, durchgeführt mit denselben Methoden, die Kaufman in seiner bizarren Schrift propagiert hatte. Der Bedeutungswandel von „Vernichtung“ hin zu einem Programm der systematischen Ausrottung sei den Deutschen dagegen verborgen geblieben, obwohl die Kenntnis von der massenhaften Tötung osteuropäischer Juden weit verbreitet und dieser Mord gesellschaftlich weithin akzeptiert gewesen sei.

Nicht im Herbst oder Winter 1941, sondern erst im Juni 1942 habe Himmler die gesamteuropäische Judenvernichtung befohlen (bes. S. 248–260). Denn die aus Westeuropa nach Polen und in die UdSSR deportierten Juden seien bis zu diesem Zeitpunkt in Ghettos untergebracht worden, deren Bewohner SS und Polizei zuvor erschossen oder in den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor erstickt hatten. Die Überzeugung der Deutschen, die seit dem Spätherbst 1941 in „den Osten“ verschleppten Juden seien noch am Leben, habe also einen wahren Kern gehabt. Auch Goebbels habe daran geglaubt, dass die Massentötungen in Belzec, von denen er im März 1942 erfuhr, auf polnische Juden begrenzt gewesen seien.5 Die Einbeziehung auch westeuropäischer – vor allem deutscher – Juden in die Morde durch Giftgas, von Brayard als vollständige moralische „Grenzüberschreitung“ („transgression“) charakterisiert, hätten weder Goebbels noch hohe deutsche Beamte noch die deutsche Bevölkerung mitbekommen, weil das tatsächliche Schicksal der Deportierten nicht nach außen gedrungen sei. Während die Verschwörer Hunderttausende Juden durch Giftgas umbrachten, sei im Reich die Fiktion einer „einfachen Umsiedlung“ in Ghettos und Arbeitslager weiterhin wirksam gewesen, sieht man von einer wachsenden Zahl von Mitwissern in der SS, der Ministerialbürokratie und im Militär ab, die Himmler persönlich seit Oktober 1943 eingeweiht habe (Kapitel 10, S. 399–421).

Wenn eine „Endlösung“ im Sinne systematischer Massenvernichtung vor dem Frühsommer 1942 nicht existierte, kann die Wannsee-Konferenz vom Januar desselben Jahres nur einen transitorischen Stellenwert gehabt haben. Worum es bei der Konferenz nach seiner Auffassung wirklich ging, sagt Brayard zwar nicht. Er deutet aber an, dass die Frage der so genannten Mischlinge6, die Verschleppung der Juden zum Arbeitseinsatz und ein Programm der Zwangssterilisation im Vordergrund gestanden hätten. ‚Kronzeuge‘ des Verfassers ist der Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Wilhelm Stuckart. Er schlug am 20. Januar 1942 vor, „Mischehen“ im Sinne der Nürnberger Gesetze von Staats wegen zu scheiden und „Mischlinge 1. Grades“ der Zwangssterilisation zu unterziehen. Stuckart hielt an diesem Vorschlag noch bis September 1942 fest. Er begründete ihn mit „Rassen“-Argumenten, die rein logisch mit einem Programm zur systematischen Judenvernichtung unvereinbar waren: Durch die von Stuckart abgelehnte Deportation von Mischlingen in „den Osten“ werde den Aufnahmegebieten germanisches Blut zugeführt. Diese Begründung hatte zur gedanklichen Voraussetzung, dass die deportierten Juden am Leben blieben und nicht ermordet wurden.

Soweit Brayards Thesen. Sein Vorgehen ist einigermaßen eigenwillig. Der Verfasser vergleicht die historische Wirklichkeit mit einem flächigen Puzzle, das Stück für Stück widerspruchsfrei zusammengesetzt werden könne und müsse, um ein konsistentes Gesamtbild zu ergeben. In diesem Zusammenhang beruft er sich auf Verfahren der Mikrogeschichte, konkret auf Carlo Ginzburg und Salvatore Settis, deren Schriften Brayard zu einem „Paradigma“ zusammenfasst (S. 15f. und öfters). Brayards Methode einer textimmanenten, vermeintlich ‚dichten‘ Quellenauswertung ist aber bei genauerem Hinsehen nicht Mikrogeschichte, sondern der Versuch, durch Analogieschlüsse und Assoziationen das Komplexphänomen der europäischen Judenvernichtung auf Puzzleformat zu reduzieren. Andererseits wird das Schicksal der deutschen Juden zum Bewertungsmaßstab der „Endlösung“ insgesamt gemacht.

Diese Reduktion im Interesse einer ganz großen These macht sich in Brayards Buch auf verschiedene Weise bemerkbar. Zum einen konzentriert sich der Verfasser auf die Vorgänge im Zentrum des NS-Staates. Er fällt methodisch hinter den Forschungsstand der letzten zwei Jahrzehnte zurück. Brayard geht es, entgegen dem Titel, nur am Rande um die Realität des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. „Auschwitz“ steht vielmehr für die Ermordung vornehmlich deutscher Juden durch Giftgas in den polnischen Mordanstalten und für die Deportationspolitik, die ihr voranging. Die erhebliche Erweiterung des Kenntnisstandes über den „Tatort“ in der neueren Forschung bleibt für Brayard weitgehend folgenlos. Was sich in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ abspielte, die der Verfasser der Metapher „Auschwitz“ subsummiert, war im Generalgouvernement spätestens seit Sommer 1942 bekannt, trotz der Geheimhaltungsverpflichtung von Lagerfunktionären (S. 384f.). Die von Himmler zu Tarnungszwecken angeordnete Verbrennung von Leichen der ermordeten Juden war ein weithin wahrgenommenes Spektakel, lief also dem Zweck der äußeren Geheimhaltung geradewegs zuwider.

Zum anderen wertet der Verfasser die Forschungsliteratur selektiv aus. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass manches so originell nicht ist, wie es erscheinen will. So ist etwa schon früh darauf hingewiesen worden, dass „Arbeit“ das terminologische Einfallstor der „Endlösung“ war.7 Das diffuse Gebräu von Halbinformationen, das infolge dieser Sprachregelungen unter der reichsdeutschen Bevölkerung kursierte, erleichterte den bequemen Ausweg, nichts wissen zu wollen. Daraus lässt sich aber nicht Brayards Schluss ziehen, dass man über den Judenmord „im Osten“ nichts wissen konnte. Nachrichten über die Erschießungen deutscher Juden hatten sich in Windeseile verbreitet. Ihre Ermordung in der Sowjetunion wurde daher zunächst ausgesetzt.8 Das Regime wollte Unruhe in der Bevölkerung vermeiden, wie sie zuletzt beim Mord an den Geisteskranken, der sog. Euthanasie-Aktion, aufgekommen war (S. 374ff.). Ähnliche Motive lagen der verzögerten Einbeziehung deutscher und österreichischer Juden in die bereits laufende „Endlösung“ im Warthegau, im Generalgouvernement und Weißrussland sowie der Errichtung des vorgeblichen Altersghettos Theresienstadt zugrunde.9 Die Sprachregelungen der NS-Führung belegen also gerade nicht eine geheime Verschwörung, sondern den Versuch der NS-Führung, das Durchsickern von Informationen ins Reich einzudämmen. Diese Politik bezog sich selbstverständlich auch auf deutsche Juden, doch machten die Verfasser entsprechender Direktiven entgegen Brayards These keinen Unterschied zwischen der einen und der anderen Opfergruppe.10

In der Forschung ist auch wiederholt darauf hingewiesen worden, dass im April 1942 eine erhebliche Beschleunigung der europäischen Judenvernichtung einsetzte, die im Bau des Vernichtungslagers Treblinka, zunehmenden Transporten nach Auschwitz und nicht zuletzt in Himmlers Ankündigung unmittelbar nach Heydrichs Tod ihren Ausdruck fand, die „Endlösung“ werde bis Mitte 1943 abgeschlossen sein.11 Brayards Belege bestätigen diese Radikalisierung, nicht aber einen allgemeinen Judenvernichtungsbefehl Himmlers im Juni 1942.

Zum dritten konnte der Verfasser der Versuchung nicht widerstehen, mit griffigen Dichotomien zu arbeiten. Er geht von einer Stufenfolge von Massenvernichtung in Osteuropa und Massenvernichtung nach Osteuropa verschleppter Juden aus. Dem entspricht im Buch eine durchgängige Entgegensetzung von „Ostjuden“ und „Westjuden“, zu denen Brayard unter anderem französische und deutsche Staatsangehörige jüdischen Glaubens zählt.12 Mit der Frage, ob diese Unterscheidung für die Planer des Judenmordes überhaupt relevant war, hält sich Brayard nicht weiter auf. Er sieht sie vielmehr durch die textimmanent-philologische Lektüre von Goebbels’ Tagebuch hinreichend bestätigt, der nicht zum engeren Tatapparat gehörte.

Damit ist die vierte und gravierendste Folge der gewählten Methode angesprochen: Brayard hat nur eine Handvoll unveröffentlichter Quellen ausgewertet (S. 13).13 Welche Konsequenzen dies hat, kann exemplarisch an Wilhelm Stuckarts Rolle gezeigt werden. Die Wannsee-Konferenz sei keine wesentliche Etappe der europäischen Judenvernichtung gewesen, schreibt Brayard mit Blick auf Stuckarts Einlassungen zur so genannten Mischlingsfrage. Er sei zwar im Dezember 1941 durch seinen Rassereferenten Bernhard Lösener über die Erschießung aus Deutschland deportierter Juden in Kaunas und Riga in Kenntnis gesetzt worden. Beide seien aber nicht davon ausgegangen, dass diese Morde systematischen Charakter hatten, denn ein Vernichtungsprogramm gegen die europäischen Juden habe es seinerzeit noch nicht gegeben. Folglich fehle in der gängigen Interpretation der Wannsee-Konferenz ein zentrales Puzzlestück (S. 266f.).

Dieses Puzzlestück findet man tatsächlich nicht in Löseners unzuverlässiger Selbstdarstellung, die Brayard verwendet14, wohl aber in einer Edition von Löseners Handakten, die der Verfasser ignoriert.15 Es handelt sich um einen handschriftlichen Vermerk Löseners über seine Unterredung mit Stuckart am 19. Dezember 1941. Am Morgen des 30. November hatte der Höhere SS- und Polizeiführer für das Reichskommissariat Ostland, Friedrich Jeckeln, rund 1.000 Juden bei Riga erschießen lassen, die drei Tage zuvor aus Berlin deportiert worden waren. Lösener erfuhr durch seinen Mitarbeiter Feldscher, was wie geschehen war. Er verlangte daraufhin vom Staatssekretär seine Versetzung aus dem Referat. Man sei zwar „mit den polnischen und russischen Juden bisher ebenso verfahren“, doch habe dies seine dienstlichen Aufgaben nicht berührt. An der Ausweitung der Massenmorde auf deutsche Juden könne er aber aus Gewissensgründen nicht mitwirken.

Für Lösener zeigte die grausame Erschießung der Berliner Juden, dass das Reichssicherheitshauptamt die „Judenfrage“ nunmehr ins Stadium der „Endlösung“ überführt habe, die der Rassereferent zutreffend als „bestialischen Tod binnen kurzer Zeit“ beschrieb. Stuckart widersprach dem nicht. Er hielt seinem Referenten kaltschnäuzig vor, das Verfahren gegen die „evakuierten Juden“ beruhe „auf einer Entscheidung von höchster Stelle. Damit werden Sie sich abfinden müssen.“ Man müsse die „Endlösung der Judenfrage doch von einem höheren Standpunkt aus“ betrachten. Zehntausende deutsche Soldaten seien allein in den letzten Wochen an der Ostfront gefallen; Millionen weitere müssten ihnen folgen, denn der Krieg werde noch sehr lange dauern. Wörtlich, so Löseners Aufzeichnung, sagte Stuckart: „Denken Sie daran, daß an jedem deutschen Toten die Juden schuldig sind, denn nur den Juden haben wir es zu verdanken, daß wir diesen Krieg führen müssen. Das Judentum hat ihn uns aufgezwungen. Wenn wir da mit Härte zurückschlagen, so muß man die weltgeschichtliche Notwendigkeit dieser Härte einsehen und darf nicht ängstlich fragen, ob denn gerade dieser oder jener bestimmte evakuierte Jude, den sein Schicksal ereilt, persönlich daran schuldig ist.“16

Bemerkenswert ist die übereinstimmende Beurteilung der antisemitischen Politik durch Lösener und seinen Vorgesetzten. Beide Gesprächspartner setzten die „Endlösung“ mit der systematischen Ermordung aus Deutschland deportierter Juden gleich.17 Stuckart berief sich auf einen Befehl Hitlers. Er bediente sich präzise der Argumentation des Diktators, die Juden seien schuld am Weltkrieg. Dies deutet indirekt darauf hin, dass der Staatssekretär Hitlers Generalermächtigung vom 12. Dezember 1941 kannte, die bei Brayard kaum erwähnt wird.18 Auch die monströse Größenordnung des Mordunternehmens wusste Stuckart zu benennen: Die Juden müssten im selben Umfang getötet werden, wie deutsche Soldaten an der Ostfront ums Leben kämen, also millionenfach.

Dieses eine Dokument, keineswegs nur im Archiv auffindbar, aber eben auch dort19, bringt weite Teile von Brayards Gedankengebäude zum Einsturz. Es kann keine Rede davon sein, dass der semantische Gehalt von „Vernichtung“ in Hitlers Rede unklar war, wie Brayard behauptet. Jedenfalls vor Weihnachten 1941 gingen maßgebliche Akteure der Ministerialbürokratie wie selbstverständlich davon aus, dass „Vernichtung“ Massenmord hieß. Zwischen der Tötung polnischer und sowjetischer Juden einerseits, deutscher Juden andererseits bestand aus Sicht der Gesprächspartner ein gradueller, kein systematischer Unterschied. Die von Brayard behauptete Unterscheidung von „Westjuden“ und „Ostjuden“ in der Vernichtungspolitik des Regimes spielte nur insoweit eine Rolle, als Löseners Zuständigkeiten berührt wurden und er sich nicht zur Mitwirkung an einer „Henkerarbeit“ hergeben wollte. Was auch immer Stuckart vier Wochen später zu seinem Sterilisationsvorschlag bewogen hat: Es war jedenfalls nicht Unkenntnis der „Endlösung“ an deutschen Juden, die der Staatssekretär vielmehr vollauf begrüßte.20

Brayards Behauptung, es sei im Reich nicht bekannt gewesen, was mit den deutschen Juden geschah, lässt sich durch eine Fülle weiterer Dokumente widerlegen. Beispielhaft sei ein Bericht des Schweizer Konsuls in Köln, Franz-Rudolf von Weiss, über einen Transport genannt, der am 13. Juni 1942 die Stadt verlassen hatte: „Von meinem Gewährsmann, der die deutsche Stelle in dieser Judenfrage vertritt, wird angenommen, daß dieser Transport inzwischen vergast worden ist, da seitdem keine Nachrichten in Köln über dessen Verbleib eingetroffen sind.“21 Die Beiläufigkeit, mit der Weiss von „Vergasung“ schreibt, lässt auf eine weite Verbreitung entsprechender Informationen schließen.22

Und Auschwitz? Der Ausbau Birkenaus zum Vernichtungslager wurde durch einen Kredit in Höhe von 13,7 Millionen Reichsmark ermöglicht, den der Rüstungsminister Albert Speer nach Besprechungen mit Vertretern des Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes der SS zur Verfügung stellte. Bestimmt war dieses Geld unter anderem für die „Durchführung der Sonderbehandlung“, mithin für den Bau von Gaskammern und Krematorien. Speer, so Brayard, habe dies wohl nicht gewusst, weil der Terminus „Sonderbehandlung“ von seinen nachgeordneten Dienststellen verwendet wurde (S. 394f.). Der Chef des WVHA, Oswald Pohl, hielt demgegenüber im April 1943 fest, „daß […] die Zentraldienststellen des Reichsministers Speer […] bis ins letzte über unsere Bauvorhaben unterrichtet waren und sie schriftlich genehmigt haben“. Die SS-Bauakte, in der im Oktober 1942 von der „Sonderbehandlung“ in Auschwitz die Rede ist, trägt ein Aktenzeichen Speers in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter für das Bauwesen, nicht eines der SS. Deren Hinweis auf die „Sonderbehandlung“ diente ganz offenkundig der Mittelakquise. Daher war es funktional, diesen Terminus gegenüber Speer nicht zu verschweigen, sondern zu verwenden.23

So bleibt von „Auschwitz als Verschwörung“ nicht viel übrig. Brayards Buch ist eine Sekundärstudie, die problematische Thesen auf dürftiger Grundlage präsentiert. Man könnte darüber zur Tagesordnung übergehen, leistete der Verfasser nicht ungewollt apologetischen Tendenzen Vorschub. Brayards Umgang mit dem angeblichen Kaufman-Plan nähert sich bedenklich rechtsradikaler Propaganda.24 Die Legende vom „Arbeitseinsatz im Osten“ diente breiten Kreisen der deutschen Nachkriegsbevölkerung als Entschuldigung: Man habe vom Schicksal der jüdischen Mitbürger nichts gewusst. Brayard strickt fleißig an dieser Legende weiter, indem er die Sprachregelungen des Regimes für bare Münze nimmt. Er liefert der entlastenden Fama Argumente, die Massenvernichtung von Juden durch Giftgas sei eine Geheimverschwörung gewesen.25 Zu den politischen Konsequenzen seiner Darstellung äußert sich der Verfasser im Schlusskapitel über „die Zukunft der Vergangenheit“ (S. 423–451) indes mit keinem Wort.

Nichts findet man dort auch über die befremdliche Auffassung, dass erst der Mord mit Giftgas eine moralische Transgression bedeutet habe, als sei die millionenfache Erschießung von Männern, Frauen und Kindern in Osteuropa nicht der „Endlösung“ zu subsummieren und der Anteil von über 90 Prozent osteuropäischer Ausländer an ihren Opfern für die Gesamtdeutung des Verbrechens unerheblich.26 Das geht bis in die Wortwahl: Brayard zufolge wurden die „Ostjuden“ „massakriert“ und „zu Tode gebracht“, die „Westjuden“ hingegen „vernichtet“. Sogar die Massenvergasungen polnischer Juden in Belzec bezeichnet der Verfasser als „Massaker“ (S. 129f.), um die Unterschiede zwischen ost- und westeuropäischen Juden sprachlich hervorzuheben.

In gewisser Hinsicht handelt es sich bei diesem Buch um eine Gegenerzählung zur Hervorhebung der „Bloodlands“ als Ort millionenfachen Sterbens.27 An der neueren Tendenz zur Rückkehr von mehr oder weniger artifiziellen Raumkategorien in die Historiographie über Massenverbrechen ist allerdings zu Recht Kritik geübt worden.28 Die Judenvernichtung war ein gesamteuropäisches Phänomen. „Grenzüberschreitend“ war die deutsche Vernichtungspolitik spätestens seit dem Moment, als deutsche Mordkommandos die sowjetischen Grenzen überschritten. Deutsche Juden gerieten später in den Malstrom. Ihre Ermordung war aber beschlossene Sache, als man im Januar 1942 zu einer Konferenz mit anschließendem Frühstück am Wannsee zusammentraf.29

Anmerkungen:
1 Florent Brayard, La „solution finale de la question juive“. La technique, les temps et les catégories de la décision, Paris 2004.
2 Ders.: Joseph Goebbels et l’extermination des Juifs. 1939–1943, in: Joseph Goebbels, Journal, 1939–1942, hrsg. v. Horst Möller / Barbara Lambauer / Elke Fröhlich, Paris 2009, S. 63–93, hier S. 85f.
3 Brayards Thesen sind in der französischen Öffentlichkeit mit einiger Aufmerksamkeit wahrgenommen und teils positiv gewürdigt worden. So sieht der Regisseur Claude Lanzmann, einer der führenden jüdischen Intellektuellen Frankreichs, in dem Buch eine legitime Stimme der Holocaust-Interpretation, die diskutiert werden müsse. Vgl. <http://fr.wikipedia.org/w/index.php?title=Auschwitz,_enqu%C3%AAte_sur_un_complot_nazi&oldid=850202810281> (07.11.2012).
4 Theodor N. Kaufman, Germany must perish, Newark [März] 1941.
5 Goebbels hielt in einem viel zitierten Tagebucheintrag vom 27. März 1942 fest, was er über den „barbarischen“ Judenmord im Vernichtungslager Belzec erfahren hatte. Brayard meint, Goebbels sei im Wege des Geheimnisverrats durch den SS-Journalisten Gunter d’Alquen an diese Information gelangt, nicht aber direkt durch Hitler oder Himmler, wie bisher angenommen wurde (S. 67–70, 128f.).
6 Brayard folgt hier zu größeren Teilen der umstrittenen Interpretation von Cornelia Essner: Die Nürnberger Gesetze oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945, Paderborn 2002, S. 384ff.
7 Vgl. Hans Mommsen, Die Realisierung des Utopischen. Die „Endlösung der Judenfrage“ im „Dritten Reich“, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 381–420, hier S. 414.
8 Vgl. Anm. 17.
9 Vgl. Dieter Pohl, Holocaust. Die Ursachen – das Geschehen – die Folgen, Freiburg 2000, S. 79–81.
10 Die Parteikanzlei ordnete im Oktober 1942 an, die „sehr scharfen Maßnahmen“ gegen die Juden in den Ostgebieten im Zuge der „Arbeiten an der Endlösung der Judenfrage“, die auch Deutschland einschließe, künftig als Verbringung zum Arbeitseinsatz in den Osten zu camouflieren.
11 Vgl. nur die Kommentare zu den Einträgen vom 17. April und 9. Juni 1942 in Peter Witte u.a. (Bearb.), Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941–1942, Hamburg 1999, S. 400f., 456, sowie die Einleitung zu dieser Edition, S. 72f.
12 Um Frankreich geht es Brayard aber weniger. Wenn von „Westjuden“ die Rede ist, sind fast immer deutsche Juden gemeint.
13 An unveröffentlichten Quellen hat der Verfasser lediglich zwei Dokumente des Nürnberger Prozesses (S. 465, 488, 509), einige Beweisdokumente aus dem Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann (S. 467, 479, 505f., 566), drei Vernehmungen Dieter Wislicenys (S. 475f., 493, 498), ein Dokument aus dem Bestand Persönlicher Stab Reichsführer-SS (S. 509) und fünf Aktenbände aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes (S. 499, 501, 503-506) selbst eingesehen.
14 Walter Strauß, Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung (Dokumentation), in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), S. 262–313, zur Quellenkritik vgl. Essner, Nürnberger Gesetze (Anm. 6), S. 124f.
15 Wilhelm Lenz, Die Handakten von Bernhard Lösener, „Rassereferent“ im Reichsministerium des Innern, in: Archiv und Geschichte 57 (2000), S. 684–699, hier S. 695–699.
16 Löseners Aufzeichnung, obwohl im Abstand einer Woche niedergeschrieben, ist meines Erachtens eine authentische Wiedergabe dessen, was Stuckart sagte. Dafür spricht nicht nur der Duktus der Aufzeichnung insgesamt, sondern vor allem, dass Lösener im Nürnberger Verfahren gegen Stuckart und in seiner Selbstdarstellung von 1950 (vgl. Anm. 14) diesen zentralen Passus verschwieg.
17 Himmler notierte zu seinem Telefonat mit Heydrich am 30. November 1941 „Judentransport aus Berlin. [K]eine Liquidierung“; vgl. Witte u.a., Dienstkalender (Anm. 11), S. 278. Zu diesem Zeitpunkt waren die Opfer aber schon tot. Jeckeln musste sich schwere Vorwürfe Himmlers wegen eigenmächtiger Handlungen gefallen lassen. Davon wussten Lösener und Stuckart aber nichts. Die zeitweilige Verzögerung des Mordes an deutschen Juden spielt für die Frage nach der Semantik der „Endlösung“ im Dezember 1941 auch keine Rolle.
18 Vgl. Christian Gerlach, Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden, in: Werkstatt Geschichte 18 (1997), S. 7–44.
19 Bundesarchiv Berlin, R 1501/3746a.
20 Vgl. zu Stuckarts Kenntnissen neuerdings Hans-Christian Jasch, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik. Der Mythos von der sauberen Verwaltung, München 2012, S. 362ff.
21 Zitiert nach Markus Schmitz / Bernd Haunfelder (Bearb.), Humanität und Diplomatie. Die Schweiz in Köln 1940–1949, Münster 2001, S. 179; vgl. auch Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, Bern 1999, S. 88ff. (<http://www.akdh.ch/ps/uek.pdf>, 07.11.2012).
22 Vgl. Frank Bajohr, Vom antijüdischen Konsens zum schlechten Gewissen. Die deutsche Gesellschaft und die Judenverfolgung 1933–1945, in: Ders. / Dieter Pohl, Der Holocaust als offenes Geheimnis. Die Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten, München 2006, hier S. 55ff.
23 Vgl. Florian Freund u.a., Der Bau des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Die Aktenmappen der Zentralbauleitung Auschwitz „Vorhaben: Kriegsgefangenenlager Auschwitz (Durchführung der Sonderbehandlung)“ im Militärhistorischen Archiv Prag, in: Zeitgeschichte 20 (1993), H. 5/6, S. 187–214.
24 Vgl. Wolfgang Benz, Judenvernichtung aus Notwehr? Die Legenden um Theodore N. Kaufman, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 29 (1981), S. 615–630. Brayard zitiert diesen Aufsatz (S. 480), meint aber, Goebbels sei von der Existenz eines amerikanischen Vernichtungsplans überzeugt gewesen, denn Kaufmans Vorstoß habe dem eugenischen Zeitgeist entsprochen (S. 168f.).
25 Entgegen seiner scharfen Kritik am Nürnberger Prozess (S. 214ff.) nähert sich Brayard hier alliierten Conspiracy-Thesen, die für die Anklagestrategie der Vereinigten Staaten zentral waren.
26 Vgl. Bernd Weisbrod, Die Dynamik der Gewalt und der Holocaust „vor Ort“, in: Werkstatt Geschichte (2011), H. 58, S. 87–97.
27 Vgl. Timothy Snyder, Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, München 2011.
28 Vgl. Jürgen Zarusky, Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Konstruktion einer Geschichtslandschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), S. 1–31.
29 Vgl. Gerlach, Wannsee-Konferenz (Anm. 18).

Kommentare

Von Brayard, Florent03.03.2014

It is somewhat rare for a critique to claim to have refuted a work so comprehensively that ultimately ‘almost nothing’ remains of it. This is nevertheless what Thomas Sandkühler believes to have accomplished by the end of his review of my book “Auschwitz, enquête sur un complot nazi1 for the most widely consulted platform on German history H-Soz-Kult. His review is peculiar in another sense: the general features of my argument are more or less accurately summarized; for a reason which escapes me, however, its details are almost always misrepresented. Yet it is these distorted details on which the refutation is based. I will address some of these distortions.

My book apparently forwards, according to Sandkühler, ‘problematic theses’ to further marked ‘apologetic tendencies’. Much hinges for Sandkühler on my citation of the polemical booklet of the crackpot pamphleteer Theodor Kaufman made use of by the Nazis, and above all Goebbels, in their propaganda. In “Germany Must Perish2, Kaufman proposed, amongst other things, the sterilization of the German people. By citing him, I thereby skirt ‘dangerously close to the propaganda of the extreme right’ [sic]. Sandkühler here entirely distorts my argument. I never wrote, as he would have it, that the ‘American Jew Theodor Kaufman was a source of inspiration for Nazi leaders’ [re-sic!]. It is evident for all and very clear in my narration that the idea, developed by Himmler at the start of 19413, of sterilizing all Jews in Europe emerges before the publication of this pamphlet in March of 1941 and its discovery in Germany in July 1941.

I have an entirely different purpose in mind in my use of this source. I argue following the example of a number of historians that the ‘extermination of the Jew’ was, within the public sphere, a slogan without precise meaning since Hitler refrained from outlining directly what this ‘extermination’ entailed4. Yet contrary to my predecessors I take seriously the fact that, inversely, Hitler, Goebbels or others explicitly and very regularly, often in connection to Kaufman, considered what the ‘extermination of the German people’ might entail in the case of the defeat of Germany: massive sterilization, reduction to slavery, the liquidation of the elites, deportation, the rape of women, acculturation and so on. From this I concluded that, in the public sphere, which is to say in the speeches of those from the highest echelons of the Nazi party and in its propaganda, the notion of the extermination of a people does not automatically refer to murder; rather to methods of gradual extinction which supposed the survival at least in the short term of the people in question.5 Is it so scandalous to propose this analysis? Are we bound by political exigencies to such an extent that we must deprive ourselves of citing pertinent sources while trying to understand what, for the average German in 1942, the ‘extermination’ of the ‘Jewish people’ might have meant?

Indeed I would be the source of another scandalous statement by suggesting that the discourse of the "Reichssicherheitshauptamt" (RSHA) presenting deportation as a ‘putting to work in the East’ of the Jews might have been taken literally by a certain number of civil coordinators. In this respect, the distorted analysis which Sandkühler makes of my consideration of the report of Pohl, the “Wirtschaft- und Verwaltungshauptamt” (WVHA) head, of a meeting with Speer in September 1942 is illuminating. The goal of my demonstration was to show that this document in itself does not allow us to come to any conclusions concerning the level of frankness in the dialogue between the two men. Had they spoken of murder or simply ‘migration to the East’ as was written in the report?6 To establish the contents of this meeting one would have to appeal to other sources, and this is exactly what Sandkühler does in his review, while imagining that my objective was to exonerate Speer. Manifestly this was not the case, since I wrote that ‘it was clearly either during an interview with Pohl in September 1942, or with Himmler at another time, that the Minister of Armaments was made aware of the true meaning of the program 7’; that is to say, made aware of the intention of mass murder. It was therefore at such a moment that the secret concerning the murder of the Jews deported from the West was discovered within the Ministry of Armaments, and not one year later as Sandkühler interpreted me, once more wrongly, as stating.

The problem of knowing the implicit meaning, not only for the writer of the letter but also for its recipient, of expressions such as ‘migration to the East’, cannot in general and on principle be resolved. We must seek out the forms of interaction which enable us to reconstruct the thought processes of those actors faced with the policy of camouflage employed by the security services. As soon as we consider the problem in these terms, or in other words as soon as we no longer take it for granted that all these people knew how to read between the lines as well as we do decades later, we are confronted with what one might call anomalies; that is to say, facts which are not in keeping with the traditional narration of the ‘final solution of the Jewish question’. Yet of course we can also decide, in similar fashion to Thomas Sandkühler, that in the interests of a memorially correct Vergangenheitsbewältigung we pretend not to see such anomalies.

He gives us a clear example of such a strategy in raising the case of Wilhelm Stuckart, who plays an important role in my argument. The anomaly in this case is the following: Stuckart, who had participated ex officio at the conference of Wannsee, argued several weeks later against the assimilation of the Mischlinge to the Jews, on the grounds that these mixed German Jews, possessing a particular power by virtue of their German blood, if submitted to the same fate as the Jews, might ‘give birth to individuals on the enemy side who could put to the service of the enemy and therefore against the German blood, the superior qualities inherited from this blood’8. This was the argument in favour of the sterilization of those of mixed heritage, and of confining such mixed populations to German territory, that Stuckart sent to certain participants of Wannsee. Yet it would make no sense for Stuckart to produce such an argument if he had been informed at or before Wannsee or even after that all German Jews sent to the East would be put to death and therefore that the Mischlinge, promised the same fate, would face the same end. Indeed Stuckart repeats his argument in September 1942 in a personal letter addressed to Himmler.9

Sandkühler seeks to lay bare my reasoning in order to refute it, citing a document which, according to him, establishes that Stuckart was fully apprised of the genocidal program. Not wanting to undertake the ‘work of an executioner’, as it is put in this document, the secretary of State proposed sterilization. Sandkühler’s response is problematic from several perspectives. A first problem resides in the fact that neither, he nor the historians who make use of it before him 10, have ever taken sufficient time to assess the veracity of this very curious source, of private origin and entered very late into the Bundesarchiv. I do not have the time here to expose all the internal and external inconsistencies of this document. Yet I do believe that it is highly precipitous to see in it, following Sandkühler, definitive proof that the decision to murder the Jews had been taken and communicated to the highest echelons of the administration before Wannsee.

With regards to external inconsistencies, I will mention only that I find stupefying that on being informed during the month of December 1941 of the planned murder of the deported German Jews, as my German colleague believes, Stuckart might continue to reason as if those of mixed race who were deported, and promised the same fate as their Jewish relatives, would be a source of lasting harm for Germany, as he insisted twice in 1942 without ever being refuted. My colleague does not take the time to explain this entirely illogical behavior. Yet perhaps after all he considers that the Nazis were as people so strange that, in order to convince others, they chose to employ incoherent and counter-productive arguments.

The truth is that Thomas Sandkühler, faced with such anomalies, prefers to turn a blind eye rather than produce a coherent narrative capable of integrating them. I cite a certain number of other similar anomalies, drawn from the journal of Goebbels and the archives of the minister of Foreign Affairs, which seem to me to be equally powerful. They all date evidently from the period following the conference of Wannsee, this moment when, as Sandkühler and other historians would have it, the decision to murder the Jews had already been taken and was widely known.11 If Sandkühler is right concerning the reconstruction of the chronology of the decision making process of Hitler, it will be necessary then for him or others to explain why the different leaders acted as if ignorant of what they should have already known. Inversely, if he is not capable of producing such a narrative, he will have to reconsider, as I have done myself, the traditional interpretation of Wannsee according to which the project of total murder was explicitly discussed within the state apparatus. He will then come to notice that, while this historiographical tradition concerning the decision making process is long, dating back to the Nuremburg trials, it is also more than a little fragile in terms of its documentary support.

A rigorous examination of the documents available shows that 1. at the turning point of 1941-1942, the fate of the German and western European Jews was not thus yet bound to systematic murder, neither from the perspective of the RSHA nor the other administrative branches of the Nazi government (it was evidently otherwise for the Ostjuden in Poland and the USSR whose physical extermination had already been decided and the plans for which were common knowledge); 2. The rare policing plans dating from this time of which we have knowledge assume the survival of the Jews deported from the West at least until the following spring or the following summer – and without doubt, in my opinion, further in the future; 3. Deported German and Western European Jews were indeed for several months not assassinated but concentrated in ghettos; 4. It was necessary to wait until April 1942 for a policy decision concerning total murder to be taken and June for a decision on the setting in motion of the ‘final solution of the Jewish question’ within one year.

We should be clear on what is at stake in this focus on Wannsee: or to be more exact, on the end of the year 1941 when the general decision of Hitler, determining in its sweep the fate of German and Western Jews, was to have been taken and made public within the state apparatus. If this traditional interpretation is correct, my book is therefore a perfect example of an initial error of interpretation leading to a chain of subsequent errors. I would therefore lack the subtlety of mind required for understanding the deeper significance of the apparent anomalies on which I set such great store. The alternative is that this interpretation is not correct, and the totality of my questions are therefore pertinent – and legitimate. Pertinent and legitimate since there is no indication that, between Wannsee and the discourse of Posen on October 1943, the murder of all Jews was evoked during the course of inter-ministerial meetings, or in the speeches of Hitler or Himmler before the large assembly where the highest representatives of the Party and State were gathered, or through an order circulating outside of the RSHA and WVHA. Indeed, when at Posen, before the elites of the Party and the State, Himmler bluntly announced the murder of all the Jews of Europe, he concluded by saying: ‘you have now been made aware’.12Now?

Florent Brayard
Directeur de recherche au CNRS (Centre de recherches historiques, EHESS-CNRS, Paris)

Notes :
1 Thomas Sandkühler: Rezension zu: Brayard, Florent: Auschwitz, enquête sur un complot nazi. Paris 2012, in: H-Soz-u-Kult, 24.01.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-1-054>.
2 Theodore N. Kaufman, Germany must perish, Newark, Argyle Press 1941.
3 Brayard, Auschwitz, p. 38. See also Florent Brayard, La "solution finale de la question juive". La technique, le temps et les catégories de la décision, Paris, Fayard, 2004, p. 11-13, p. 322-323 and "To What Extend Was the "Final Solution" Planned ?", Yad Vashem Studies, (2008), 36, p. 78-79.
4 See for example the reflections of David Bankier in "Signaling the Final Solution to the German People", in David Bankier and Israel Gutman [ed.], Nazi Europe and the Final Solution, Jérusalem, Yad Vashem 2003, especially from p. 32.
5 Florent Brayard, Auschwitz…, op. cit., see chapter 4, "Le concept d’"extermination" dans la sphère publique", especially from p. 157.
6 The entirety of Pohl’s report, dated the 16th September 1942, can be accessed via the following link: <http://www.holocaustresearchproject.org/holoprelude/pohl.html> (03.02.2014). See also Florian Freund, Bertrand Perz, Karl Stuhlpfarrer "Der Bau des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau", in: Zeitgeschichte, 20 (1993), 5/6, p. 187-214.
7 Brayard, Auschwitz, p. 396.
8 Letter of Stuckart dated the 16th March 1942, Politisches Archiv des Auswärtigen Amt, Berlin, R 100.857, especialy from page 15. Partial reproduction in Kurt Pätzold et Erika Schwarz, Tagesordnung : Judenmord. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, Berlin, Metropol 1998, p. 121-123.
9 Letter of Stuckart to Himmler, September 1942, reproduced in Walter Strauß, "Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung (Dokumentation)", in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), p. 298-301, <http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1961_3_4_strau%C3%9F.pdf> (02.03.2014).
10 Wilhelm Lenz, "Die Handakten von Bernhard Lösener, "Rassereferent" im Reichsministerium des Innern", in Archiv und Geschichte 57 (2000) ; Christopher Browning, in collaboration with Jürgen Matthäus, Les Origines de la solution finale. L’évolution de la politique antijuive des nazis. Septembre 1939-mars 1942, Paris, Belles lettres 2007, p. 427. Michael Mayer, Staaten als Täter. Ministerialbürokratie und „Judenpolitik“ in NS-Deutschland und Vichy-Frankreich. Ein Vergleich, München, Oldenbourg 2011, p. 221-222 ; Hans-Christian Jasch, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik. Der Mythos von der sauberen Verwaltung, München, Oldenbourg 2012.
11 An exemplary resource on the historiography of Wannsee is Norbert Kampe and Peter Klein (ed.), Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942. Dokumente, Forschungsstand, Kontroversen, Köln, Böhlau 2013.
12 Bradley F. Smith and Agnes F. Peterson (Hrsg.), Heinrich Himmler. Geheimreden 1933-1945, Frankfurt am Main, Propyläen Verlag 1974, S. 169.


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