T. Noble u. a. (Hrsg.): European Transformations

Cover
Titel
European Transformations. The Long Twelfth Century


Herausgeber
Noble, Thomas F. X.; Van Engen, John
Reihe
Notre Dame Conferences in Medieval Studies
Erschienen
Notre Dame/Indiana 2012: University of Notre Dame Press
Anzahl Seiten
XII, 576 S.
Preis
€ 51,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sita Steckel, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Täuschend harmlos verspricht der anzuzeigende Tagungsband die Diskussion von „European Transformations“. Erst der Untertitel „The Long Twelfth Century“ lässt ahnen, worum es sich handelt: Die zugrundeliegende Tagung, 2006 in hochkarätiger Besetzung an der University of Notre Dame abgehalten, setzte 90 Jahre nach Charles Homer Haskins’ „Renaissance of the Twelfth Century“ von 1927 die Reflexion über die große amerikanische Meistererzählung vom Aufstieg der westlichen Moderne im Hochmittelalter fort. Der Band zieht damit eine neue Bilanz und wandelt auf den Spuren des Tagungsbandes zu „Renaissance and Renewal in the Twelfth Century“, der das 50-jährige Jubiläum von 1977 dokumentierte.1 Zwei einleitenden Beiträgen sind 17 durchweg dichte und höchst gehaltvolle Aufsätze zur Seite gestellt, die jeweils viel zur Reflexion und Synthese des Forschungsstandes leisten und im Folgenden nur grob gewürdigt werden können.

Thomas F. X. Nobles rekapitulierende Einleitung (S. 1–16) kündigt die wichtigste Neuerung an: Der Begriff der „Renaissance“ mit allem daran hängenden Ballast wurde abgeworfen. Die Teleologie des Haskins’schen Renaissancenarrativs, das allzu deutlich auf die europäische Renaissance und Werte der westlichen, säkular-rationalen Moderne des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts bezogen war, wird in Frage gestellt und historisiert. Beiträge zur Erneuerung von Recht, Religion und Wissenschaft im Hochmittelalter erhalten zwar weiterhin Raum (während aus „organisatorischen Gründen“ leider die Kunst- und Literaturgeschichte fehlt). Besondere Sorge trugen die Herausgeber aber um einen stärkeren Einschluss der sozioökonomischen Entwicklungen des langen 12. Jahrhunderts sowie um die im Titel angekündigten europäischen Dimensionen hochmittelalterlicher Wandlungsprozesse.

John Van Engens äußerst dichter und anregender Eingangsbeitrag zu Grundproblemen hochmittelalterlicher Transformationen – „Reading, Reason and Revolt in a World of Custom“ (S. 17–45) – öffnet dann den Blick für die Vielfalt und die Ungleichzeitigkeit von Transformationen des 10. bis 13. Jahrhunderts. Van Engen weist auf die Zusammenhänge hin, die zwischen der heutigen Bewertung von Religion und den Narrativen des 12. Jahrhunderts als Zeit der Säkularisierung oder aber als Zeit der religiösen Reform bestehen (S. 23). In der Diskussion von Lese- und Schreibpraktiken gelingt ihm die Verknüpfung von sozioökonomischen, wissenschaftlichen und rechtlichen sowie resultierenden kulturellen Transformationen. Er betont, dass verschiedene Veränderungsschübe gesehen werden müssen, beispielsweise der Wandel der Schullandschaften ca. 1080–1140 sowie der davon keineswegs determinierte Wandel zu den ersten Universitäten ca. 1180–1240 (S. 22). Der Komplexität des langen 12. Jahrhunderts trägt er schließlich durch exemplarische Aufweise Rechnung, dass neue Religiositäten und Rationalitäten oder gewaltsame Revolten und rechtliche Regelungen eben nicht Stufen einer Entwicklung, sondern gleichzeitig auftretende neue Lösungen für Probleme waren, die überlieferte Gewohnheiten angesichts sich wandelnder sozioökonomischer Bedingungen nicht mehr bewältigen konnten. Sowohl einleitend wie in verschiedenen Beiträgen wird aber doch auch an der Idee festgehalten, dass das lange 12. Jahrhundert irgendwie fundierende Bedeutung für die europäische Geschichte gehabt haben müsse. Untergründig scheinen anstelle des Renaissance-Paradigmas immer wieder Thesen auf, die Robert I. Moore 2000 in seinem Band zur „First European Revolution“ (sowie schon 1987 in seiner „Persecuting Society“) starkgemacht hatte.2 Die damit eingeführte Spannung zwischen der Dekonstruktion alter Meistererzählungen, der Herausarbeitung neuer, eher kurzfristiger Wandlungsprozesse des Hochmittelalters und dem Wunsch nach neuen Großnarrativen charakterisiert den gesamten Band.

Die ersten sieben Kapitel widmen sich regionalen Blickwinkeln auf Europa, setzen je nach national ererbter Forschungstradition aber unterschiedliche thematische und theoretische Schwerpunkte. Sämtlich aber suchen sie eine neue Perspektive auf die ältere Idee einer von West nach Ost diffundierenden ‚Modernisierung’ Europas. Die ersten beiden Beiträge zu England und Frankreich zeigen dazu Kontexte und Instrumentalisierungen westeuropäischer Modernisierungs- und Zivilisierungsnarrative auf: John Gillinghams Beitrag (S. 45–74) diskutiert die Vorstellung Williams von Malmesbury, dass seine Zeit einen innovativen, durch Rationalität und kulturellen Fortschritt gekennzeichneten Aufstieg erlebe. Genauso wie Williams aus der antiken Literatur geschöpfte Betonung der ‚Zivilisiertheit’ Englands und Frankreichs gegenüber den umgebenden ‚Barbaren’ deutet Gillingham dies politisch: Beide Erzählungen könnten als historiographische Rechtfertigungen der normannischen Eroberung Englands sowie der im 12. Jahrhundert fortgesetzten Kolonisierung Irlands, Wales’ und Schottlands gesehen werden. Dominique Barthelemys Beitrag zu Frankreich (S. 75–92) dekonstruiert dann die These, dass die neue Kultur ritterlichen Wettstreits in Frankreich eine Art Zähmung und Zivilisierung der neuen, seit ca. 1000 entstandenen militärischen Eliten war. Angesichts einer bereits friedfertigen Kultur des Adels im 10. bis 12. Jahrhundert sieht er das Phänomen des betont kriegerischen „chivalric one-upmanship“ seit dem beginnenden 12. Jahrhundert vor allem als Versuch der Selbstabschließung eines neuen Adels nach unten, gegen nachdrängende städtisch-bürgerliche Gruppen.

Ein differenziertes, beziehungsgeschichtliches Bild entwerfen die folgenden Beiträge zu Italien und dem Reich. Maureen C. Millers Beitrag (S. 117–131) verknüpft ebenfalls den Zusammenhang neuer lokaler Herrschaftsformen und kultureller Legitimation. Wie sie argumentiert, erzeugte die Neukonfiguration politischer Einheiten und Akteure nach dem Verfall der alten politischen Strukturen Italiens einen gesteigerten Bedarf an Legitimation für die neuen Herren in Norden und Süden. Auf dem Rücken dieses Legitimationsbedürfnisses sei es zu zahlreichen Bündnissen lokaler Machthaber und Reformbewegungen mit dem Papsttum gekommen. Letzteres konnte den lokalen politischen Anliegen dabei die eigene religiöse Reformagenda aufsatteln, obwohl es selbst erst durch ihre lokale Unterstützung an Einfluss gewann. Nachdem die römische Kirche durch diesen bottom-up-Prozess des 11. Jahrhunderts übergreifende Strukturen ausgebildet hatte, resultierten prompt Konflikte mit einigen der erstarkten politischen Akteure. Hanna Vollraths Beitrag zum Reich (S. 132–170) zieht dann den Investiturstreit als europäische Beziehungsgeschichte auf. Wie sie diskutiert, seien die Wahrnehmungen des erst in der Moderne zum ‚Investiturstreit’ kanonisierten Geschehens bei den Zeitgenossen zunächst lokal umgrenzt, zudem auch in sich sehr inhomogen und widersprüchlich. Erst allmählich und von lokalen Konflikten angetrieben (also wiederum bottom-up) seien Ereignisse auch überregional diskutiert, gedeutet und propagiert worden. Dieses Ergebnis kann – in schöner Ergänzung zu Miller – das Reich als eigenen, mit anderen Regionen seit dem Investiturstreit aber stärker verbundenen Kommunikationsbereich in die europäische Formation einordnen.

Sverre Bagges Beitrag zu Skandinavien (S. 171–193) bietet eine selbstbewusste Variante eines Modells verspäteter Modernisierung und bringt das forschungsstrategische Leitmotiv europäischer Vielfalt, das auch von Piotr Górecki explizit benannt wird, in die Diskussion ein: An der Staatsbildung Skandinaviens ansetzend weist Bagges kenntnisreicher Beitrag darauf hin, dass neuerdings die konkurrierende Mehrzahl politischer Herrschaftsbildungen als Kennzeichen Europas gesehen würde. Erst die Emergenz der Peripherien, so die Botschaft, erreiche somit die „Europeanization of Europe“ (S. 171) und mache Europa zu dem, was es eigentlich ist. Passend dazu mischen die Beiträge Piotr Góreckis zu Ostmitteleuropa (S. 194–228) und Adam J. Kostos zu Iberien (S. 93–116) beziehungsgeschichtliche und Eigenständigkeit herausarbeitende Beschreibungsmodelle. Góreckis Beitrag fokussiert Herrschaftskrisen und Konversionsprozesse als dem Westen vergleichbare formative Phänomene Ostmitteleuropas, weist aber auf Quellenarmut und starke Diskontinuitäten in den untersuchten Regionen hin. Kosto moniert, dass Narrative der Reconquista und der Renaissance Iberien einseitig als bloßen Durchgangsraum definierten, über den erst nach ‚Anschluss’ durch die Reconquista arabisches Wissen nach Europa geflossen sei. Er weist demgegenüber auf die eigenständige und kulturell aktive Rolle iberischer und südfranzösischer Netzwerke des 11. und frühen 12. Jahrhunderts hin, etwa auf die florierende Landschaft von Kathedralschulen, die freilich ein anderes, früh stärker auf Recht fokussiertes Profil aufwiesen als der ‚Normalfall’ der nordfranzösischen Schulen. Kosto weist zudem die Untersuchung der spanischen Rechtskultur des 12. Jahrhunderts als Feld aus, auf dem sich die Verschränkung christlicher und islamischer Kultur studieren lasse.

Ohne dass dies immer explizit herausgehoben würde, treten in vielen Beiträgen damit lokale und überregionale Verflechtungen innerhalb eines Europa der divergierenden und konvergierenden Regionen als wesentliche Katalysatoren von Wandlungsprozessen auf. Diese Tendenz setzt sich in weiteren Beiträgen fort: Paul Freedmans Beitrag zu Bauern, grundherrlichem Regime und Unfreiheit im 11. bis 13. Jahrhundert (S. 259–278) thematisiert dies explizit, macht aber auch die unterschiedliche Akzentuierung nationalgeschichtlich orientierter Forschungsnarrative als Problem deutlich. David Nicholas’ kundiger Überblick stellt dann die Stadtgeschichte des 10. bis 13. Jahrhunderts als komplexen und regional divergenten Prozess dar (S. 229–258), fokussiert aber auch vereinheitlichende Prozesse der Verflechtung, etwa die Rechtspraxis der Städte mit ihrem ständig steigenden Bedarf an Konfliktlösung in Siedlungs- und Wirtschaftsfragen. Genauer nuanciert das der Rechtshistoriker Anders Winroth in seiner Darstellung der „Legal Revolution of the Twelfth Century“ (S. 338–353). Er schließt zwar eng an die Erfolgsgeschichte der mittelalterlichen Renaissance des Rechts nach Haskins, Kuttner und anderen an. Sein revidierter und erweiterter Forschungsüberblick zum Aufleben des römischen und kanonischen Rechts im langen 12. Jahrhundert geht ebenfalls mit Annahmen eines europäischen bottom-up-Prozesses der Ausbildung rechtlicher und politischer Strukturen konform. Als neues Thema fokussiert er die Entstehung des Prozessrechts, die er (nicht zuletzt auf der Basis der Arbeiten Chris Wickhams) mit neuen Bedürfnislagen unter anderem der Städte in Verbindung bringt. Winroth weist die meisten Neuerungen des langen 12. Jahrhunderts jedoch als allmähliche Transformationen auf der Basis bereits vorhandener Praktiken aus. Er übt sich zudem in der Kritik des älteren „triumphalistischen“ (S. 349) Narrativs der Rechts-Renaissance: Den Schlusspunkt setzt er bei der moralischen Ambiguität des zumeist unter Ausschluss von caritas und aequitas, dafür nun jedoch mit der Folter arbeitenden ‚modernen’ Rechts des Hochmittelalters.

Diese Ambiguität der hochmittelalterlichen ‚Modernisierung’, die seit Moores „Persecuting Society“ wichtiges Motiv geworden ist, nutzen drei weitere exzellente Beiträge als Leitmotiv: Olivia Remie Constable diskutiert die Wahrnehmung des Islam im europäischen Hochmittelalter (S. 279–313), Anna Sapir Abulafia den veränderten Umgang mit den Juden (S. 314–337). Letztere erscheinen im Hochmittelalter als ausgegrenzte und dämonisierte, aber doch auch theologisch notwendige und sozial gebändigte ‚Diener’. Barbara Newmans Beitrag zu literaten (geistlichen) Frauen konstruiert in Anlehnung an C. Stephen Jaeger eine weitere Ausschließungsgeschichte (S. 354–402): Während die wenigen literaten Frauen des 10. und 11. Jahrhunderts noch Anteil an der öffentlichen Liebes- und Freundschaftskultur der ennobling love hatten, habe ihre steigende Anzahl eine Sprengung älterer gemischtgeschlechtlicher Netzwerke und eine Selbstabgrenzung männlicher Freundschafts- wie weiblicher religiöser Selbstheiligungsformen bewirkt. Leider hinterfragt übrigens gerade Newmans Beitrag die Erzählungen von „Renaissance“ und „Humanismus“ praktisch nicht, sondern setzt sie unhinterfragt als gegeben voraus. Dabei scheint es Newman jedoch bloß um Relevanzgewinnung für ihr Thema durch Assoziation mit einem etablierten Großnarrativ zu gehen – ähnlich wie sich David Nicholas’ stadtgeschichtlicher Beitrag (S. 240–247) intensiv auf die umstrittene Großerzählung Harold J. Bermans zu einer päpstlichen „Revolution des Rechts“ beruft, obwohl dessen Thesen eigentlich denkbar schlecht zu Nicholas’ Befunden passen.3

Den Band beschließen Beiträge zum Komplex Religion, Theologie und Philosophie. John Marenbons Skizze zu „Philosophy and Theology“ (S. 403–425) fordert, die Philosophie des Hochmittelalters endlich als transkulturelles, zwischen Christen und Heiden, Juden und Muslimen verflochtenes Phänomen zu untersuchen. Zudem ruft er dazu auf, sich stärker den zahlreichen noch unedierten und unerforschten Namen der hochmittelalterlichen Philosophie zu widmen. Brigitte Miriam Bedos-Rezaks komplexer, aber hochinnovativer Beitrag (S. 426–467) behandelt neue Konzepte des Einwirkens der Transzendenz, die an hochmittelalterlichen Redeweisen des ‚Siegelns’ entwickelt werden. Das Nachdenken über die Authentizität sakramentaler, visueller und experientieller Transzendenzeindrücke, die in Parallele zur Siegelung als ‚Ein-Druck’ Gottes gefasst wurden, wird als Ermöglichung eines neuen, zunehmend komplexen Denkens über das Verhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem, Transzendenz und innerweltlicher Sakralität gesehen. Rachel Fulton Browns Beitrag (S. 468–498) löst dann die langgehegte Forderung ein, die gelehrte Theologie des Hochmittelalters stärker mit gelebter religiöser Praxis in Verbindung zu bringen. Brown dekonstruiert die traditionelle Annahme, dass hochmittelalterliche Liturgie und Devotion stärker auf die Person und Menschlichkeit Christi konzentriert seien: Es handle sich vermutlich um eine Rückprojektion der Leben-Jesu-Forschung des 19. Jahrhunderts. Ihrem Befund nach erweise sich nicht die Menschlichkeit Christi, sondern vielmehr das Drei-Sein („Three-in-One“) des christlichen Gottes als Hauptthema des langen 12. Jahrhunderts. In der Dreiheit liege zudem auch ein wesentlicher Streitpunkt in der Auseinandersetzung mit Heiden, Juden und Muslimen. Beschlossen wird der Band von einem Beitrag C. Stephen Jaegers, der Johannes von Salisbury als „Philosophen des langen 11. Jahrhunderts“ vorstellt (S. 499–521) und damit zur Problematik von Periodisierungen und Renaissance-Narrativen zurückkehrt. In einer genauso dichten wie witzigen Beschreibung fasst Jaeger zunächst Johannes von Salisburys ironisches Lob der Logik im Metalogicon in heutige Konzepte; heraus kommt er bei einem Meta-Anarchitektikon, dem ironischen Lob der französischen Dekonstruktion (S. 503). Insgesamt stellt Jaeger jedoch der philosophischen Antikenrezeption des 12. Jahrhunderts eine des 10. und 11. Jahrhunderts zur Seite – die ihrerseits ältere Wurzeln hat, so dass an die Stelle einer einheitlichen hochmittelalterlichen „Renaissance“ wiederholte Schübe der Aneignung und Neuverhandlung der Antike treten. Jaegers seit Jahren vorgetragene These, dass das 12. Jahrhundert nicht nur Neues hervorbrachte, sondern auch das Absterben älterer, in sich hochinnovativer Tendenzen humanistischer Antikenrezeption bewirkte, wird als Abschlussbeitrag des Bandes also sozusagen endlich kanonisiert.

Insgesamt bietet „European Transformations“ damit nicht nur einen hochwertigen Forschungsstand für einzelne Bereiche. In der Wende zur politisch-geographischen Konkretisierung und in der Fokussierung der Zusammenhänge kultureller, politischer und sozioökonomischer Wandlungsprozesse in bottom-up-Sicht anstelle älterer, modernisierungstheoretisch unterfütterter Ideengeschichte werden endlich längst bekannte Probleme angegangen. Der Band zeigt zudem – wiewohl über weite Strecken eher implizit – auch Bruchstellen des traditionsreichen Forschungsfeldes auf und erschließt die breiten Handlungsspielräume, die der Erforschung des Hochmittelalters jenseits älterer Großerzählungen offen stünden. Diese Öffnung ohne dogmatische Vorgabe neuer Marschrouten dürfte eine der größten Leistungen des Bandes sein. Aufgrund der Einzelüberlegungen genauso wie aufgrund der verhandelten grundlegenden Thematiken ist ihm eine intensive Rezeption zu wünschen. Leider ist das Taschenbuch mit seiner außerordentlich schlechten Bindung eine verkappte Loseblattsammlung und dürfte für Institutsbibliotheken reine Geldverschwendung darstellen.

1 Charles Homer Haskins, The Renaissance of the Twelfth Century, Cambridge, Mass. 1927; Robert L. Benson / Giles Constable (Hrsg.), Renaissance and Renewal in the Twelfth Century, Cambridge, Mass. 1982.
2 Robert I. Moore, The First European Revolution, c. 970–1215, Oxford 2000; Robert I. Moore, The Formation of a Persecuting Society. Authority and Deviance in Western Europe, 950–1250, 2. Aufl., London 2007 (1. Aufl. 1987). Noble (S. 6–7) verweist zudem auf den 2004 erschienenen Band Johann P. Arnason / Björn Wittrock (Hrsg.), Eurasian Transformations, Tenth to Thirteenth Centuries: Crystallizations, Divergences, Renaissances, Leiden 2004, der das 10. bis 13. Jahrhundert als Europa und Asien übergreifende „formative phase“ ausweist, allerdings selbst stark von Moores „Revolution“ beeinflusst ist.
3 Vgl. Harold J. Berman, Law and Revolution. The Formation of the Western Legal Tradition, Cambridge,Mass. 1983, auf den Nicholas (in Anm. 56, S. 254, trotz besseren Wissens um chronologische Schwierigkeiten) verweist. Die Beiträge von Winroth und Miller kommen dagegen ohne Berman aus und widerlegen jeweils implizit dessen ‚Revolutions’-These, die das Aufleben des Rechts im 12. Jahrhundert aus einer planvollen Implementation neuer Ideen durch das Reformpapsttum herleitet.

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