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Titel
Terror in the Balkans. German Armies and Partisan Warfare


Autor(en)
Shepherd, Ben
Erschienen
Cambridge Mass. 2012: Harvard University Press
Anzahl Seiten
324 S.
Preis
€ 35,46
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Stefan Petke, Berlin

Ben Shepherd unternimmt mit seiner vorliegenden Studie den Versuch, mit den Offizieren der mittleren Führungsebene, und hier vor allem den Divisionskommandeuren, eine bisher wenig beachtete Gruppe von Akteuren in den Mittelpunkt seiner Untersuchung zu rücken. Diese besetzten nicht nur die zentralen Schnittstellen zwischen Armeeoberkommando und den Einheiten vor Ort, sondern kanalisierten Befehle und Anordnungen, die sie zusammen mit eigenen Befehlen an die Einheiten vor Ort weiterleiteten (S. 7). Damit oblag ihnen die Auslegung und Interpretation der Befehle der Führungsebene und somit die Möglichkeit durch Handlungslegitimierende oder – sanktionierende Vorgaben, die deutsche Besatzungspolitik erheblich zu beeinflussen. In ihnen glaubt Shepherd die zentralen Akteure gefunden zu haben, um der Frage nachzugehen, warum einige deutsche Einheiten sich mit ungeheurer Brutalität auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz hervortaten und andere trotz vergleichbarer Rahmenbedingungen nicht (S. 10). Daneben versucht Shepherd weitere Faktoren, wie die Ausrüstung und den Ausbildungsgrad der Einheiten, die lokalen Verhältnisse, wie auch das Verhalten des Gegners und der lokalen Bevölkerung, mit einzubeziehen.

Zunächst stehen in den ersten drei Kapiteln die für viele der späteren Offiziere prägenden Jahre vor dem Ersten Weltkrieg bis zum Angriff auf Jugoslawien 1941 im Mittelpunkt. Leider geraten diese einleitenden Kapitel zugunsten der Lesbarkeit etwas holzschnittartig, so dass trotz der Beteuerungen Shepherds, „[…] it would be wrong to imagine that there was an enduring thread of continuity between the incubation of hatred in one war and ist murderous channeling in the next“ (S. 36), ebendieser Eindruck entsteht. Im Schnelldurchlauf werden in diesen Kapiteln die nun zunehmend nicht mehr der Aristokratie entstammenden Offiziere durch technische Veränderungen und dem Übergang zur modernen Massenarmee zu „specialist in mass destruction“ (S. 17). Durch Alldeutsche Bewegung, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Antislawismus radikalisiert, stellte laut Shepherd für diese Gruppe exzessive Gewalt gegenüber als rückständig oder minderwertig erachteten (Volks)Gruppen, so zum Beispiel während der Herero Aufstände, zunehmend ein legitimes Mittel dar (S. 24). Ihre endgültige Radikalisierung und Brutalisierung erfuhren sie durch das Massensterben an den Fronten des Ersten Weltkrieges und der als Schmach empfundenen Niederlage. Im Falle des österreichischen Offizierskorps hatte sich, wie Shepherd betont, mit der Ermordung Franz Ferdinands durch serbische Nationalisten, den militärischen Rückschlägen 1914, den Todesmärschen österreichischer Gefangener beim serbischen Rückzug 1915 und die Rolle serbischer Kräfte beim Zusammenbruch des österreichisch-ungarischen Heeres 1918, eine tiefgehende antiserbische Haltung verfestigt, die als Bezugspunkte 1941 instrumentalisiert werden konnten (S. 36).

Vielen Stellen dieser ersten Kapitel hätte gerade in Hinblick auf die folgenden Kapitel eine Illustration durch biografische Beispiele gut getan, sowohl um die Prägung auf die Offiziere herauszustellen, als auch einen Bogen zu den zentralen Kapiteln des Buches spannen zu können. So wirken sie, wie auch das vierte Kapitel („Invasion and Occupation: Yugoslavia 1941“), als eine Ansammlung notwendiger Hintergrundinformationen für die Leser/innen, ohne eine wirklich geglückte Verbindung zum restlichen Buch herstellen zu können.

Zunächst scheint es, als blieben auch die folgenden Kapitel dieser oberflächlichen Darstellung verhaftet. Kurz und prägnant beschreibt Shepherd in Kapitel fünf und sechs den Einsatz und das Vorgehen der 704. und 342. Infanteriedivision in Serbien 1941/42. Fast erstaunt hält er fest, dass die 704. Infanteriedivision hinter dem von Hitler geforderten Maß an Brutalität zurück blieb. Für Shepherd umso verwunderlicher, da sie beeinträchtigt durch schlechte Ausrüstung und zunehmend durch den serbischen Widerstand bedroht, ausreichend Frustrationspotenzial aufwiesen, um mit entgrenzter Gewalt zu reagieren. Ohne weitergehende Analyse hält der Autor als Ursache hierzu wenig konkret fest: „That they did not was probably due to particular attitudes held by key officers within the 704th.“ (S. 118).

Anders die 342. Infanteriedivision. Die geforderten Sühnequoten wurden von ihr nicht nur erfüllt, sondern von ihrem Kommandeur Generalmajor Walter Hinghofer nochmals verschärft und weit übertroffen. Hinghofer, durch seinen ununterbrochenen Einsatz an der Ostfront im Ersten Weltkrieg militärisch sozialisiert und durch seine österreichische Herkunft zutiefst antiserbisch eingestellt, ist für Shepherd maßgeblich für die Eskalation der Gewalt verantwortlich (S. 141). In der Tat scheinen die sinkenden Todeszahlen unter seinem Nachfolger, dem deutschen Brigadegeneral Paul Hofmann, diesen Befund zu bestätigen.

Doch anstatt seine These mit einer weitergehenden Analyse zu stützen, beschränkt sich Shepherd kurz auf den Werdegang und die Herkunft Hinghofers. Ein tieferes Vordringen in die Strukturen der beiden Divisionen hätte hier vielleicht differenziertere und belastbarere Aussagen ermöglicht. Wie war zum Beispiel der Anteil von Deutschen und Österreichern in den Offiziersrängen oder dem Divisionsstab? Umgab sich Hinghofer mit ihm loyal ergebenen Landsleuten? Veränderte sich die Zusammensetzung des Divisionsstabes mit Hinghofers Versetzung? Die Leser/innen erfahren hierüber nichts. Dies ist umso bedauerlicher, da Shepherd hiermit Möglichkeiten ungenutzt lässt, neues zu liefern, anstatt bereits Bekanntes in zweifellos gut lesbarer Form darzubieten. So ist die Beteiligung und Eigeninitiative der Wehrmacht bei der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Serbien seit Walter Manoscheks Studie1 bekannt. Auch das fast unentwirrbar erscheinende Geflecht der unterschiedlichen jugoslawischen Interessengruppen und die verschiedenen Nuancen ihrer Kooperation, Kollaboration oder ihres Widerstandes, die im weiteren Verlauf bei Shepherd von Belang sind, hat Jozo Tomasevich mit seiner mehrbändigen Studie2 differenziert dargestellt. Daneben ist mit Klaus Schmiders Studie zum Partisanenkrieg in Jugoslawien3 bereits 2002 eine fundierte Studie der beteiligten deutschen Stellen erschienen.

Auch die Kapitel neun und zehn, denen Shepherd den größten Teil seiner Arbeit der 718. Infanteriedivision widmet, sind solide gearbeitet, bringen jedoch keine neuen Erkenntnisse. Die Verhältnisse im verbündeten Unabhängigen Staat Kroatien, die zunehmende Gewalt zwischen Ustascha, Tschetniks, muslimischen Milizen und Partisanen sind in dieser oder ähnlicher Form bereits dargestellt worden. Dies gilt auch für die von Shepherd besonders eindrücklich beschriebenen Auswirkungen des auf allen Seiten brutal geführten Partisanenkampfes auf die deutschen Einheiten, die nun wieder verstärkt zu Sühne- und Repressionsmaßnahmen griffen.

Mit einer kurzen Darstellung der aus deutschen und österreichischen Offizieren und kroatischen Mannschaften bestehenden 369. Infanterie Division beendet Shepherd seine Untersuchung. Erst hier erfolgt eine Darstellung und Einordnung beteiligter Offiziere ansatzweise in dem Maße, wie sie auch in den Kapiteln zuvor wünschenswert gewesen wäre.

Leider bleibt der Eindruck, dass Shepherds Studie weit hinter den Möglichkeiten zurück bleibt. Gerade auch in Bezug auf die eingangs gestellte Frage nach der Verantwortung der österreichischen Offiziere für die Gewalt der Wehrmacht auf dem Balkan, vermag Shepherd ohne empirische Analyse nur erste Anhaltspunkte zu liefern. Unverständlich bleibt auch die Auswahl der Einheiten wie auch des Untersuchungszeitraums. So tat sich beispielsweiese mit der mehrfach genannten „7. Waffen-Gebirgs-Division der SS ‚Prinz Eugen’“ (S. 158, 160, 218, 219 und 227) auch von Seiten der Waffen-SS eine Einheit mit besonderer Brutalität hervor, die mit ihrem Kommandeur Artur Phleps und einem Großteil der Offiziere und Mannschaften über eine Vielzahl von Personen verfügte, die in Österreich-Ungarn aufgewachsen und sozialisiert worden waren. Ein stärkerer Bezug oder ein Vergleich wäre in Hinblick auf Shepherds Fragestellung sinnvoll gewesen. Dass eine umfassende Untersuchung sowohl von Einheiten der Wehrmacht, als auch der Waffen-SS im Partisanenkampf nicht in eine mehrbändige Studie ausarten muss, hat unlängst Carlo Gentile für den nicht minder komplexen Raum Norditalien unter Beweis gestellt.4

Anmerkungen:
1 Vgl.: Walter Manoschek, „Serbien ist Judenfrei“: militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993.
2 Vgl. u.a.: Jozo Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945, Bd. 2: Occupation and Collaboration, Stanford 2001.
3 Vgl.: Klaus Schmider, Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941–1944, Hamburg 2002.
4 Vgl.: Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945, Paderborn 2012.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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