H. J. Nicholson (Hrsg.): The Proceedings Against the Templars

Nicholson, Helen J. (Hrsg.): The Proceedings Against the Templars in the British Isles. Volume 1: The Latin Edition. Aldershot 2011 : Ashgate, ISBN 978-1-4094-3650-8 432 S. € 96,53

Nicholson, Helen J. (Hrsg.): The Proceedings Against the Templars in the British Isles. Volume 2: The Translation. Aldershot 2011 : Ashgate, ISBN 978-1-4094-3652-2 653 S. € 115,83

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Heiduk, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen

Der Prozess gegen den Ritterorden der Templer in den Jahren 1307–1312 wurde von den Zeitgenossen wie der Nachwelt stets als außergewöhnliches Ereignis wahrgenommen und seine Dokumentation in den Verhör- und Gerichtsakten immer wieder als historische Quelle befragt. Davon zeugen bereits die Marginalien und Lesespuren in den mittelalterlichen Abschriften der Protokolle sowie die frühen Bemühungen, die Schriftstücke in gedruckte Quellensammlungen aufzunehmen. Erste Auszüge aus den Akten der Verfahren gegen die Templer in England, Irland und Schottland fanden 1661 Eingang in den zweiten Band des Monasticon Anglicanum.1 Dem ließ der nach England übergesiedelte preußische Historiker David Wilkins 1737 einen Abdruck großer Teile aus dem wichtigsten Überlieferungsträger2 und den Protokollen des Yorker Diözesankonzils im zweiten Band seiner Concilia Magnae Britanniae et Hiberniae3 folgen. Bislang stellte diese Wiedergabe bei Wilkins die maßgebliche Referenz für die historische Forschung zum Verfahren auf den Britischen Inseln dar, obwohl bald Kritik an Wilkins fehlerhafter und sehr eklektischer Zusammenstellung geübt wurde.4 Dem Desiderat nach einer umfassenden Edition gemäß modernen kritischen Standards ist nun Helen Nicholson von der Universität von Cardiff in zwei gewichtigen Bänden nachgekommen. Der erste Band beinhaltet neben der überlieferungs- und forschungsgeschichtlichen Einordnung die vollständige Wiedergabe des lateinischen Textes der vier erhaltenen Handschriften, die unterschiedliche Stadien des Prozesses in England, Irland und Schottland entweder für das gesamtbritische Kirchenkonzil oder für die päpstliche Kurie protokollieren. Der zweite Band umfasst die englische Übersetzung samt dem Anmerkungsapparat mit Sacherläuterungen sowie einen historischen Überblick über das Prozessgeschehen und das Register.

Ein Vergleich zwischen der Textwiedergabe bei David Wilkins und der hier angezeigten Neuedition verdeutlicht, welchen Gewinn die Forschung aus den Mühen von Helen Nicholson zu ziehen vermag. Wilkins orientierte sich nicht nur lediglich auf einen Überlieferungsträger, sondern griff kommentarlos in den lateinischen Text ein, löste teilweise etwas willkürlich dessen Abkürzungen auf – so konnte aus einem Präzeptor schon einmal ein Presbyter werden –, korrigierte Grammatik und Wendungen, wenn sie für ihn keinen Sinn ergaben und beschränkte sich auf die Wiedergabe von Kernaussagen und Namen. Vermeintlich sich wiederholende Inhalte, Weitschweifigkeiten oder als anstößig empfundene Passagen ließ er großzügig weg, ohne seinen Leser in irgendeiner Weise auf die Auslassungen aufmerksam zu machen. Helen Nicholson hingegen stellt in ihrer Neuedition dem Quellentext nicht nur einen Variantenapparat bei, der die editorischen Entscheidungen nachvollziehbar gestaltet, sondern fühlt sich einer möglichst getreuen Wiedergabe der handschriftlichen Vorlagen verpflichtet. Das Ergebnis ist keine sonst übliche künstliche Textkonstruktion aus den verschiedenen Überlieferungen, sondern eine vollständige Nachbildung der verwendeten historischen Dokumente im modernen Schriftsatz. So werden nicht nur Schreibweise und grammatische Fehler beibehalten und allenfalls in den Anmerkungen korrigiert, sondern auch die Auflösung sämtlicher Abbreviaturen durch eckige Klammern gekennzeichnet, alle Marginalien und selbst graphische Lesemarkierungen sowie Textstreichungen wiedergegeben und auch in der Übersetzung berücksichtigt. Der Leser gewinnt dadurch ein eindrückliches Bild von der Überlieferungssituation, den technischen Verfahrensweisen bei der Protokollierung der Prozessaussagen und von historischen Benutzerinteressen an den mittelalterlichen Handschriften. Deutlich werden zudem die unterschiedlichen Kontexte der Niederschriften der einzelnen Textzeugen und erlauben ihre Einordnung in bestimmte Stadien des Verfahrens, was einen Abgleich von Aussagen und ihren möglichen Widersprüchlichkeiten sowie steuernde Eingriffe von Seiten der dokumentierenden Schreiber ermöglicht. Wenn die Templerforschung seit Jahrhunderten über die Bewertung von Befragungen und Zeugenaussagen streitet, so wird nun ein maßgeblicher Grund deutlich: Für die meist im Fokus stehenden Dokumente aus den französischen Teilprozessen stützt man sich nach wie vor auf Textausgaben des 19. Jahrhunderts, die philologisch nicht ähnlich problematisch sein mögen wie die Wiedergabe bei David Wilkins, aber dennoch keine vergleichbare Arbeitsgrundlage zu liefern vermögen, wie sie nun für die Verfahren auf den Britischen Inseln vorliegen. So bewegen sich die Diskussionen in der Regel auf der Basis von Einzelbeispielen und nicht auf einer systematisch vergleichenden Sichtung des Quellenmaterials.

Bereits 2009 legte die Herausgeberin eine eigens publizierte, ausführliche historische Analyse des Templerprozesses auf den Britischen Inseln vor5, weshalb sich die Einführung der Edition in Ereignisgeschichte und Quellenkontext auf eine konzise Zusammenschau beschränkt. Eine wahre Fundgrube für die Templerforschung eröffnet Helen Nicholson jedoch im ausführlichen Sachapparat, der im zweiten Band der Ausgabe der englischen Übersetzung beigefügt ist. Die Anmerkungen erschließen die Personennennungen, Orts- und Zeitangaben der Befragungen und Zeugenaussagen und liefern hilfreiche Querverweise zu anderen relevanten Textstellen. Sie beziehen aber auch das Geschehen an den anderen Schauplätzen des europaweiten Prozesses gegen den Ritterorden ein. Damit werden zum einen die personellen und institutionellen Verflechtungen der Ordensbrüder von den Inseln und die enorme Tragweite des Gesamtverfahrens sichtbar, zum anderen können aber auch sinnvolle Ergänzungen und nicht zuletzt Hinweise auf Widersprüche zu Aussagen der anderen Teilverfahren nachvollzogen werden. Deutlich zeichnet sich dadurch ab, wie sehr die inhaftierten Ordensritter, abgeschnitten vom Informationsfluss, lediglich über die Verhältnisse und Ereignisse in den anderen Ländern mutmaßen konnten. So verweist die Herausgeberin beispielsweise bei Bemerkungen der britischen Templer zu Vorkommnissen auf Zypern auf gegensätzliche Aussagen der dort inhaftierten und befragten Ordensbrüder. Verständlich wird aber auch, mit welcher Fassungslosigkeit die Ordensritter in England, Irland und Schottland auf die Geständnisse von der anderen Seite des Kanals reagierten und sich vehement von diesen abzusetzen versuchten.

Lediglich die Anführung der Registerpositionen nach der Folionummerierung der Handschriften erschwert etwas die praktische Handhabung der Edition. Hier wäre die Orientierung entlang der Seitenzahlen der Bände hilfreicher. Auch verhindert die Aufteilung von Lese- und Sachapparat sowie Quellentext und Übersetzung auf die beiden Bände die Möglichkeit, die lateinische und englische Fassung in Synopse zu lesen. Angesichts der ansonsten vorbildlichen Editionsarbeit fallen diese kleinen Monita allerdings kaum ins Gewicht. Helen Nicholson ist mit der hier angezeigten Ausgabe ein kaum zu überschätzender Beitrag zur Grundlagenforschung zum Templerprozess gelungen, der Maßstäbe für künftige Arbeiten setzt und den Wunsch nach weiteren Neueditionen gemäß diesen Standards weckt.

Anmerkungen:
1 Monasticon Anglicanum […], Bd. 2, hrsg. v. Roger Dodsworth / William Dugdale, London 1661, S. 559–564.
2 Dabei handelt es sich um die Abschrift der vermutlich für das allgemeine Kirchenkonzil von Vienne von 1311–1312 bestimmten Zusammenstellung: Oxford, Bodlein Library, MS Bodley 454.
3 Conciliae Magnae Britanniae et Hiberniae, Bd. 2, hrsg. v. David Wilkins, London 1737, S. 329–401.
4 Vgl. insbesondere Clarence Perkins, The Trial of the Knights Templars in England, in: The English Historical Review 24 (1909), S. 432–447.
5 Helen J. Nicholson, The Knights Templar on Trial. The Trial of the Templars in the British Isles, 1308-11, Stroud 2009. Siehe hierzu Matthias Heiduk: Rezension zu: Nicholson, Helen J.: The Knights Templar on Trial. The Trial of the Templars in the British Isles, 1308-11. Stroud 2009, in: H-Soz-u-Kult, 22.06.2011, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-2-227> (23.04.2012).

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