Titel
Purifiyng the Nation. Population Exchange and Ethnic Cleansing in Nazi-Allied Romania


Autor(en)
Solonari, Vladimir
Erschienen
Anzahl Seiten
451 S.
Preis
54,99 $
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Radu Harald Dinu, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt

Der an der University of Central Florida lehrende Historiker Vladimir Solonari hat mit „Purifying the Nation“ ein Buch vorgelegt, das für die zukünftige Erforschung des Ethnonationalismus und des Holocaust in Rumänien richtungweisend sein wird. Dabei stellt seine Studie keineswegs den ersten Versuch dar, die radikalen bevölkerungspolitischen Maßnahmen der rumänischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren. Die „Ära Antonescu“ (1940-1944) gilt seit dem Erscheinen der Arbeiten von Sebastian Balta, Dennis Deletant und Armin Heinen als relativ gut erforscht.1 Dennoch betritt Solonaris Monographie in vielerlei Hinsicht historiographisches Neuland. Denn anders als der Titel suggeriert, behandelt das Buch nicht nur die Periode nach dem Beitritt Rumäniens zum Dreimächtepakt. Unter Hinzuziehung einer beeindruckenden Quellen- und Literaturbasis macht der Autor zudem deutlich, dass die Homogenisierungs- und Purifizierungsmaßnahmen der 1940er-Jahre eine längere Vorgeschichte hatten, die in die Zwischenkriegszeit reicht. Während die meisten Darstellungen unter diesem Themenkomplex vor allem Persönlichkeiten wie Nichifor Crainic, Nae Ionescu, oder faschistische Gruppierungen wie die „Legion Erzengel Michael“ und Alexandru C. Cuzas „Liga zu National-Christlichen Verteidigung“ subsumieren, lenkt Solonari den Blick auf maßgebliche Demographen, Rassenhygieniker und Soziologen der 1930er-Jahre, deren Wirkungsmacht bislang unterschätzt wurde. Zwar dürften die wichtigsten Vertreter der rumänischen Eugenik spätestens seit Maria Bucurs Arbeiten hinreichend bekannt sein. 2 Solonari geht jedoch über den von Bucur vorgegebenen Zeitrahmen hinaus und zeichnet überzeugend nach, wie die in der Zwischenkriegszeit vorbereiteten Visionen etwa von Sabin Manuilă oder Iuliu Moldovan die Minderheitenpolitik der Antonescu-Regierung prägten.

Neben diesen unterschiedlichen diskursiven Strängen und personellen Verbindungslinien, untersucht der Autor anhand von zahlreichen Fallbeispielen die konkrete Umsetzung der rumänischen Siedlungs- und Bevölkerungspolitik. So wird nicht nur veranschaulicht, wie die Besiedlung der Süddobrudscha (rum. Cadrilater) mit rumänischstämmigen Kolonisten ab 1878 den späteren Umgang mit den unterschiedlichen ethnischen Minderheiten an der Peripherie prägte. Auch die im September 1940 vereinbarte Rückgabe der Süddobrudscha an Bulgarien und der darauf folgende Bevölkerungsaustausch zwischen beiden Ländern wird überzeugend in eine longue durée bevölkerungspolitischer Programme eingereiht.

Einen Großteil des Buches nehmen die ethnischen Säuberungen und das Social Engineering der Militärdiktatur Antonescus ein. Nach der Wiedereroberung Bessarabiens, der Bukowina und der Besetzung Transnistriens durch rumänische Truppen im Sommer 1941, wurden die nordöstlichen Gebiete zu einer „Modellprovinz“ erklärt, in der das Fernziel einer ethnischen Purifizierung verwirklicht werden sollte. Um eine möglichst reibungslose Durchführung zu gewährleisten, wurde der traditionell zentralisierte rumänische Staats- und Verwaltungsapparat umgangen und die neu etablierten Dienststellen vor Ort mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Da ein ethnisch homogener Nationalstaat kaum mit legalen Mitteln umgesetzt werden konnte, ermunterte Antonescu seine Gouverneure sogar dazu Gesetze zu missachten, sofern es dem „nationalen Interesse“ diene. Vor diesem Hintergrund gelingt es Solonari die Mechanismen der Massengewalt gegen Juden und Roma plausibel zu entschlüsseln: Die Deportation und Massentötung sei unzweifelhaft durch die Anweisungen und Befehle der Bukarester Regierung in Gang gesetzt worden. Vereinzelte Tätergruppen, wie etwa rumänische Armee- und Gendarmerieeinheiten, hätten die Impulse von oben jedoch höchst eigensinnig umgesetzt oder Massenerschießungen aus eigenem Antrieb verübt. Solonari widerspricht etwa der gängigen Annahme, wonach das Pogrom von Iaşi Teil eines „Masterplans“ Antonescus gewesen sei.

Es ist das Verdienst dieser anspruchsvollen Studie, ein breites Spektrum ethnonationalistischer Diskurse und bevölkerungspolitischer Maßnahmen in Rumänien beleuchtet und zu einer gelungenen Gesamtdarstellung verwoben zu haben. Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, mehr über die Kontinuitäten und Brüche nach dem Sturz des Antonescu-Regimes zu erfahren. Was passierte mit den maßgeblichen Sozialingenieuren nach dem Zweiten Weltkrieg? Wurden die bevölkerungspolitischen Visionen über den Epochenbruch von 1945 hinaus tradiert? Auch die Entscheidung, Transnistrien nicht in die Analyse einzubeziehen, da – so Solonari – die Region nicht als Teil des rumänischen Staatsterritoriums betrachtet und somit auch keiner „ethnischen Säuberung“ unterzogen wurde, kann hinreichend in Frage gestellt werden. War das von rumänischen Truppen verübte Massaker von Odessa im Oktober 1941 nicht Teil der übergeordneten Purifizierungsbestrebungen des Antonescu-Regimes? Diese Einwände tun der Qualität dieser Monographie jedoch keinen Abbruch. „Purifying the Nation“ wird, gerade wegen der Einbettung zentraler theoretischer Erkenntnisse der neueren Holocaust- und Genozidforschung, zweifellos zu einem Referenzwerk für die künftige Erforschung dieses Themenfeldes werden.

Anmerkungen:
1 Sebastian Balta, Rumänien und die Großmächte in der Ära Antonescu 1940-44, Stuttgart 2005; Dennis Deletant, Hitler’s Forgotten Ally. Ion Antonescu and his Regime, Romania 1940-44, Basingstoke 2006; Armin Heinen, Rumänien, der Holocaust und die Logik der Gewalt, München 2007.
2 Maria Bucur, Eugenics and Modernization in Interwar Romania, Pittsburgh 2002.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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