F.J. Strittmatter: Deutsche Ausgleichsbank

Cover
Titel
1950 - 2000. 50 Jahre Deutsche Ausgleichsbank. Bankgeschäfte und Dienstleistungen im öffentlichen Auftrag


Autor(en)
Strittmatter, Franz Josef
Anzahl Seiten
509 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Werner Bührer, Institut für Sozialwissenschaften, Technische Universität München

Manche Institutionen machen sich durch ihren Erfolg selbst überflüssig, andere sehen sich rechtzeitig nach neuen, existenzerhaltenden Aufgaben um. Ein Beispiel für letztere Spezies bietet die 1950 gegründete „Vertriebenen-Bank“, die inzwischen als „Deutsche Ausgleichsbank“ (DtA) firmiert und zur Zeit mit Anzeigen zur Bildungsförderung – „unsere Antwort auf PISA“ – um Aufmerksamkeit und Kunden wirbt. Da sich die Bank von Anfang an auch als „Gründerbank“ verstand, fiel ihr die Akquisition neuer Geschäftsbereiche sogar vergleichsweise leicht, denn Hilfe zur Existenzgründung konnten schließlich nicht nur Vertriebene und Kriegssachgeschädigte gebrauchen. So hat sich die DtA insbesondere seit Anfang der 1990er Jahre von einem „reinen Finanzierungsinstitut zu einem komplexen Dienstleister für Unternehmer“ (S. 46) entwickelt.

Strittmatter und sein Mitautor Klaus Nötzel, ein früheres Vorstandsmitglied der Bank, erzählen also eine Erfolgsstory: Gegründet im Mai 1950 auf Initiative einiger weniger ehemaliger Vorstandsmitglieder ostdeutscher Behörden und Banken und unter Mithilfe des Bundesvertriebenenministers Hans Lukaschek als eigenständige Fördereinrichtung für die ehemals Selbständigen unter den Vertriebenen, war die neue Bank als „Refinanzierungsinstitut“ konzipiert, das „wettbewerbsneutral arbeiten“ und die herkömmliche Hausbank keinesfalls ersetzen sollte (S. 14). Ungeachtet dieser geplanten Vermittlerrolle zur jeweiligen örtlichen Kreditwirtschaft hatte die Neugründung manche Widerstände von Seiten der bereits existierenden Banken und der zuständigen Beamten des Bundesfinanzministeriums, die an ihrer Lebensfähigkeit zweifelten, zu überwinden. Mittel flossen der Bank zunächst vor allem aus dem Marshallplan zu; erst mit ihrer Einbindung in die Abwicklung des Lastenausgleichs 1952 begann die Konsolidierung. In den folgenden Jahren konnte die „Bank für Vertriebene und Geschädigte (Lastenausgleichsbank)“, so der neue Name der 1954 in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelten Einrichtung, ihre Bilanzsumme und die Zahl ihrer Mitarbeiter kontinuierlich steigern. Seit Ende der fünfziger Jahre weitete sie ihre Aktivitäten zunehmend auch auf Kreise jenseits der ursprünglichen Klientel aus und übernahm allgemeine wirtschaftsfördernde Aufgaben. Mittelstands- und Umweltschutzprogramme zählten ebenso dazu wie spezielle Fördermaßnahmen für Existenzgründer; daneben engagierte sich die Bank auch im sozialen Bereich und in der rechtlichen und finanztechnischen Betreuung von Stiftungen. Ihre vielfältigen einschlägigen Erfahrungen prädestinierten die DtA schließlich nach der Wiedervereinigung dazu, am „Aufbau einer selbständigen Unternehmerschicht in den neuen Ländern“ mitzuwirken (S. 44).

Dies alles kann man in dem 40seitigen, komprimierten Überblick über die Geschichte der DtA nachlesen, mit dem Strittmatter und Nötzel ihre Darstellung einleiten. Danach wenden sie sich den einzelnen Tätigkeitsfeldern in zehn Kapiteln noch einmal gesondert und stärker gegenwartsbezogen zu und erwähnen auch einige konkrete Beispiele erfolgreicher Förderung wie den Strumpfhersteller Kunert oder die „Rotkäppchen Sektkellerei“. Diese Kapitel erinnern allerdings mitunter stark an Geschäftsberichte und lassen jegliche kritische Distanz zum Gegenstand vermissen: „Die blühende Unternehmenslandschaft in der Bundesrepublik sähe sicherlich anders aus ohne die Existenzgründungshilfen der deutschen Ausgleichsbank“ (S. 168), heißt es da beispielsweise, oder es ist von einem „starken Internet-Auftritt der DtA“ (S. 402) die Rede. Noch ärgerlicher wirkt das Lamento, dass sich Schüler heutzutage „mehr mit Kulturrevolutionen als mit Konjunkturen“ beschäftigten und, „wenn überhaupt, ein Zerrbild unserer Wirtschaft“ kennen lernten (S. 403), zumal die Autoren, wie nicht anders zu erwarten, jeglichen Beleg für diese absurde Behauptung schuldig bleiben. Bewahrheitet hat sich hingegen die triumphierende Bemerkung, „die jungen Unternehmer der New Economy (beherrschten) die Schlagzeilen“ (S. 403) – freilich auf andere Art als erwartet.

Worin liegt nun für Historiker der Nutzen dieser Festschrift, die, das sollte fairerweise nicht unerwähnt bleiben, nicht mit wissenschaftlichem Anspruch auftritt? Gewiss nicht in jenen Passagen, welche der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung gelten: Die sind nämlich, wie etwa die These von der Währungsreform als Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Aufschwungs, meist eher schief ausgefallen und ignorieren schlicht den neueren Forschungsstand. Entsprechende Arbeiten sucht man im Literaturverzeichnis folglich vergeblich. Auch über die Rivalitäten zwischen der Vertriebenenbank und den „etablierten“ Kreditinstituten oder zwischen einheimischen Firmenbesitzern und Vertriebenen, die vermutlich auf die Arbeit der Bank zurückschlugen, hätte man gerne mehr erfahren. Immerhin wird deutlich, dass auch sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen Mittelstandsförderung betrieben haben. Nützlich ist das Buch indes vor allem wegen des umfangreichen Zahlenmaterials, das insbesondere im Anhang dargeboten wird und die verschiedenen Aktivitäten der DtA detailliert widerspiegelt, und wegen der Einblicke in finanzierungstechnische Aspekte der langjährigen wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik.

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