Cover
Titel
Between Empires. Arabs, Romans, and Sasanians in Late Antiquity


Autor(en)
Fisher, Greg
Reihe
Oxford Classical Monographs
Erschienen
Anzahl Seiten
XVIII, 254 S.
Preis
£ 55,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Konstantin Klein, Alte Geschichte, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Streng genommen stellt Greg Fishers Dissertation die erste Monographie dar, die sich seit Nöldeke und Rothstein1 schwerpunktmäßig mit den spätantiken arabischen Klientelreichen der Ghassaniden, Lakhmiden und Kinda beschäftigt. Aufgrund der Quellenlage ist es nachvollziehbar, dass hierbei die Darstellung der Ghassaniden den größten Umfang einnimmt und bisweilen durch Quellen zu den Lakhmiden und Kinda ergänzt wird (S. 8). Lange Zeit bildeten die monumentalen Bände Shahids2 den einzigen ausführlichen Zugang zu diesen arabischen Klientelreichen. Der Bedarf an einer neuen Studie ist somit fraglos gerechtfertigt. Es ist ferner zu erwarten, dass Fishers Darstellung allein aufgrund der Ermangelung vergleichbarer Studien zu einem Standardwerk werden dürfte. Sie löst die Erwartungen des Lesers durchaus ein, bringt allerdings wenig neues Gedankengut und zeichnet sich durch einen ausgesprochen vorsichtigen Grundtenor aus. Schon das Vorwort (S. VI–IX), angelehnt an einen Aufsatz Whittows3, legt davon Zeugnis ab, indem der Verfasser seinem Sujet schon auf der vierten Textseite eine größere historische Bedeutung abspricht: „whilst they [die arabischen Klientelreiche] may not have been critical military allies, it is clear that as occasional participants in the […] world of Late Antiquity the Jafnids and Nasrids played a small but important role“ (S. IX).

Diese, den Leser nicht wenig abschreckende Relativierung steht freilich in starkem Gegensatz zur Darstellung vor allem der Ghassaniden bei Shahid. Insofern ist es folgerichtig und wichtig, dass sich Fisher in seiner Einleitung (Kapitel 1, S. 1–33) mit dessen Thesen auseinandersetzt. Dies geschieht nun allerdings in polemischen Tönen (S. 10–13, bes. 13), die sich in Anbetracht der wissenschaftlichen Leistungen Shahids für die Erforschung der vorislamischen Araber unangebracht ausnehmen. Dass dessen Interpretationen der Quellen an vielen Stellen ins Spekulative und bisweilen in eine gewisse Teleologie abdriften, ist bekannt. Dennoch sollte den Bänden der angebrachte Respekt gezollt werden, schöpft doch jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, zwangsläufig aus ihrer sich der Vollständigkeit annähernden Quellenfülle – dies tat auch Fisher für sein Buch, das ohne Shahids Vorarbeit sicherlich nicht möglich gewesen wäre.4

Der zweite Schwerpunkt der Einleitung ist der Terminologie gewidmet. Die vielleicht auffallendste Neuerung in Fishers Darstellung ist die veränderte Bezeichnung der arabischen Stammesgruppen: Fisher spricht nicht mehr von Ghassaniden, Lakhmiden und Kinda, sondern von Jafniden, Nasriden und Hujriden. Dieser Nomenklatur liegt der Gedanke zugrunde, die behandelten arabischen Gruppen durch ihre Führungseliten zu bezeichnen und nicht – wie bisher geschehen – durch die Stämme selbst, die in schwankender Loyalität von diesen Eliten kontrolliert wurden (S. 3–5, ausführlicher S. 84–99). Diese Neubezeichnung erweist sich als durchaus nachvollziehbar und sinnvoll, fraglich bleibt allerdings, ob sich die Fachwelt in Zukunft an ihr orientieren wird.

Im Anschluss an einen Durchgang durch die moderne Forschungsliteratur präsentiert Fisher in vorbildlicher Weise seine Quellen (S. 14–21), wobei anzumerken ist, dass seine Darstellung auf die Heranziehung späterer, muslimischer Geschichtsschreibung und Dichtung gänzlich verzichtet – auch dies ein Punkt, den Fisher bei Shahid (bisweilen zurecht, S. 52) kritisiert, wenngleich die generelle Nichtbeachtung dieser wichtigen Textcorpora freilich die leichteste, aber keineswegs eleganteste Methode darstellt, mit der Problematik dieser Quellen umzugehen. Nach einigen Absätzen zur Methodik (S. 23–25), wobei sich Fisher vor allem auf Vergleichsbeispiele des römisch-barbarischen Kulturkontaktes im Westen des Reiches stützt, erläutert er den geographischen Raum seiner Studie (S. 26–29). Auch hier bleibt die erste Vorwegnahme von Ergebnissen ziemlich im Vagen: „the Jafnids were neither fully outside nor inside the Roman Empire, and this ensured that they would always remain a people ‚in-between‘“ (S. 29).

Das zweite Kapitel (S. 34–71) widmet sich der wichtigen Frage der Christianisierung der arabischen Stämme. Fishers Ausführungen bestechen durch ihre Herangehensweise, bedient er sich doch eines ausgesprochen breiten Fundus von Vergleichsbeispielen, so die Missionierung der Lasen und Tsannoi zur Zeit Justinians, die Gotenmission des Wulfila oder – immer wieder – Missionierungsprozesse in Nord- und Südamerika. Hierbei unterliegt der Autor freilich nicht selten der Gefahr, dass das eigentliche Thema des Kapitels aus dem Blickfeld gerät. Eine weitere Problematik ist, dass Fisher zunächst die stark stereotype Aufladung der hagiographischen Quellen (allen voran Kyrill von Skythopolis) konstatiert (S. 36), es aber dann gerade Kyrills bekannte Aspebetos-Episode ist, auf die Fisher durchgängig in seiner Argumentation Bezug nimmt. Abgesehen davon werden wichtige Fragen angeschnitten, etwa zur durch die Konversion bedingten Sesshaftwerdung (S. 41–43) oder zum Problem, ob die Konversion einer Führungsperson zwangläufig den Glaubensübertritt des gesamten Stammes mit sich zieht. Dass die Christianisierung der arabischen Stämme tatsächlich eine Steigerung der sozialen Mobilität und einen größeren Zugang zur spätantiken imperialen Leitkultur bewirkt hat (S. 39 u. 43) und dass die Annahme des neuen Glaubens tatsächlich eine soziale Stratifizierung mit sich trug, die für die Elite letztlich die Gefahr beinhaltete, in ihren Ausdrucksformen von den eigenen Untergebenen nicht mehr verstanden zu werden (S. 45f.), sind plausible Thesen, für die ein Beweis allerdings noch zu erbringen ist. Nachvollziehbar zeigt Fisher dann auf, wie die Jafniden einerseits sich in der Formensprache ihrer Bauten an das Römische Reich annäherten (S. 51–53 u. 58), zugleich aber – wie auch die Nasriden – ihre politische Affinität bewusst im Vagen hielten (S. 67–70). Eine wichtige Erkenntnis des Buches ist es, die oft als konstitutiv angenommene jafnidische Bekennung zum Monophysitismus grundlegend in Frage zu stellen (S. 61f.).

Das dritte Kapitel (S. 72–127) befasst sich mit dem Verhältnis der Jafniden und Nasriden zum Römischen bzw. Sasanidischen Reich. Fisher zeigt hier, dass er nicht nur über eine außerordentlich große Quellenkenntnis verfügt, sondern Quellen auch sinnvoll in Relation zueinander zu bringen und durch ihre Kombination neue Fragen anzustoßen weiß. Ein Schwerpunkt des Kapitels liegt in der Ausbildung von deutlicher ausgeprägten Herrschaftsstrukturen (S. 81), die sich am staatsähnlichsten mit dem Aufstieg der Nasriden auf Kosten der Himjar in Zentralarabien belegen lassen (S. 90 u. 94). Staatsähnliche Strukturen bei den Jafniden führt Fisher auf die römische Beeinflussung zurück (S. 99), die aber dennoch so schwach war, dass die Gruppe ihre eigene Identität bewahrte. Die Jafniden werden nun auch ökonomisch, vor allem im Hauran (S. 104–105), und archäologisch durch ihre Bauten bemerkbar. Fisher argumentiert überzeugend, dass keineswegs von einer gänzlichen Sesshaftwerdung auszugehen ist (S. 111), sondern vielmehr verschiedene Teile der Gesellschaft unterschiedliche Lebensweisen hatten.

Die Ausbildung von Herrschaftsstrukturen beeinflusste, so Fisher (S. 171), auch die Einstellung zur Sprache. Das vierte Kapitel (S. 128–172) befasst sich mit der Frage, ob Arabisch zum identitätsstiftenden Element für die spätantiken Araber wurde und ob al-Ḥirah als Dichterhof dabei eine größere Rolle zukam. Während letztere Frage – im Gegensatz zur älteren Forschung – von Fisher klar verneint wird (S. 133–134), können seine weiteren Ausführungen kaum neue Erkenntnisse zu dieser Problematik beisteuern, dies ist aber aufgrund der Quellenlage auch nicht zu erwarten. Fisher versteht es sehr gut, die große Forschungsdebatte um die Rolle des Arabischen stringent zusammenzufassen, wenngleich er sich bisweilen sehr eng an Michael Macdonalds Studien zum Thema anlehnt.5 In Fishers Diskussion der Araber in den Quellen fehlt der Bericht des Pseudo-Nilus; zur Verklärung des Beduinenbildes in islamischer Zeit (S. 162–165) sollte zudem die Dissertation von Binay angeführt werden.6

Das fünfte Kapitel (S. 173–193) behandelt das Verschwinden der Jafniden und Nasriden im 6. Jahrhundert. Wenngleich Fisher durch die Pest verursachte ökonomische Gründe nicht ausschließen kann (S. 189–192), führt er dieses Verschwinden doch eher auf innere Desintegrationsprozesse zurück (S. 175) und betont die ephemere personelle Bindung in den Machtgefügen (S. 180). Im Schlusskapitel (S. 194–212) reiteriert Fisher anhand von zahlreichen Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit (die französische Mandatszeit, die Rwalabeduinen im osmanischen Reich oder die Sa’udfamilie in Arabien) das auf den vorstehenden zweihundert Seiten nicht selten evozierte Bild der Jafniden und Nasriden als „in-betweeners“ ähnlich den Denkanstößen von Homi Bhabha, der jedoch bei Fisher keine Erwähnung findet.7 Wenngleich dies freilich eine richtige Sichtweise ist, kann man sich abschließend des Eindrucks nicht erwehren, diese Position habe auf den Autor abgefärbt, und man wünscht sich, er hätte bisweilen klarer Stellung genommen.

Die Studie profitiert von Fishers enormer Quellen- und Literaturkenntnis (gerade auch französischer und deutscher Forschungsliteratur) und seiner Fähigkeit, diese geschickt miteinander zu verbinden. Abgesehen von einigen Problemen bei der Wiedergabe der griechischen Behauchungszeichen (S. 51f.), Satzfehlern im Griechischen (S. 77) sowie bisweilen inkonsequenter Transliteration des Arabischen (S. 95) besticht Fishers Darstellung durch ihre sorgfältige Ausarbeitung. Es ist zu überlegen, ob nicht eine Umstrukturierung (das dritte Kapitel würde sich in den Augen des Rezensenten deutlich besser vor dem zweiten einfügen) der besseren Verständlichkeit geholfen hätte. Trotz der genannten Schwächen bietet die Studie eine sehr gute Zusammenfassung des Forschungsstandes sowie zahlreiche kreative Gedanken, deren weitere Ausarbeitung man sich vom Verfasser nur wünschen kann.

Anmerkungen:
1 Theodor Nöldeke, Die Ghassânischen Fürsten aus dem Hause Gafnas, Berlin 1887; Gustav Rothstein, Die Dynastie der Laḫmiden in al-Ḥira, Berlin 1899; zusammen mit Nöldeke und Rothstein muss auch Erwähnung finden: François Nau, Les Arabes chrétiens de Mésopotamie et de Syrie du VIIe au VIIIe siècle, Paris 1933. Demnächst erscheint Isabel Toral, al-Ḥira. Eine arabische Kulturmetropole im spätantiken Kontext, Leiden 2012.
2 Irfan Shahid, Rome and the Arabs, Washington 1984; Byzantium and the Arabs, 5 Bde., Washington 1984–2010.
3 Mark Whittow, Rome and the Jafnids, in: John Humphrey (Hrsg.), The Roman and Byzantine Near East, Bd. 2, Portsmouth 1999, S. 207–224.
4 Es stimmt verwunderlich, dass bei Shahids Werk nicht mit Kritik gespart wird, während andere moderne Darstellungen relativ unreflektiert zitiert werden. Dies gilt vor allem für J. Spencer Trimingham, Christianity among the Arabs in Pre-Islamic times, New York 1979, welches zahlreiche, bewusst erscheinende Abänderungen in den Quellenzitaten beinhaltet, die in die Richtung der Geschichtsklitterung gehen, sowie für Theresia Hainthalers großteils wiederum auf Shahid gestützte Quellensammlung: Christliche Araber vor dem Islam, Leuven 2007.
5 Vgl. vor allem Michael Macdonald, Old Arabic, in: Kees Versteegh (Hrsg.), Encyclopedia of Arabic Language and Linguistics, Bd. 3, Leiden 2008, S. 464–477. Weitere hilfreiche Ausführungen zu dieser Thematik finden sich in Michael Macdonald, Arabs, Arabias, and Arabic before Late Antiquity, in Topoi 16 (2009), S. 277–332 in Verbindung mit Robert Hoyland, Arab kings, Arab tribes, Arabic texts and the beginnings of (Muslim) Arab historical memory in late Roman inscriptions, in: Hannah Cotton (Hrsg.), From Hellenism to Islam, Cambridge 2009, S. 374–400.
6 Sara Binay, Die Figur des Beduinen in der arabischen Literatur, Wiesbaden 2006.
7 Homi Bhabha, The location of culture, London 1994.

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