E. Frie: Friedrich August Ludwig von der Marwitz

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Titel
Friedrich August Ludwig von der Marwitz 1777-1837. Biographie eines Preussen


Autor(en)
Frie, Ewald
Erschienen
Paderborn 2001: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
382 S.
Preis
€ 35,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Christoph Franke, Deutsches Adelsarchiv

Die Biographie über Friedrich August Ludwig von der Marwitz (1777-1837) von Ewald Frie ist durch einen unkonventionellen Weg des Herangehens an die Lebensgeschichte gekennzeichnet. Frie stellt uns Marwitz nicht chronologisch, sondern aus verschiedenen Blickwinkeln vor: Familie und Verwandtschaft, Religion, ländliche Herrschaft, Militär und politisches Wirken sind die Ebenen, auf denen das Leben des preußischen Generals und Politikers nachgezeichnet werden. Jede einzelne Ebene ist ein kleiner Lebensabriß aus einem bestimmten Gesichtspunkt.

Die inhaltliche Fokussierung der Biographie wird im wesentlichen durch Frie’s Definition von Adel in der Vormoderne determiniert: Der adelige Mensch und seine individuelle Leistung treten hinter den Begriff der adeligen Familie, als Abfolge von Ahnen, zurück. Die Funktion des Adels als Herrenstand, der über Land und Leute herrschte, begründete eine Sonderstellung, die es ihm ermöglichte, Aufgaben außerhalb der Landwirtschaft zu übernehmen. Die rückläufige Teilhabe an der monarchischen Regierung führte zu einer Neudefinition der Rolle des Adels in Staat und Gesellschaft. Nicht mehr Teilnahme an der Regierung sondern Pflichterfüllung im Staat und in der Monarchie werden zum bestimmenden Element adeligen Handelns. Schließlich sichern laut Frie die christlichen Kirchen, mit denen der Adel traditionell eng verbunden war, eine einflußreiche Rolle auf regionaler Ebene.

Als Mittelpunkt der adeligen Lebenswelt stellt uns Frie die Gutsherrschaft und die Gutswirtschaft vor. Marwitz verfolgte dabei nicht nur das Ziel eine möglichst ertragreiche Gutswirtschaft zu führen, sondern auch der Auflösung der ständischen Gesellschaft durch eine persönliche Herrschaft entgegenzuwirken. Religion und die Einflußnahme auf die lokalen kirchlichen Strukturen hatten für Marwitz die Funktion, die ungleiche Gesellschaft zu stabilisieren und in diesem Sinn unterstützte er die Religiosität der Landbevölkerung. Auf wirtschaftlicher Ebene war Marwitz bereit, sich den neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen: so führte er die Fruchtwechselwirtschaft ein und richtete die Produktion zunehmend auf Bedürfnisse der regionalen Märkte aus. Ziel dieser Maßnahmen war es, das Leben eines vormodernen Adeligen zu sichern, der aufgrund der Erträge aus der Landwirtschaft abkömmlich war und sich anderen Tätigkeiten widmen konnte. Der Erfolg beider Maßnahmen waren nach Frie nicht gegeben: Trotz der patriachalischen Führung des Gutes ließen sich die Folgen des wirtschaftlichen und sozialen Aufbruchs zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht entscheidend aufhalten. Die erstrebte wirtschaftliche Entbehrlichkeit von den täglichen Fragen der Führung des Gutes konnte Marwitz nie richtig erreichen: Zwar waren die landwirtschaftlichen Reformen richtungsweisend für die Zeit und sicherten das Überleben des Gutsbetriebes, aber aufgrund des permanenten Wandels der Märkte erforderten sie auch ein kontinuierliche Angleichung an die neuen Entwicklungen. Diese Veränderung wurden zwar von Marwitz nachvollzogen, jedoch mit zunehmendem Unwillen.

Marwitz militärische Karriere begann im Alter von 14 Jahren mit seinem Eintritt in die preußische Armee und verlief recht erfolgreich: Seine Laufbahn begann als Rittmeister im Stab des Fürsten Hohenlohe. Zu Beginn der Befreiungskriege organisierte er die Märkische Landwehr, um anschließend das Kommando über einer Kavalleriebrigade in Frankfurt an der Oder zu übernehmen. Seinen Abschied nahm Marwitz im Rang eines Generalleutnants im Jahre 1827. Die militärische Karriere ist zwar durch einen stetigen Aufstieg gekennzeichnet, sie verlief jedoch nicht ohne Komplikationen, da Marwitz keine uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem preußischen König zeigte und er sich zudem schlecht in Hierarchien einfügen konnte. Marwitz persönliche Unzufriedenheit wurde auch über die weit verbreitete Untätigkeit in Friedenszeiten geschürt, mit der er sich nicht anfreunden konnte.

Die politische Haltung und Betätigung von Marwitz nimmt breiten Raum in der vorliegenden Arbeit ein. Im Gegensatz zu frühen Biographien über Marwitz stellt Ewald Frie nicht den Konflikt mit Hardenberg in den Mittelpunkt seiner Darstellung, sondern das Wirken Marwitz in den brandenburgischen Provinzial- und den kurmärkischen Kommunallandtagen. Seine politische Konzeption läßt sich nicht auf die Wiederherstellung altständischer Verhältnisse reduzieren, sondern Marwitz wollte eine Kooperation des städtischen Bürgertums und des ländlichen Adels als führende Gesellschaftsschichten zur Eindämmung der stark anschwellenden Bürokratie. Mit diesen Gedanken stand Marwitz nicht alleine, doch die sozialen und ökonomischen Umwälzungen ließen den vormodernen Vorstellungen keine Möglichkeit zur Realisierung.

Ewald Frie führt uns Marwitz als vielfach gescheiterte Persönlichkeit vor: Seine wirtschaftlichen Ambitionen, nach denen die Landwirtschaft genügend Erträge für eine politische Betätigung sichern sollte, war aufgrund landwirtschaftlicher Krisen und rasanter Veränderungen in der Marktstruktur nicht zu realisieren. Die wirtschaftlichen Veränderungen hatten auch Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung der ländlichen Gesellschaft, denen Marwitz nicht wirkungsvoll begegnen konnte. Und der ökonomische und soziale Wandel führten letztlich auch zum Scheitern der Marwitzschen Politik. Der Habilitationsschrift gelingt es auf eindrucksvolle Weise die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit von Friedrich August Ludwig von der Marwitz anschaulich darzustellen. Etwas irritierend ist die abschließende Bemerkung von Frie, wonach eine Biographie nicht mehr der üblichen Methodik entspricht. Diesem Urteil möchte der Rezensent entschieden widersprechen: Biographien entfalten ihre Wirkung durch eine hohe Anschaulichkeit und wirken weniger abstrakt, als Studien, welche sich sehr eng an methodische Vorgaben halten. Und diese hohe Anschaulichkeit ist Ewald Frie mit seiner Arbeit vorbildlich gelungen. Eine Einschränkung mit Rücksicht auf die Methodik hätte es nicht bedurft.

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