H. Börm u.a. (Hrsg.): Commutatio et Contentio

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Titel
Commutatio et Contentio. Studies in the Late Roman, Sasanian, and Early Islamic Near East. In Memory of Zeev Rubin


Herausgeber
Börm, Henning; Wiesehöfer, Josef
Reihe
Reihe Geschichte 3
Erschienen
Düsseldorf 2010: Wellem Verlag
Anzahl Seiten
XII, 412 S.
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Alram, Kunsthistorisches Museum, Wien

Der vorliegende Band, herausgegeben von Henning Börm und Josef Wiesehöfer, ist Zeev Rubin gewidmet, der am 28. Mai 2009 im Alter von nur 66 Jahren verstorben ist. Mit Zeev Rubin ist einer der profiliertesten Kenner der Kulturen des spätantiken Mittelmeerraumes sowie des Nahen und Mittleren Ostens plötzlich und allzu früh von uns gegangen. Die fünfzehn Beiträge, die Freunde und Kollegen in diesem Band seinem Andenken gewidmet haben, befassen sich schwerpunktmäßig mit sasanidischer und spätrömischer Geschichte, Forschungsfeldern, in denen der Verstorbene selbst wegweisende Impulse gesetzt hat.

Der Beitrag von Matthew P. Canepa untersucht königliche Grabarchitektur und Grabrituale in iranisch geprägten bzw. beeinflussten Kulturen. Ausgehend von den achaimenidischen Grabmonumenten in Pasargadai, Naqsh-i Rustam und Persepolis sowie den schriftlichen Zeugnissen, die uns über die Begräbnisrituale und Kulthandlungen am achaimenidischen Königshof Auskunft geben, wird der Bogen über die Seleukiden, den indogriechischen König Menander, den indoskythischen „König der Könige“ Maues sowie die kleinasiatischen Königreiche Pontos und Kommagene bis hin zu den Arsakiden und Sasaniden gespannt. Canepa geht der Frage nach, in wieweit die von den Achaimeniden gepflegten Sitten und Gebräuche von ihren Nachfolgern unter dem Einfluss neuer Traditionen – seien sie aus dem griechisch-hellenistischen, indischen, ostiranischen oder nomadischen Kulturkreis – ergänzt, verändert oder gänzlich aufgegeben werden.

Der numismatische Beitrag von Nikolaus Schindel befasst sich mit einer Ausgabe von Bronzemünzen, die in die frühsasanidische Zeit datieren und bislang einem „Marw Shah“ zugewiesen wurden, der unter Ardashir I. bzw. Shapur I. sein Amt ausgeübt habe. Diese Zuweisung der betreffenden Münzen an einen sasanidischen Vasallenkönig von Marw stützte sich einerseits auf die Inschrift Shapurs I. an der Ka’aba-i Zardusht, die einen Marw Shah namens Ardashir zur Zeit der Regierung Ardashirs I. nennt, andererseits auf die archäologischen Grabungen in Marw, die eine größere Zahl dieser Münzen zu Tage förderten, und damit nahe legen, dass sie tatsächlich in Marw hergestellt wurden. In einer eingehenden typologischen Analyse gelingt es Schindel, den Nachweis zu erbringen, dass diese Münzen keinem „Marw Shah“, sondern Shapur I. selbst zuzuweisen sind. Damit wird nicht zuletzt auch die Aussage der Ka’aba-i Zardusht-Inschrift bestätigt, die unter Shapur I. keinen „Marw Shah“ mehr kennt.

James Howard-Johnston befasst sich mit der Sicherheitspolitik des Sasanidenstaates und dessen strategischem Problem, seine Außengrenzen gegen den ‚Erzfeind‘ Rom auf der einen und die aus den Steppen Zentralasiens anstürmenden Nomadenvölkern auf der anderen Seite abzusichern – ein strategisches Dilemma, mit dem sich auch Rom in der Spätantike konfrontiert sah. Für beide Großreiche war es dabei von entscheidender Bedeutung, Mehrfrontenkriege zu vermeiden. Römer, Hunnen und Westtürken waren jene Mächte, mit denen sich die Sasaniden vorwiegend auseinanderzusetzen hatten, sei es auf dem Schlachtfeld, sei es auf diplomatischem Parkett. Dieses von wechselnden Allianzen geprägte Mächtespiele wird von Howard-Johnston stringent analysiert und in kompakter Form dargestellt, wobei sich der chronologische Rahmen vom erstmaligen Auftauchen der Hunnen an der Nordostgrenze des sasanidischen Reiches um 350 n.Chr. bis hin zum Fall Khusros II. erstreckt.

Eine neue Interpretation der frühen sasanidischen Münzreverse wird von Rika Gyselen vorgeschlagen. Sie vermutet in den von Shapur I. und seinen Söhnen, Ohrmazd I. und Wahram I., verwendeten Münzbildern eine direkte Antwort auf die römische Münzpropaganda, die den Kaiser als restitutor orientis feiert und vorwiegend in den römischen Ostmünzstätten Antiochia und Samosata abgewickelt wurde. Ursula Weber und Josef Wiesehöfer sind bemüht, die Persönlichkeit des Sasanidenkönigs Narseh einer vorurteilsfreien Beurteilung zu unterziehen. Im Zentrum ihrer Analyse steht Narsehs Machtergreifung sowie der familiäre Konflikt, der nach dem plötzlichen Tod Ohrmazds I. mit der Thronbesteigung Wahrams I. im Jahre 273 in der Königsdynastie ausgebrochen war und von den Autoren zu Recht als Kontinuitätsbruch innerhalb der Herrscherdynastie angesprochen wird.

Karin Mosig-Walburg versucht in ihrem Beitrag, dem Verhältnis zwischen Königtum und Adel im Sasanidenreich des ausgehenden vierten Jahrhunderts nachzuspüren. Zum einen stützt sie sich auf die spärliche Überlieferung Tabaris, von dem wir erfahren, dass die drei Nachfolger Shapurs II., Ardashir II., Shapur III. und Wahram IV., durch Adelsrevolten bzw. mysteriöse Umstände zu Tode kamen. Zum anderen versucht sie, den Münzen dieser Herrscher diesbezüglich konkretere Botschaften zu entlocken. Dabei sind uns allerdings zwangsläufig enge Grenzen gesetzt, so dass auch Mosig-Walburgs Ausführungen über Vermutungen nicht hinaus führen. Henning Börm untersucht die Machtverhältnisse zwischen Königtum und Aristokratie im sasanidischen Iran im fünften und sechsten Jahrhundert und vergleicht sie mit den Gegebenheiten Roms. Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in den Herrschaftsstrukturen der beiden Imperien werden präzise herausgearbeitet, und die komplexe Interaktion von Herrscher und Elite beispielhaft dargestellt. Es zeigt sich, dass beide Großreiche häufig mit ähnlichen Problemen konfrontiert waren, die mitunter ganz ähnliche Lösungsansätze bedingten.

Eine eingehende Analyse der griechischen, lateinischen und syrischen literarischen Quellen sowie der epigraphischen Zeugnisse, die sich mit den komplexen und vielschichtigen Beziehungen Roms zu seinen arabischen Verbündeten befassen, wird von Fergus Millar vorgenommen. Der chronologische Rahmen von Millars Untersuchung, die schlaglichtartig die wechselnden militärischen Allianzen und die Rolle der einzelnen Stammesfürsten beleuchtet, führt von der Mitte des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts. Im Zentrum des Beitrags von Geoffrey Greatrex steht eine vergleichende Textanalyse der von Procopius von Caesarea und Pseudo-Zacharias von Mytilene geschilderten Belagerung der römischen Grenzfestung Amida durch Kawad I. 502/03. In neuen Übersetzungen werden die betreffenden Textstellen einander gegenübergestellt und kommentiert.

Peter Riedlberger untersucht die ethnische Zusammensetzung des byzantinischen Heeres während der Besetzung Afrikas in den Jahren 546 bis 548 auf prosopographischen Grundlagen. Die Soldaten stammten aus den unterschiedlichsten Regionen des Imperiums, aber auch von außerhalb des Reiches. Nicht vertreten waren die verbündeten Berber, die Entscheidendes für den byzantinischen Sieg beitrugen, jedoch ein eigenes Lager bildeten und nicht direkt in die römischen Truppen integriert waren. Avshalom Laniado befasst sich mit einem Scholion aus der Basilica, einer Gesetzessammlung in 60 Büchern aus der Zeit Leos VI. (886–912), in dem beispielhaft auf drei Feierlichkeiten Bezug genommen wird, im Zuge derer Goldmünzen (Solidi) zur Schau gestellt wurden. Eine dieser Festlichkeiten fand in Antiochia zu Belisarius’ Ehren statt, wobei Laniado überzeugend nachweist, dass diese sich nicht auf den 532/33 zwischen Justinian und Khusro I. abgeschlossenen „Ewigen Frieden“ beziehen kann, sondern wohl mit dem dritten Einfall Khusros in byzantinisches Gebiet im Jahre 542 in Zusammenhang steht. Damals war es nach Procopius Belisarius durch eine List gelungen, Khusro zum Rückzug zu bewegen. Das Scholion geht auf einen Kommentar des Stephanus Antecessor zurück, der seine Lehrtätigkeit in Konstantinopel ab 536 ausübte.

Die große Bedeutung der Astronomie im Rahmen sasanidischer Herrschaft und Politik wird einmal mehr von Antonio Panaino hervorgehoben, der sich mit den Hintergründen und Auswirkungen einer von Khusro I. im Jahre 556 einberufenen Konferenz von Astronomen, Mathematikern sowie anderen hochrangigen Wissenschaftlern und Intellektuellen beschäftigt. Die bedeutende Rolle des Buches in den klösterlichen Gemeinschaften der ostsyrischen Kirche führt Joel T. Walker eindrucksvoll vor Augen. Lesen und Schreiben sowie die Herstellung von Büchern zählten zu den zentralen Aufgaben der christlichen Mönche und Asketen. Eine führende Rolle in der Ausbildung nahmen dabei die Schule von Nisibis und das von Abraham von Kashkar gegründete Kloster am Berg Izla ein, deren Lehrmodelle sich ab dem 6. Jahrhundert im gesamten westlichen Sasanidenreich verbreiteten. Die Kunst des Schreibens zu erlernen, war für jeden angehenden Mönch obligatorisch, das Kopieren von Texten eine hochgeschätzte Kunst und andächtiges Lesen im Gebet unverzichtbarer Teil des spirituellen Lebens. Klöster wurden mit Scriptorien und wertvollen Bibliotheken ausgestattet, die den Klöstern zu besonderem Ansehen verhalfen.

Parvaneh Pourshariati knüpft mit ihrem Beitrag an ihre 2008 vorgelegte und überaus kontrovers diskutierte Monographie „Decline and Fall of the Sasanian Empire“ an.1 Einmal mehr ist es ihr Anliegen, den Nachweis zu erbringen, die Wurzeln des iranischen Nationalepos Shahnameh auf parthische Beeinflussung und Traditionen zurückzuführen, auf die sich die Eliten von Khurasan noch im 10. Jahrhundert beriefen. Ausgangspunkt ihrer Studie ist eine eingehende Analyse der für Ziyariden, Samaniden, Tahiriden sowie die Familie ‘Abd al-Razzaqs von Tus überlieferten Stammbäume, die ihre Ahnen nach Pourshariati auf parthische Adelsfamilien zurückführten. Pourshariatis Argumentation ist von stringenter Prägnanz, ihre kritische Beurteilung muss der Rezensent allerdings in dieser Thematik Berufeneren überlassen. Im Zentrum von Michael Whitbys Untersuchung stehen die ersten vier Bücher der Geschichte al-Tabaris, die die Erschaffung der Welt behandeln und nach Whitby im wissenschaftlichen Diskurs bislang zu wenig Beachtung fanden. Dabei gelingt es Whitby, den besonderen Interessen Tabaris nachzuspüren, Einblick in die Arbeitsweise des großen Gelehrten zu geben sowie das von Tabari entworfene Zeitrechnungsmodell darzulegen.

Den Abschluss bildet ein Schriftenverzeichnis der Arbeiten Zeev Rubins. Seine Freunde und Kollegen haben ihm mit diesem Band, dessen Lektüre jedem Althistoriker nur uneingeschränkt zu empfehlen ist, ein würdiges Andenken gesetzt.

Anmerkung:
1 Parvaneh Pourshariati, Decline and fall of the Sasanian empire. The Sasanian-Parthian confederacy and the Arab conquest of Iran, London 2008.

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