C. Könne: Der Hörfunk der DDR in den 1960er Jahren

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Titel
Der Hörfunk der DDR in den 1960er Jahren. Pläne, Innovationen, Wirklichkeiten


Autor(en)
Könne, Christian
Reihe
Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs
Erschienen
Anzahl Seiten
314 S.
Preis
€ 30,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Franziska Kuschel, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt Universität zu Berlin

Hörerwünsche und Parteiauftrag – das war das Spannungsfeld, in dem sich der Hörfunk der DDR bewegte. Wie die Pläne in den 1960er-Jahren aussahen, wie sich die Rahmenbedingungen darstellten und wie sich die Programme entwickelten, untersucht Christian Könne in seiner Abhandlung „Der Hörfunk der DDR in den 1960er Jahren“. Seine Arbeit reiht sich in einen größeren Forschungskontext ein. Konrad Dussel veröffentlichte 2002 seine vergleichende Studie über den Hörfunk in der Weimarer Republik, dem nationalsozialistischen Staat, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland (BRD).1 Sein Untersuchungszeitraum schließt 1960 mit dem Ende des „Hörfunkzeitalters“. Es lag nahe, darüber hinaus die Entwicklung des Hörfunks angesichts der Konkurrenz durch das Fernsehen in beiden deutschen Staaten zu erforschen. Diesem Vorhaben widmen sich mehrere Dissertationen. Nach Stefan Kursawes Studie über die Programmentwicklung im Hörfunk der BRD der 1960er- und 1970er-Jahre 2 liegt nun Christian Könnes Arbeit zum Hörfunk der DDR in den 1960er-Jahren vor. Sie ist das Ergebnis seiner Dissertation bei Dussel an der Universität Mannheim im Jahr 2006. Mit Hörfunk der DDR meint Könne Radio DDR I, Radio DDR II, Berliner Rundfunk, Berliner Welle und Deutschlandsender, also jene Anstalten, die im Verständnis der DDR-Partei- und Staatsführung „Inlandssender“ waren. Die Geheimsender der DDR, also den Deutschen Soldatensender 935, den Deutschen Freiheitssender 904 und Radio Moldau, betrachtet er nicht. Ebenso steht der Auslandssender des Rundfunks der DDR, Radio Berlin International (RBI), nicht im Zentrum seines Interesses. Im Blick behält Könne dagegen die besondere Situation, in welcher der DDR-Hörfunk analysiert werden muss: Trotz der staatlichen Teilung gab es weiterhin einen gemeinsamen deutsch-deutschen Medienraum. Die mediale Konkurrenz des Westens und die mögliche Abwanderung der Hörer dorthin konnten die Macher des DDR-Hörfunks nicht ignorieren.

Könnes Arbeit umfasst drei große Themen: erstens die technische Ausstattung und Entwicklung des DDR-Hörfunks wie auch die Versorgung der Hörer mit Radiogeräten, zweitens die Entwicklung der Programmstrukturen und drittens die Konzeption der Programminhalte. Zu Beginn beschreibt er die technischen Rahmenbedingungen der Produktion, der Verbreitung und des Empfangs des Hörfunks der DDR. Detailreich stellt er die Schwierigkeiten auf der Sender- und der Empfängerseite dar. Wie ein roter Faden ziehen sich drei Probleme durch die 1960er-Jahre: Zum Ersten hatte der Hörfunk mit einer mangelnden finanziell-technischen und personellen Ausstattung zu kämpfen. Zum Zweiten gab es große Versorgungslücken, weil es an Funkfrequenzen mangelte. Ostdeutscher Hörfunk war, wenn überhaupt, schlechter zu empfangen als Sender der Bundesrepublik Deutschland in der DDR. Könne zeigt überzeugend, dass zudem die Bevorzugung des Auslandsfunks sowie des Deutschlandsenders und der Berliner Welle als Rundfunkstationen für die BRD beziehungsweise für West-Berlin eine bessere Hörfunkversorgung der DDR-Bevölkerung ausschloss. Eine ausreichende Bereitstellung von Rundfunkprogrammen für die eigene Bevölkerung sei offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Erst zu Beginn der 1970er-Jahre sollte sich die Situation verbessern, als nämlich die „Stimme der DDR“ ihren Sendebetrieb aufnahm, nachdem die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) den Deutschlandsender und die Berliner Welle eingestellt hatte. Schließlich konnten – drittens – die Programme ihr Publikum nicht erreichen, wenn es an Radiogeräten mangelte. Am Beispiel der Entwicklung des Ultrakurzwellen-Rundfunks zeigt Könne, dass zunächst ein „Programm ohne Hörer“ entstand, wohingegen es Anfang der 1970er-Jahre „zu wenig Programm für die inzwischen vorhandenen Hörer“ (S. 69) gab.

Im zweiten Kapitel analysiert Könne die Entwicklung der Programmstrukturen und fragt, inwieweit angekündigte Reformen das Programm veränderten. Die Antworten sind meist ernüchternd. Insgesamt stellt er aber heraus, dass sich der Hörfunk der DDR formal immer mehr an den Wünschen und Nutzungsgewohnheiten der Hörerschaft orientierte. Diese Annäherung an die Hörer ging einher mit inhaltlichen Veränderungen. Sie sollten der SED dazu dienen, den Hörfunk wirksamer zu instrumentalisieren, wie im dritten Kapitel deutlich wird. Könne untersucht die Entwicklungen der Nachrichten, der Bildungs- sowie der Unterhaltungssendungen und wertet die Programme auch quantitativ aus. Er zeigt, dass die Unterhaltung in den 1960er-Jahren zum wichtigsten Programmbestandteil des Hörfunks wurde. Auch Bildung und Erziehung wurden als Unterhaltung verpackt, die politischen Botschaften häppchenweise serviert, wenn sie nicht gar versteckt in großen Magazinflächen gesendet wurden.

Könne geht wiederholt auf Ergebnisse der Hörerforschung in der DDR ein. Dabei wird deutlich, dass der Rundfunk die Wünsche seiner Hörer in etwa kannte, aufgrund seiner staatlichen Funktion und seines Parteiauftrags der Berücksichtigung dieser Wünsche aber enge Grenzen gesetzt waren. Insgesamt bleibt der Hörer in der Studie aber weitgehend Objekt der Hörfunkmacher. Ging es aus Sicht der SED lediglich darum, „die Menschen zum Hören zu bewegen“ (S. 17) und wurden Fragen nach individueller Aneignung nicht gestellt, so wäre es wünschenswert gewesen, wenn Könne diesen Fragen größeren Raum gegeben hätte. Wie die Hörer die Programme angenommen haben, erfährt der Leser nicht. Sicher stellt es für die Forschung eine Herausforderung dar, diese Frage zu beantworten. Doch könnte es sich lohnen, die im Bundesarchiv oder im Deutschen Rundfunkarchiv überlieferten Hörerbriefe an die Sender bzw. an den Vorsitzenden des Staatlichen Rundfunkkomitees (SRK), Gerhart Eisler, sowie Eingaben für die Analyse heranzuziehen.

Ebenso hätte es das Bild des Hörfunks der DDR bereichert, wenn der Autor Quellen des Ministeriums für Post und Fernmeldewesen (MPF) benutzt hätte. Könne arbeitet heraus, welch wichtige Stellung die Post hatte, um das Programm überhaupt empfangbar zu machen. Die Trennung zwischen Technik und Inhalten bei der Hörfunkversorgung sei ein „unüberwindliches Hindernis“ (S. 34) für Innovationen gewesen. Das MPF besaß die technische Hoheit in Rundfunkfragen und entschied mehrfach gegen die Pläne des SRK, das für die Inhalte zuständig war. Insgesamt wäre es sinnvoll gewesen, einen genaueren Blick auf die Akteure zu werfen, ob auf die Post oder in anderen Zusammenhängen auf die Redakteure.

Könne behandelt sein Thema kenntnisreich. Aber trotz vieler Details bleiben Fragen offen, wie etwa jene nach den Hörern. Nicht deutlich wird auch die vom Autor angesprochene Rolle der Regionalsender. Ihre zentrale Aufgabe sei es gewesen, „bei den Menschen ein eigenes DDR-Nationalbewusstsein zu erschaffen“ (S. 116). Der Versuch, dies bis zum 20. Jahrestag der DDR, also 1969, zu erreichen, sei gescheitert. Der Leser vermisst einen Beleg für diese These, zumal sich die SED-Führung erst 1971 offiziell von der Vorstellung einer einheitlichen deutschen Nation verabschiedete und versuchte ein sozialistisches „DDR-Nationalbewusstsein“ zu stiften. Könne erklärt im Gegensatz dazu, die SED habe angesichts der Politik der sozialliberalen Koalition in Bonn auf die „forcierte Ausbildung einer eigenen DDR-Nationalität verzichtet“ (S. 117). Einige Redundanzen wären zu vermeiden gewesen, daneben gibt es auch kleine Fehler. So wurde zum Beispiel nicht Ende der 1950er-, sondern zu Beginn der 1960er-Jahre über die Anteile von Ost- und Westmusik diskutiert (S. 266). Immerhin berichtigt Könne den Zeitpunkt dieses Disputs darüber, ob die so genannte 60/40- in eine 80/20-Regelung verändert werden sollte, im späteren Verlauf der Arbeit selbst.

Insgesamt ist Könnes Arbeit ein wichtiger Beitrag zur Forschung, stellt er doch erstmals die Programmgeschichte der DDR-Hörfunksender für ein Jahrzehnt umfassend dar. Es bleibt zu wünschen, dass sich bald Historiker finden, die seine Arbeit fortsetzen und die Geschichte des Hörfunks auch für die 1970er- und 1980er-Jahre untersuchen.

Anmerkungen:
1 Konrad Dussel, Hörfunk in Deutschland. Politik, Programm, Publikum (1923–1960), Potsdam 2002.
2 Stefan Kursawe, Vom Leitmedium zum Begleitmedium. Die Radioprogramme des Hessischen Rundfunks 1960 – 1980, Köln 2004; vgl. die Rezension von Kaspar Maase. In: H-Soz-u-Kult, 05.01.2005, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-1-009> (16.05.2011).

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