L. Gorman u.a.: Media and Society into the 21st Century

Cover
Titel
Media and Society into the 21st Century. A Historical Introduction


Autor(en)
Gorman, Lyn; McLean, David
Erschienen
Oxford 2010: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
374 S.
Preis
€ 26,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Markus Behmer, Institut für Kommunikationswissenschaft, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Eine „satisfactorily comprehensive and up-to-date history of mass media“ (S. VI) wollen die Autoren insbesondere Studierenden der Mediengeschichte an die Hand geben. Ein Studien- oder Lehrbuch also, das Lyn Gorman und David McLean – beide Professoren an der australischen Charles Sturt University – hier in zweiter Auflage vorlegen. Doch ist ihre Studie weniger ein Geschichtsbuch, als vielmehr ein teils meinungsfreudiger Essay – mit einer aktuellen Botschaft. Das Anliegen ist sehr weit, nämlich „a survey that brings together the findings of specialized research on media history in a number of countries, attempts to make sense of developments since the emergence of mass media, and provides an introduction for readers unfamiliar with the field.“ (S. 2) Dabei sollen die Entwicklung von Zeitung, Film, Radio, Fernsehen und neuer Medien, ihre Nutzung im Hinblick auf Information, Persuasion und Unterhaltung und ihre kulturelle wie auch politische Wirkung beschrieben werden.

Zeitlich ist die Darstellung auf die letzten 120 Jahre seit dem „Siegeszug“ der Massenpresse und des Films ab den 1890er-Jahren gerichtet, geografisch insbesondere auf die USA und Großbritannien. Daneben werden auch manche andere Räume (etwa Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus oder die Sowjetunion im „Kalten Krieg“) mindestens gestreift und globale Entwicklungen in den Blick genommen. Fast zwangsläufig stehen nicht so sehr Details im Mittelpunkt, nicht die Vermittlung vieler Daten und Fakten, sondern Tendenzen und Zusammenhänge. Der Anmerkungsapparat und das Literaturverzeichnis sind eher schmal, Grafiken oder Tabellen finden sich keine, Begriffserläuterungen oder (theoretische) Gegenstandsbestimmungen selten – und der Ton ist mehr erzählend als nüchtern wissenschaftlich.

Manches wird überaus komprimiert behandelt. So die Geschichte der Presse bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Kaum vier Seiten sind ihr eingeräumt, mit heftigen Zeitsprüngen und manchem Detailfehler, zum Beispiel wenn die erste Tageszeitung auf das Jahr 1660 datiert und als „Leipziger Zeitung“ tituliert wird – gemeint sind wohl die in Leipzig erscheinenden „Einkommenden Nachrichten“ aus dem Jahr 1650 – oder wenn der Aufstieg der Zeitungen im 18. Jahrhundert wesentlich damit erklärt wird, dass sie „vehicles for radical political ideas“ (S. 7) gewesen seien. Anderem wird hingegen vergleichsweise viel Platz gegeben. So etwa der Propaganda insbesondere in den Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Ihr sind mehr als 30 (von insgesamt 289) Textseiten und damit das zweitlängste der (neben Einleitung und Schlusswort) insgesamt elf Kapitel gewidmet. Weitere zwei Kapitel haben „Cold War and Communications“ (S. 113) und „Media, War, and International Relations“ (S. 208) zum Gegenstand. Medien und Kommunikation in Kriegszeiten ist damit ein klarer Schwerpunkt des Bandes – mit acht Seiten allein zu „Media and the ‚War on Terror’“ (S. 221) seit dem 11. September 2001.

Überhaupt ist die Darstellung stark auf die jüngste Vergangenheit und Gegenwart bezogen – und die beiden Autoren haben ihr Werk seit der ersten Ausgabe, die 2003 unter dem Titel „Media and Society in the Twentieth Century“ erschienen ist, stark aktualisiert: So thematisieren sie allein auf weit mehr als zwanzig Seiten das „Web 2.0“, seine Anwendungen und weitere aktuellste Medienentwicklungen in den letzten fünf Jahren vor Erscheinen des Buches. Dabei handelt es sich teilweise um Momentaufnahmen, die etwas mit dem Anspruch einer Langzeitbetrachtung konfligieren und in Einzelfällen bereits wieder veraltet scheinen, so wenn „MySpace“ und „Second Life“ hohe Beachtung geschenkt wird.

Bemerkenswert kritisch weisen Gorman und McLean auf „Paradoxien“ der Medienentwicklung hin respektive zeigen auf, dass die über-optimistischen Vorhersagen mancher „Advokaten globaler Kommunikation“ nicht eingetreten seien: So der „breakdown of national and ethnic differences and the growth of international understanding, all to be achieved through the influence of media operating on a global scale.“ (S. 282) Vielmehr hätten, „[f]ar from creating a unified world, commercial media organizations [...] increasingly fostered a fragmentation of audiences and stronger social barriers […] accompanied by declining public interest in international news and a perceived loss of public trust in the news media.“ (ebd.) Auch die „Segnungen” der „Neuen Medien” sehen sie skeptisch: „‚social ills’ have not disappeared with the extension of new technologies; ‚real-world’ politics have not been transformed by the advent of YouTube; global inequalities continue to exclude a sizable portion of the world’s population from access to the Internet and all that it offers.” Weiterhin seien nicht gesellschaftliche Anforderungen und soziale Utopien die treibenden Elemente der globalen Medienentwicklung, sondern „advertising and commercial imperatives” (S. 262f.).

Dies sind zwar keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse, doch werden sie anschaulich präsentiert und mit einer wenn auch teils knappen, so doch nachvollziehbaren historischen Grundierung verständlich gemacht – und im Schlusswort noch einmal plakativ zusammengefasst und auf das Jetzt bezogen: „Media and communications in the first decade of the twenty-first century have continued to be shaped by tensions, competition, and contradictions: between democratic expansion and oligopoly, between public service and commerce, between information and entertainment, between information and manipulation, between the national and the global. The interaction between different, and sometimes contradictory, processes remains central to an understanding of media; and history provides the key to understanding that interaction. Media history reminds us that practices and institutions that are often regarded as unavoidable or as the result of common sense are instead the product of particular historical circumstances or ideologies; that prevailing approaches to media organization and content are not the only possibilities; and that, even in a commercialized, globalized era, it is possible to envisage alternatives.” (S. 289)

So zieht sich durch die ganze, mehr beschreibende als analysierende Studie eine zuletzt appellativ vorgebrachte Erkenntnis: Neue technische Möglichkeiten allein bedingen noch keine generellen sozialen Veränderungen – weder national noch global. Und, ja, man kann – und man muss – aus der Geschichte lernen. Versteht man, wie sich die Medien, ihre Inhalte, ihre Nutzung entwickelt haben, welche Interessen und welche Umstände wie wirksam wurden, dann lassen sich daraus Schlüsse für die Gegenwart ziehen – und gegebenenfalls Alternativen entwickeln.

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