Cover
Titel
The Roman Salute. Cinema, History, Ideology


Autor(en)
Winkler, Martin M.
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 223 S.
Preis
$ 54,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Juraske, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, Universität Wien

Dass die filmische Reproduktion der Vergangenheit oft durch Gesten und kleine Symbole wirksamer funktioniert als über den Dialog oder aufwendige Massenszenen, hat schon Roland Barthes in Bezug auf die Verwendung der unauthentischen Stirnfransen in Joseph Mankiewicz’ Shakespeare-Adaption „Julius Caesar“ (1953) festgestellt.1 Der produktive Historienfilmexperte und Professor of Classics an der George Mason University Martin M. Winkler 2 hat sich in seiner nun vorliegenden Monographie „The Roman Salute“ mit einer dieser Gesten, dem saluto romano, auseinandergesetzt, der fest mit dem Repertoire des Antikfilmgenres verbunden scheint, wenngleich er über keine antiken Wurzeln verfügt: „As will be seen, however, the term ‚Roman salute‘ is a misnomer. Not a single Roman work of art – sculpture, coinage, or painting – displays a salute of the kind that is found in Fascism, Nazism, and related ideologies. It is also unknown to Roman literature and is never mentioned by ancient historians of either republican or imperial Rome.“ (S. 2)

Gerade in der Eigendynamik der erfundenen und in die Antike rückprojizierten Handbewegung, die über die Historienmalerei und das Theater Aufnahme in das junge Medium Film fand und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den autoritären Regimen Europas politisch instrumentalisiert wurde, liegt für den Autor der Reiz der historischen Beschäftigung. Die dem Hauptteil vorangestellten drei Einführungskapitel „History and Ideology: Half-Truths and Untruths“ (S. 1–5), „Ideology and Spectacle: The Importance of Cinema“ (S. 6–10) und „About This Book“ (S. 11–16) bilden den gedanklichen Grundstock der weiteren Untersuchung und nehmen das angestrebte Ziel des Autors vorweg: „My book aims to deepen our understanding of a particular, and particularly effective, way in which the past – imperial Rome – has been appropriated for purposes of modern political propaganda and has become an integral, if incorrectly understood, part of our view of this past“ (S. 4f.).

Im ersten Abschnitt des Hauptteils „Saluting Gestures in Roman Art and Literature“ (S. 17–41) setzt sich Winkler mit Formen römischer Handbewegungen – dextrarum iunctio und supinae manus – sowie mit den beiden Begriffen fides und foedus auseinander, die mit eindeutigen Gesten verbunden sind. Sowohl bei der Beschäftigung mit der antiken Literatur, wobei sich der Autor auf Ammianus Marcellinus, Livius, Lucan, Ovid und Quintilian stützt, als auch bei der Untersuchung der antiken Bildzeugnisse, der Trajans- und der Marcussäule, des Augustus von Primaporta sowie der Reiterstatue Marc Aurels, findet Winkler keine antike Entsprechung der einschlägigen filmischen Handbewegung.

Das folgende Kapitel „Jacques-Louis David’s Oath of the Horatii“ (S. 42–56) beschreibt den Ursprung des saluto romano im Rückgriff der Historienmalerei des 18. Jahrhunderts auf die antike Ikonographie. Winkler veranschaulicht eindringlich, wie die pseudoantike Symbolik Davids in der Ikonographie der Französischen Revolution und in der Konstruktion eines neuen Gesellschaftsentwurfs ein festes Fundament fand: „The raised arm, first stretched out as a symbol of righteous fervor – as the Horatii evince it – and later as a symbol of political allegiance and religious-political unity between a people and its leader, becomes an important part of the iconography of new societies“ (S. 55); ein Phänomen, welches sich Jahrhunderte später auch beim italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus vollzog.

Der dritte Abschnitt „Raised-Arm Salutes in the United States before Fascism: From the Pledge of Allegiance to Ben-Hur on Stage“ (S. 57–76) beleuchtet im 1892 eingeführten „Pledge of Allegiance“ eine US-amerikanische Variante der charakteristischen Handbewegung und zeigt ihre Popularisierung durch das Theater am Ende des 19. Jahrhunderts, welche den entscheidenden Ausgangspunkt für die Übernahme in das junge Medium Film bildete. Die filmische Adaption der Geste beschreibt Kapitel 4 „Early Cinema: American and European Epics“ (S. 77–93): Sie vollzog sich in den USA durch die erfolgreiche Überführung des Bestsellers „Ben Hur“ von der Bühne auf die Leinwand (1907) und in Italien durch die Verwendung im Historienfilm der 1910er-Jahre, wobei die Geste noch in unterschiedlichen Formen vorkam und nicht allein auf die römischen Figuren beschränkt blieb. Die eigentliche Standardisierung erfolgte durch Enrico Guazzonis „Marcantonio e Cleopatra“ (1913). In dieser Produktion wird die Handbewegung nur noch den römischen Protagonisten zugeordnet, sie weist zudem hier diejenige Ausformung auf, die im italienischen Faschismus prägend werden sollte.

Den stärksten Einfluss auf die Entwicklung des saluto romano billigt Winkler im fünften Abschnitt „Cabiria: The Intersection of Cinema and Politics“ (S. 94–121) der Person des faschistischen Abenteurers Gabriele D’Annunzio zu, der im Zuge der illegalen Besetzung der Stadt Fiume/Rijeka 1919–1920 die Handbewegung als politische Geste verwendete und den Grundstein zu ihrer militärischen Konnotation legte. Durch die überaus erfolgreiche italienische Historienproduktion „Cabiria“ (1914), für die der hoch verschuldete D’Annunzio als publicityträchtiges Zugpferd verpflichtet wurde, erfuhr die Geste endgültig ihre Verankerung im Antikfilmgenre und wurde über das Vorbild D’Annunzios fixer Bestandteil der Ikonographie des italienischen Faschismus.

Die spezielle nationalsozialistische Spielart, der „deutsche Gruß“ 3, seine Verwendung im filmischen Werk Leni Riefenstahls, der Gebrauch bei Massenveranstaltungen am Beispiel der Olympischen Spiele 1936 in Berlin sowie das Ausstrahlen der nationalsozialistischen Ikonographie auf die US-amerikanischen Historienproduktionen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stehen im Mittelpunkt des folgenden Unterkapitels „Nazi Cinema and Its Impact on Hollywood’s Roman Epics: From Leni Riefenstahl to Quo Vadis“ (S. 122–150). Mit der MGM-Produktion „Quo Vadis“ (1951) beginnt die Gleichsetzung des imperialen Rom mit Nazideutschland und die Verwendung des saluto romano als plakative Verbindung zwischen antiker und nationalsozialistischer Ikonographie, die Winkler im letzten Abschnitt des Hauptteils „Antiquity on the Screen from Quo Vadis to Rome“ (S. 151–177) bis zu den aktuellen TV-Produktionen weiterverfolgt, wobei er zwischen Kino- und Fernsehproduktionen unterscheidet. In der Auseinandersetzung mit den einschlägigen Filmen behandelt der Autor neben den Klassikern der 1950er- und 1960er-Jahre („Quo Vadis“, 1951; „Ben Hur“, 1959; „Spartacus“, 1960; „The Fall of the Roman Empire“, 1964) sowohl die neueren Kinofilme „Titus“ (1999) und „Gladiator“ (2000) als auch die aktuellen TV-Serien „Empire“ (2005) und „Rome“ (2005–2007), wobei für Winkler die Gleichsetzung des kaiserzeitlichen Rom mit Nazideutschland schwächer zu werden scheint: „By the time of Titus and Gladiator the explicit analogies to Nazi Germany and Fascist Italy that Roman-Empire films like Quo Vadis and others had used were less blatant on the screen because Fascism and Nazism had themselves begun to fade from popular memory“ (S. 165).

Eine knappe Zusammenfassung (S. 178–184) sowie drei Appendizes zur Livius-Darstellung der Horatier-Episode (S. 185–189), dem Schwur der 1926 gegründeten faschistischen Jugendorganisation Balilla (S. 190f.) sowie weiterführender Literatur zu den Themen Faschismus, Nationalsozialismus und ihrem Verhältnis zur Altertumswissenschaft (S. 192–194) schließen die Publikation ab.

Martin M. Winkler ist ein bemerkenswertes Buch gelungen, welches gerade durch seine Berücksichtigung der unterschiedlichsten Forschungsfelder mit Fragen zur antiken Geschichte, zur kulturellen und historischen Entwicklung Italiens, Deutschlands und der USA sowie zur Historienmalerei, zu Theater und Film ein breites Spektrum der interdisziplinären Beschäftigung offenbart, die für Fragestellungen im Themenbereich Antike und Film von essentieller Bedeutung ist und eine ernstzunehmende Auseinandersetzung erst möglich macht.

Anmerkungen:
1 Roland Barthes, Die Römer im Film, in: ders., Mythen des Alltags, Frankfurt am Main 1964, S. 43–46.
2 Zuletzt erschienen Martin M. Winkler, Cinema and Classical Texts. Apollo’s New Light, Cambridge 2009 sowie Martin M. Winkler (Hrsg.), The Fall of the Roman Empire. Film and History, Malden 2009.
3 Zur deutschen Version vgl. auch Tillman Allert, Der deutsche Gruß. Geschichte einer unheilvollen Geste, Ditzingen 2010.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension