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Titel
Rom, das bin ich. Marcus Tullius Cicero. Ein Leben


Autor(en)
Pina Polo, Francisco
Erschienen
Stuttgart 2010: Klett-Cotta
Anzahl Seiten
381 S.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Bücher, Historisches Seminar I, Universität zu Köln

Wie Pina Polo in seinem Vorwort gleich zu Beginn notiert, stellt es durchaus ein Wagnis dar, eine Biographie über Cicero zu schreiben. Die Riege der Vorgänger ist sehr lang: Eine im Anhang beigegebene informative Übersicht über alle bisher verfassten Cicero-Biographien nimmt zweieinhalb Druckseiten ein und führt Werke seit Middlestons „The History of the life of Marcus Tullius Cicero“ aus dem Jahre 1741 auf. So viel Tradition lässt kaum Platz, über Cicero zu schreiben, was und wie niemand es bisher getan hat.

Pina Polo lässt sich folgerichtig auf die Konventionen des Genres der Biographie ein und schildert über 17 Kapitel hinweg das Leben des Spätrepublikaners, der uns wie kein anderer bekannt ist, in seiner chronologischen Abfolge. Seine Entscheidung, besonders Ciceros Briefe zu Wort kommen zu lassen, kann man insgesamt als glücklich bezeichnen. Bisweilen sind die Zitate recht umfangreich und unterbrechen den erzählerischen Fluss. Aber auch derjenige, der schon viel Zeit in die Beschäftigung mit Cicero investiert hat, dürfte immer wieder scharfsinnige Beobachtungen und das eine oder andere feine Aperçu aus dem Epistelcorpus lesen, die einem vorher nicht so geläufig waren.

Um die Welt Ciceros in ihren verschiedenen Aspekten plastischer vorstellen zu können, baut Pina Polo essayistische Exkurse in seine Darstellung ein. So widmet er sich intensiv den Finanzen Ciceros, denen ein eigenes Kapitel reserviert wird. Er begleitet Cicero beispielsweise bei der Suche nach seiner (sehr teuren) Traumimmobilie auf dem Palatin. Eine instruktive Karte (S. 53) zeigt die Häuser prominenter Nachbarn, die Cicero dort hatte. Längere Ausführungen informieren den Leser ebenso über das Phänomen der Gewalt im spätrepublikanischen Rom wie auch über Religion und religiöse Vorstellungen sowie Wahlen und Wahlkämpfe. Mit feinem Gespür zeigt Pina Polo die Inszenierung von Politik, beispielsweise anlässlich der Catilina-Krise oder der Rückkehr Ciceros aus dem Exil. Natürlich wird auch der Schriftsteller Cicero gewürdigt. Der Autor gibt keine Inhaltsangaben der einzelnen Philosophica, sondern berichtet summarisch über die Werkgruppen zur Religion, griechischen Philosophie und Rhetorik. Ciceros Vorstellung vom perfekten Redner wird ein eigenes Kapitel eingeräumt. Manchmal möchte man sich anstelle der ruhig dahinfließenden Darstellung eine lebendige, dramatische Forumsszene oder ähnliches wünschen. Der Verres-Prozess, der hier beste Gelegenheit böte, wird nur kurz abgehandelt. Die Philippischen Reden müssen auch in ein abschließendes Kapitel hineinpassen. Aber wem kann man schon alles recht machen?

„Rom, das bin ich!“ Dieser titelgebende politische Anspruch des Consulars steht selbstverständlich im Zentrum des Buches. Ciceros völlige Fixierung auf die urbs – gerade dann, wenn er von ihr getrennt ist, wie etwa in der Zeit des Exils oder während der kilikischen Statthalterschaft – zeigt zugleich sein Problem: Wirken kann jemand wie er nur in Rom. Die mächtigen Zeitgenossen operieren weltweit, mit erfolgreichen Kriegen vergrößern sie den römischen Herrschaftsbereich. Cicero sitzt derweil zu Hause, die großen Bewegungen seiner Zeit im Senat, vor dem Volk und in seinen Briefen kommentierend, aber nie rührig und tätig an vorderster Front. Im Laufe der Lektüre wird immer deutlicher, dass Ciceros Worte bisweilen durchaus mächtig waren, er aber – wenn es darauf ankam – keine wirklichen Machtmittel in der Hand hatte. Über das weit entfernt wütende Schwert kann man im Senat lobend sprechen oder schimpfen, aber kommt es drohend näher und näher, wird Cicero zunehmend unsicher, laviert und muss schließlich seine geliebte Stadt verlassen.

Unter den Anhängen ist eine sehr ausführliche Zeittafel zum Leben Ciceros (S. 354–366) hervorzuheben. Die Bibliographie verzeichnet zunächst die biographischen Werke in chronologischer Reihenfolge und stellt dann in einem zweiten Teil einige Studien nach Sachgruppen zusammen. Insgesamt ist das Literaturverzeichnis sparsam angelegt. Ein Personenregister schließt den Band ab.

In toto hat Pina Polo ein detailreiches und schön erzählendes Cicero-Buch vorgelegt, dessen Hauptfigur politisch, religiös, intellektuell, selbstverständlich auch privat vorgestellt und in seine Zeit eingeordnet wird. Sabine Panzram hat eine angenehm und flüssig zu lesende Übersetzung angefertigt; der Klett-Cotta Verlag hat ein schönes Buch hergestellt, das man gerne zur Hand nimmt.1

Anmerkung:
1 Das Buch erschien im spanischen Original unter dem Titel: Marco Tulio Cicerón, Barcelona 2005.

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