L. de Arrizabalaga y Prado: The Emperor Elagabalus

Cover
Titel
The Emperor Elagabalus. Fact or Fiction?


Autor(en)
Arrizabalaga y Prado, Leonardo de
Erschienen
Cambridge u.a. 2010: Cambridge University Press
Anzahl Seiten
Preis
£ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Markus Handy, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Karl-Franzens-Universität Graz

Das vorliegende Buch von Leonardo de Arrizabalaga y Prado behandelt eine der „bizarrsten Erscheinungen unter den römischen Kaisern“.1 Das Bild des severischen Kaisers Elagabal (218–222) in der antiken Geschichtsschreibung wird von Grausamkeiten, Brutalitäten und Exzessen bestimmt und ist daher fast ausnahmslos negativ. Arrizabalaga y Prado stellt es sich deshalb zum Ziel, alles, was zu diesem Herrscher berichtet wird, auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen und die Fiktionen von den Fakten zu trennen.

Im ersten Teil („Exposition“, S. 1–24) bespricht Arrizabalaga y Prado die Ziele und Methoden seiner Arbeit und bietet auch eine Erklärung, warum er in seiner Studie konsequent die Hauptperson nicht mit seinem uns geläufigen Namen Elagabal, sondern mit seinem Geburtsnamen Varius nennt. Auch wenn es, wie Arrizabalaga y Prado richtig hervorhebt, keinen Beweis gibt, dass der Kaiser in seiner Regierungszeit tatsächlich Elagabal genannt wurde (S. 6f.), scheint mir diese eigenwillige Benennung methodisch keine wertvollen Denkanstöße zu vermitteln. Sodann gibt der Autor im zweiten Kapitel („Explosion“, S. 25–56) einen Überblick zu den literarischen Quellen über diesen Kaiser. Arrizabalaga y Prado verweist auf die einseitigen und oft der Topik verfallenen Darstellungen vieler Autoren. Von seiner Kritik bleibt auch Cassius Dio nicht verschont, dem hier sogar der Ruf als zuverlässiger Berichterstatter abgesprochen wird, zumal er während Elagabals Herrschaft nicht in Rom geweilt haben soll (S. 31f.). Streben nach Objektivität könne man auch bei Herodian, Sextus Aurelius Victor und dem Autor der Historia Augusta nicht feststellen, weshalb von den 840 Behauptungen, die Arrizabalaga y Prado zu Elagabal in den antiken Quellen findet, nur 24 tatsächlich als wahr und 43 als nahezu wahr einzustufen seien.

Das dritte Kapitel („Constitution“, S. 57–161) nimmt die Quellen nicht-literarischer Art wie Münzen, Inschriften und Papyri in den Blick, um aus ihnen Tatsachen zu diesem Kaiser zu gewinnen. Bei der Auswertung dieser Quellengattungen fordert Arrizabalaga y Prado ein gewisses Maß an Phantasie ein: Alle Berichte der antiken Geschichtsschreibung sollten vorerst vergessen werden, um somit die unzweifelhaften Fakten zu Elagabal herausfinden zu können. Sein Appell, die Gedanken von althergebrachten, die Historiographie dominierenden Klischees freizumachen, schafft aber noch kein neues Elagabal-Bild, denn die von Arrizabalaga y Prado präsentierten res gestae, quasi die Zusammenstellung all seiner in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse, bieten nichts, was nicht schon vorher bekannt war. Dass Mordtaten und Grausamkeiten kein Thema dieser res gestae sind, ist insofern keine Überraschung, als kaiserliche Münzen oder Inschriften eher nicht über Gräueltaten berichten, sondern der Überhöhung des Kaisers dienen. Sie sind somit vorrangig nicht als Quellen objektiver Geschichtsbetrachtung, sondern als probate Propagandamittel zu sehen. Dies war auch im Falle Elagabals nicht anders, so dass die am Ende dieses Abschnittes vorgenommene Bemerkung, dass nur die literarischen Quellen von den Ausschweifungen des jungen Kaisers berichten, keine neue Erkenntnis darstellt.

Im vierten Kapitel erörtert der Autor unter der Überschrift „Speculation“ (S. 162–259) die verschiedenen Motive, die hinter Elagabals Handeln gestanden haben könnten. Hier begibt sich Arrizabalaga y Prado auf ein Gebiet, für das ihm praktisch keine Quellenaussagen zur Verfügung stehen. Zum Thema der Kindheit und Jugend kann er aber zwingende Argumente dafür vorlegen, dass Elagabal seine frühen Lebensjahre im Kreise seiner Familie in oder in der Nähe von Rom verbrachte. Ansonsten ist aber die Gesamtintention dieses Abschnittes kritisch zu hinterfragen: Geradezu lähmend wirkt die immer wieder aufgeworfene Frage nach Elagabals angeblicher Abstammung von Caracalla und einer damit verbundenen Herausstellung seiner Person als möglicher Nachfolger. Zwar könnten Fragen dieser Art, wie der Autor zu Recht festhält (S. 189), in der späten Severerzeit offen diskutiert worden sein, dessen ungeachtet scheint mir aber für eine derartige Hypothese die Quellenevidenz zu dürftig zu sein. Überhaupt ist in diesem Kapitel immer wieder festzustellen, dass Arrizabalaga y Prado zu folgenschweren Annahmen neigt, die unser Handbuchwissen zu diesem Kaiser in Frage stellen, für die es aber keine oder nur eine unzureichende Quellengrundlage gibt; dazu gehören auch die leichten Zweifel, die er an der Paternität von Sextus Varius Marcellus, Elagabals biologischem Vater, erhebt (S. 194). Diese Vermutung ist in hohem Maße spekulativ und bietet daher auch keine weiteren Anregungen für eine sinnvolle Beschäftigung mit dieser Frage.

Das fünfte Kapitel („Findings in contexts“, S. 260–284) will den Stellenwert Elagabals, seiner Person und seines kaiserlichen Handelns im Hinblick auf die römische Kaiserzeit beurteilen. Hier hätte man einen genaueren Blick auf die historischen Veränderungen und den Charakter der Severerzeit erwartet, um die Regierungsjahre Elagabals besser einordnen zu können. Stattdessen begnügt sich Arrizabalaga y Prado mit einigen allgemeinen Bemerkungen zum Prinzipat als Herrschaftsform, zur severischen Familie und zur kaiserlichen Verwaltung, die allesamt kaum imstande sind, die Regierung Elagabals hinreichend zu bewerten. An dieses Kapitel schließen sich umfangreiche Appendices an (S. 285–360), die sich unter anderem der Frage widmen, wie Wissen überhaupt zustande kommt. Darüber hinaus bieten sie eine seriöse Aufstellung der Quellen zu Elagabal.

Sein Bemühen, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden, verleitet Arrizabalaga y Prado zu einem übertriebenen Misstrauen gegenüber antiken Autoren. Gesicherte Fakten zu Person und Herrschaft Elagabals ausschließlich in Inschriften, auf Münzen oder in Papyri zu suchen und dabei auf Aussagen bedeutender Historiker wie Cassius Dio ganz zu verzichten, erleichtert aber die Wahrheitsfindung nicht gerade. Ferner stellt Arrizabalaga y Prado einige wichtige Fragen bedauerlicherweise nicht: So fehlen Überlegungen zur Rolle des Militärs, das in der Severerzeit zu einem wichtigen Garanten der kaiserlichen Macht geworden war. Die Militäraufstände, die Elagabals Herrschaft stark gefährdeten, werden kaum erwähnt; eine Analyse seiner Heerespolitik gerade vor dem Hintergrund der Maßnahmen des Septimius Severus und des Caracalla bleibt aus. Auch andere grundlegende Themen wie das Funktionieren der Reichsverwaltung in Elagabals Regierungsjahren werden nicht angesprochen; hier hätten sich etwa Appendices mit einer Aufstellung der unter Elagabal bezeugten senatorischen und ritterlichen Beamten angeboten. Auch wenn diese Arbeit kaum zu einer weiteren Diskussion über Elagabal anregen wird, besteht ihr Wert immerhin doch darin, all die verstreuten Nachrichten zu diesem Herrscher gesammelt und aufbereitet zu haben.

Anmerkung:
1 Matthäus Heil, Elagabal, in: Manfred Clauss (Hrsg.), Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, 2. Aufl., München 2001, S. 192–195.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension