H. Nöring (Hrsg.): Bilderschlachten

Cover
Titel
Bilderschlachten. 2000 Jahre Nachrichten aus dem Krieg. Technik – Medien – Kunst


Herausgeber
Nöring, Hermann; Schneider, Thomas F.; Spilker, Rolf
Erschienen
Göttingen 2009: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
440 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andrea Schütze, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

„Breathe deep, boy, the smell of victory“ – „Smoke, shit and rotting flesh“ – „Beautiful, isn’t it?“. Mit diesem Dialog zwischen Marcus Antonius und Octavian während ihres Ritts über das Schlachtfeld von Philippi und dem abschließend in Rosenhauch gehüllten Dreifach-Triumph des Augustus 29 v.Chr. gewährten die Macher der HBO-Serie „ROME“ ihren Zuschauern einen entlarvenden Blick auf einen wichtigen Wesenszug der Kriegsmedien: Jenem Auseinanderfallen und gleichzeitigem Verschmelzen von medialer Realität und brutaler Wirklichkeit, das jede Beschäftigung mit dieser Thematik so dauerhaft interessant gestaltet.1 Unter diesem Vorzeichen steht auch der Ausstellungskatalog „Bilderschlachten“, der zur gleichnamigen Ausstellung erschienen ist.2 Aus einer Fülle von über 50 reich bebilderten Beiträgen, gemischt aus Aufsätzen und Exponats- bzw. Installationsbeschreibungen, können hier nur einige wenige herangezogen werden.

Interessant gestaltet sich bereits der Aufbau des Bandes: Krieg in seiner medialen Präsentation erscheint hier nicht als statisches Element, sondern vollzieht eine in Bezug zur Mediengeschichte parallele Evolution – vom Aufkommen des Buchdrucks bis zur CyberWorld der Computerspiele. Diese Gestaltung erscheint sehr ansprechend, zeigt sie doch, wie modern und zeitnah sich Krieg in seiner medialen Präsentation gegenüber der Welt der Zivilisten vermittelt, indem er einerseits durch eigenen technischen Fortschritt erst die mediale Entwicklung begünstigt, andererseits sich ihrer aber auch bedient (siehe hierzu den Beitrag von Hermann Nöring, „Bilder vom Handwerk des Tötens“, S. 48).

Vergleicht man diesen Katalog beispielsweise mit jenem der Ausstellung „Bilder, die lügen“ 3, der etwas mehr als ein Jahrzehnt zuvor erschienen ist, so zeigt sich aus heutiger Perspektive eine deutlich intensivere Unterwanderung der medialen Privatsphäre. War der frühere Katalog schwerpunktmäßig noch durch das Zeitalter der Weltkriege und des frühen 20. Jahrhunderts geprägt, so erweisen die umfangreichen, als „Sequenzen“ bezeichneten Kapitel über Film, Fernsehen, Computer und Internet 4, die immerhin ein gutes Viertel dieses Katalogs ausmachen, wie wichtig ganz wesentlich die Medien des 20. und 21. Jahrhunderts dazu beigetragen haben, Krieg nicht nur in unsere kriegsferne Zivilgesellschaft zu transportieren, sondern auch unsere eigene Wahrnehmung für mediale Manipulationen (trotz eifriger Rezeption) zu schärfen und das Interesse gerade an medienhistorischen Diskursen zu befördern. So war der Vietnam-Krieg der erste „living-room war“ (siehe hierzu den Beitrag von Gerhard Paul, „‚Living-room war‘ Vom exklusiven Seherlebnis zum ersten Fernsehkrieg der Geschichte“). Die Golfkriege der Präsidenten Bush führten den Krieg dann aus dem informationellen Konsum in die Phase einer kritische Wahrnehmung durch die Massen (dies war auch ein Thema der Installation von Harun Farocki, „Auge/Maschine III“).5 Die Probleme in diesem Spannungsfeld der Quellen vermögen auch den Historiker zu interessanten Fragestellungen anzuregen, wie beispielsweise die Frage nach der Topik des Bösen 6 oder jener in der Installation von Ruth Schnell, „All Targets Defined“ aufgeworfenen Problematik, wie es Zivilisten eigentlich gelingt, hochaggressive Gewaltbilder zu rezipieren, „ohne dass uns das psychische Abwehrsystem zum Abschalten zwingt“ (S. 422). Dabei weist die Frage nach der medialen Verarbeitung extremster Gewaltformen – weit über den Aktualitätsrahmen der eigenen Lebenswirklichkeit hinaus – auch eine historische Dimension auf.

Trotz der kreativen Inspiration, die dieser Band in der Auseinandersetzung um Krieg und Medien bietet, muss ein Kritikpunkt angesprochen werden: Dieser betrifft jene Bereiche, die von Vertretern der Medienwissenschaften gerne mit „vorgeschichtlichen Attributen“ bedacht werden, wie Altertum und Mittelalter.7 So erscheint es nicht ganz nachvollziehbar, weshalb es eine kumulierende „Sequenz Antike“ gibt, der sich sofort die neuzeitliche „Sequenz Buchdruck“ anschließt, während das Mittelalter vollständig fehlt. Da diese Epoche mit ihren Ideologien – von den Kreuzzügen bis hin zum Türkenkrieg des Spätmittelalters – zum Problemfeld Krieg und Medien einiges zu bieten haben dürfte, verwundert das Fehlen einer entsprechenden Sequenz. Mit dem Ausblenden von knapp einem Jahrtausend Menschheits- und Mediengeschichte werden die Herausgeber ihrem Anspruch, „2000 Jahre Nachrichten aus dem Krieg“ (so der Untertitel des Bandes) zu präsentieren, nicht gerecht.8

In einer einzigen Sequenz zusammengedrängt soll sich das mediale Spektrum der Antike – vornehmlich jene der römischen Kaiserzeit – entfalten. Das erscheint dann doch etwas sehr stark komprimiert, gemessen an dem reichhaltigen Spektrum, das der Alte Orient und die klassische Antike der Griechen und Römer in den erhaltenen Text- und Bildmedien bereitstellt. So ist es bedauerlich, dass nur zwei – wenn auch sehr interessante – Beiträge ein Schlaglicht auf diese Epoche werfen, die doch auf so vielfältige Weise, bis in die Moderne hinein, unsere Vorstellungen vom Krieg und seinem Darstellungsmodus geprägt hat.

Anne Kolb bespricht in ihrem Beitrag „Militär und Kommunikation im Römischen Reich. Organisation und Bedeutung des Nachrichtenwesens“ als „eine tragende Säule der Herrschaft Roms“ (S. 80), das staatliche Nachrichtenwesen, den cursus publicus. Interessant erweist sich an ihrem Beitrag nicht allein die von ihr gut vermittelte Strukturiertheit und Effizienz des Nachrichtensystems, sondern auch die hohe Bedeutung, die man dem Element „Information“ zumaß; sei es nun, dass ihre Vermittlung gerade in den Bereichen Wirtschaft und Krieg ein derart überragend hohes Niveau erreichte, dass der Zugang zur Information zugleich ein Zeichen von Exklusivität wurde; sei es, dass ihre Bedeutung auch von den zivilen Zeitgenossen dementsprechend wahrgenommen worden zu sein scheint, worauf die von Kolb angeführten Quellenstellen hindeuten, in denen stets die Schnelligkeit des Informationsflusses betont wird. Rainer Wiegels nähert sich dem Thema Kriegsinformation in „Trauerbotschaften, Siegesmeldungen und Soldatenbriefe: Nachrichten und Berichte von der Front aus dem kaiserzeitlichen Rom“ von einer anderen Perspektive, nämlich der Sicht des normalen Soldaten. So setzt er zum Beitrag Kolbs einen interessanten Kontrapunkt, indem er nicht nur den Versuch unternimmt, alternative Informationsströme über Kriegsereignisse auszumachen, sondern zugleich anhand der Vindolanda- und Vindonissa-Täfelchen auch aufzeigt, dass die Sorgen des einfachen Mannes bisweilen vollkommen andere sein konnten, als uns die geläufigen Kriegsquellen eindrucksvoll suggerieren.

Mit „Bilderschlachten“ ist den Herausgebern ein Ausstellungskatalog gelungen, der nicht vergessen in Regalen schlummert, sondern durch sehr gute Beiträge und nicht zuletzt durch ein sehr aussagekräftiges Bildmaterial auch im Nachfeld dieser Ausstellung zur Lektüre und zum Blättern anregt und dabei immer wieder zu neuer Diskussion und neuem Nachdenken inspiriert.

Anmerkungen:
1 Die Zitatsequenzen entstammt der zweiten Staffel dieser Serie. Passend hierzu die Installationsbeschreibung von Christoph Draeger, „Dear Old Battleground, Mean Old Killing Fields (War is History)“, in: Bilderschlachten 2009, S. 334.
2 Zur Ausstellung vgl. die Rezension von Lucia Halder, in: H-Soz-u-Kult, 19.09.2009 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=128&type=rezausstellungenngen> (26.10.2010).
3 Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Bilder, die lügen, Bonn 1998.
4 Interessant zur Entwicklungsgeschwindigkeit: Während Frank Hartmann, Internet, S. 400–407, die Durchführung eines Cyberkrieges noch für möglich hält, scheint sie im Fall des Stuxnet-Virus Realität geworden zu sein, vgl. beispielsweise den Beitrag auf ftd (23.09.2010), <http://www.ftd.de/it-medien/it-telekommunikation/:mutmasslicher-cyberangriff-virus-attacke-auf-iranisches-atomprogramm/50173417.html> (26.10.2010).
5 Zum Entgleiten medialer Strategien vgl. das Interview von Herfried Münkler, „Hollywood als Vorbild für Kriege“ im Rahmen der Sendung „nano“ vom 12.02.2003.
6 Vgl. hierzu eine interessante Installation im Rahmen der Ausstellung „Das Böse – All about evil“: In parallelen Videoansprachen von Osama Bin Laden und George W. Bush vermochte der Betrachter nahezu störungsfrei, Text und Bild zu vertauschen, vgl. Werner Holzwarth, Epilog auf Erden, in: Silke Seybold (Hrsg.), Das Böse – All about evil, Mainz 2007, S. 200–204.
7 Vgl. etwa Jürgen Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Stuttgart 2000, S. 4. Diese Haltung bedingt sich möglicherweise durch den von den Herausgebern mitgetragenen technischen Medienbegriff, vgl. hierzu im Vorwort („Worte können Bilder nicht aufwiegen“), S. 10: „Ausstellung und Katalog Bilderschlachten setzten die Zäsuren in der Darstellung ‚2000 Jahre Nachrichten aus dem Krieg‘ bei den technischen Innovationen“.
8 Dem vermögen auch kurze Überblicke wie etwa Siegfried Zielinskis Beitrag „Krieg & Medien Marginalien einer Genealogie in Legenden und Bildern“ nicht abzuhelfen.

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