Titel
Maritime India. Trade, Religion and Polity in the Indian Ocean


Autor(en)
Malekandathil, Pius
Erschienen
Anzahl Seiten
211 S.
Preis
$ 64.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dietmar Rothermund, Heidelberg

Der Autor (geb. 1960) hat lange Zeit als Pfarrer der Mar Thoma Kirche in Kerala gelebt und sich dann der historischen Forschung zugewandt. Zur Zeit ist er Associate Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Jawaharlal Nehru University, New Delhi, und ein führender Spezialist auf dem Gebiet der Geschichte des indischen Seehandels. Die zehn Kapitel dieses Sammelbands sind Nachdrucke von Aufsätzen, die in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind. Mit Ausnahme eines Aufsatzes, der 1998 veröffentlicht wurde und den Indienreisen des chinesischen Admirals Cheng He im 15. Jahrhundert gewidmet ist, stammen die anderen Aufsätze aus den Jahren 2003 bis 2007 und stellen die Ergebnisse neuerer Forschungsarbeiten vor. Das zeitliche Spektrum dieser Arbeiten reicht von den Aktivitäten persischer Händler an der indischen Westkünste zur Zeit der Sassaniden (224-651 n.Chr.) bis zur Expansion des portugiesischen Seereichs und den Interventionen des osmanischen Reiches im Indischen Ozean. Die besondere Aufmerksamkeit des Autors gilt den portugiesischen casados, das heißt den mit indischen Frauen verheiraten Portugiesen, die ein Netzwerk bildeten, das weit über den Estado da India hinausreichte. In dieses Netzwerk waren auch die mit den casados verschwägerten Inder einbezogen. Die casados waren auch an den Küsten des Golfs von Bengalen aktiv, wo sie unbhängig vom Estado Handel trieben.

Das Panorama des Seehandels, das Malekandathil entwirft, zeigt eine über die Jahrhunderte hinweg nahezu ungebrochene Kontinuität der Handelsaktivitäten, wobei freilich die dominanten Händlergruppen einander abwechselten. Zur Zeit der Sassaniden waren es wohl in erster Linie persische Christen, die Handel entlang der westindischen Küste trieben. Kreuze mit Inschriften in der altpersischen Pahlavi-Schrift, die in indischen Häfen gefunden wurden, deuten darauf hin. Schon damals waren die Mar Thoma Christen Keralas mit dem Pfefferanbau im Hinterland der Küste beschäftigt. Einige Jahrhunderte später waren es die Araber, die die indischen Häfen anliefen und schon im 10. Jahrhundert in Goa einen günstigen Handelsstützpunkt fanden. Später machten die Portugiesen den Arabern den Rang streitig, konnten sie aber nie ganz ausschalten, zumal viele von ihnen in den indischen Hafenstädten Wurzeln geschlagen hatten und Auswege fanden, wenn es darum ging, den Seehandel an den Portugiesen vorbei in den Persichen Golf oder ins Rote Meer zu lenken.

Der maritime Historiker Malkenadathil geht aber auch an Land und untersucht, welchen Einfluss die Handelsaktivitäten auf die Bildung von Staaten in Kerala hatten. Das vielfältig gegliederte Land mit seiner langen Küste und guten Häfen bot viele Ansatzpunkte für Staatsbildung und politische Rivalitäten. Der Zamorin (Samudraraja= Meerkönig) von Calicut, den die Portugiesen zuerst aufsuchten, wurde bald zu ihrem entschiedenen Gegner und machte gemeinsame Sache mit den muslimischen Marakkars, einer einheimischen Händlergruppe, die eine beträchtliche Seemacht aufbauten und die Malediven als Stützpunkt benutzten, um Handel mit dem osmanischen Reich zu treiben. In Cannanore, rund 100 km nördlich von Calicut, errichtete ein Marakkar-Händler für einige Zeit einen Staat, der die Malediven einschloss. Während die Marakkars hauptsächlich als Seemacht in Erscheinung traten und von den Portugiesen als „Korsaren“ verteufelt wurden, gründete der Raja von Cochin, der mit den Portugiesen verbündet war, seine Macht auf die Protektion der zahlreichen Tempel im Hinterland und auf die Kontakte mit den Gebieten, in denen der Pfeffer produziert wurde. Während die Portugiesen mit den Thomaschristen, die den Pfeffer anbauten und vermarkteten, zunächst gute Beziehungen hatten, verdarben sie es sich mit ihnen, als sie den indischen Christen ihren lateinischen Ritus aufzwingen wollten. Die Christen nutzten dann die Verkehrsverbindungen über Land an die Ostküste und verkauften ihren Pfeffer dort, wo sich dann die dort sesshaft gewordenen casados in diesen Handel einschalten. Die Konflikte der Portugiesen mit den einheimischen Christen hatte Malekandathil bereits in seiner ausgezeichneten Dissertation "Portuguese Cochin and the Maritime Trade of India, 1500-1663" (New Delhi 2001) behandelt. Nun aber hat er die Folgen der Umleitung des Handels für die casados an der indischen Ostküste noch eingehender untersucht.

Ein neuer Aspekt der Arbeit Malakandathils ist die Beschäftigung mit Bengalen, dessen Geschichte in dieser Zeit schon von anderen Histortikern behandelt worden ist. Hier zieht er weitere Quellen heran und betont die Rolle der privaten portugiesischen Händler (casados), deren Aktivitäten in dieser Region weit bedeutsamer waren als die der portugiesischen Krone. Das letzte Kapitel ist der Frage gewidmet, wie die casados zu reichen Handelskapitalisten wurden. Malekandathil zeigt, dass die casados nach 1570 als die Krone den Indienhandel an ein Konsortium europäischer Privatunternehmer übertrug, sehr gut mit diesen zusammenarbeiteten, andererseits aber auch die Verbindungen zu indischen Händler nutzten, auf deren Schiffen sie ihre Handelsgüter verfrachteten. Sie taten dies vermehrt als die Niederländer und Briten den portugiesischen Seehandel in Indien erschwerten.

Der jüngste Beitrag (2007) zu diesem Sammelband (Kap. 6) behandelt die Rivalität von Osmanen und Portugiesen im Indischen Ozean von 1500 bis 1560. Malekandathil zeigt, dass die Osmanen schon bald nach der Eroberung Konstantinopels Interesse daran hatten, den Handel mit Indien zu beherrschen und erwähnt die erstaunliche Karriere des in Konstantinopel geborenen Yusuf Adil Shah, der in Indien zunächst im Bahmani-Sultanat hohe Ämtern bekleidete und sich schließlich 1498 zum Sultan von Bijapur aufschwang und damit auch Goa beherrschte, das dann die Portugiesen eroberten. Die portugiesisch-osmanische Rivalität wurde intensiviert als die Osmanen 1538 Aden eroberten und im gleichen Jahr einen Marinestützpunkt in Basra errichteten. Die bereits erwähnten Marakkar-Händler arbeiteten eng mit den Osmanen zusammen. So gelang es, Venedig wieder mit genügend Gewürzen zu versorgen. Es erlebte nach 1540 noch einmal eine Blütezeit. Die Geschichte Venedigs ist gut bekannt, aber die Geschichte der portugiesisch-osmanischen Rivalität im Indischen Ozean bietet der historischen Forschung noch viele Möglichkeiten. Es ist zu hoffen, dass Malekandathil gerade auf diesem Gebiet noch weitere Pionierarbeit leisten wird.

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