M. Zahrnt: Die Römer im Land Alexanders des Großen

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Titel
Die Römer im Land Alexanders des Großen. Geschichte der Provinzen Macedonia und Epirus


Autor(en)
Zahrnt, Michael
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie. Sonderbände der Antiken Welt
Erschienen
Anzahl Seiten
136 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jens Bartels, Historisches Seminar, Universität Zürich

Die römischen Provinzen Macedonia und Epirus fristeten in der modernen Forschung lange ein Schattendasein. Die ruhmreichere Vergangenheit und die Lage abseits der Schauplätze politisch-militärischer Großereignisse haben zusammen mit der geringen Zahl literarischer Zeugnisse und der früher schlechten Zugänglichkeit epigraphischer Quellen ein größeres Interesse verhindert. 2010 ist nun endlich die erste Monographie erschienen, die einen Überblick über die Geschichte dieser beiden Provinzen bietet. Michael Zahrnt beschäftigt sich bereits seit über 40 Jahren mit dem antiken Makedonien. Ausgehend von seiner Dissertation hat er sich neben Anderem immer wieder der Geschichte dieser Region zugewandt. Insofern erscheint Zahrnt, der dank seiner zahlreichen Reisen den Norden Griechenlands wie seine Westentasche kennt, prädestiniert, diesen Band zu schreiben.

Nach einer Einleitung (S. 6–13), die einen ausführlichen Überblick über die literarischen, inschriftlichen und archäologischen Quellen bietet, folgen sechs Kapitel von etwa 10–20 Seiten Umfang, ein Nachwort (S. 127) sowie der Anhang (S. 128–136) mit Abkürzungsverzeichnis, Anmerkungen und Abbildungsnachweis. Das erste Kapitel (S. 14–25) gilt dem Prozess der gewaltsamen Integration Makedoniens in den römischen Herrschaftsverband, der über die Geschichte der Provinz hinaus für die Einschätzung der römischen Expansionspolitik insgesamt bedeutsam ist. Nach einem kurzen Blick auf die Geschichte Makedoniens bis zum Erscheinen der Römer (S. 14–17) werden die drei Stadien dieses Unterwerfungsprozesses behandelt: Um die unter dem Illyrerfürsten Agron und später unter Demetrios von Pharos entstandenen Machtkonzentrationen zu bekämpfen, etablierte sich Rom als Schutzmacht der griechischen Küstenstädte auf der Ostseite der Adria (S. 18–19). Es folgten die drei Makedonischen Kriege, die schließlich 168/167 v.Chr. zum Ende der makedonischen Monarchie und zur Einrichtung eines Gebildes aus vier selbständigen Teilrepubliken führten (S. 19–24). Diese Lösung erwies sich als wenig zukunftsfähig, so dass schließlich eine römische Provinz geschaffen wurde, die alle bisherigen Erwerbungen Roms auf dem Südbalkan umfasste (S. 24–25).

Der Geschichte der Provinz bis zum Ende der Römischen Republik gilt das zweite Kapitel (S. 26–49). Mit dem Erwerb Makedoniens erbte Rom auch dessen Abwehrkämpfe gegen Invasionen aus dem nördlichen Balkanraum. Nachrichten über Niederlagen und Siege machen einen erheblichen Teil der Informationen aus, die zu dieser Zeit erhalten sind (S. 26–31). Entsprechend lässt sich über die inneren Verhältnisse relativ wenig sagen (S. 31–37). Makedonien und Epirus kam in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v.Chr. dann die wenig dankbare Rolle zu, die Schauplätze für die Entscheidungsschlachten der Bürgerkriege zu liefern (S. 38–44). Zahrnt betont hier zu Recht die Belastung, die diese Kriege für die Bevölkerung der betroffenen Regionen bedeutete. Im Gefolge der Bürgerkriege kam es im Gebiet der Provinz Macedonia zur Gründung einiger römischer Kolonien und der Stadt Nikopolis, denen Zahrnt einen eigenen Abschnitt widmet (S. 45–49).

Das dritte Kapitel gibt einen Überblick zu den ersten drei Jahrhunderten der Kaiserzeit (S. 50–60). Zahrnt behandelt darin zunächst die augusteische Neuordnung (S. 50–52), zu der vor allem die Abtrennung des südlichen Griechenlands als eigene Provinz Achaea gehörte. Die nächsten beiden Abschnitte widmen sich den eher ruhigen Jahren von Tiberius bis Hadrian (S. 53–57) und den danach immer turbulenter werdenden Jahren bis zum Ende des 3. Jahrhunderts (S. 57–60). Im ersten beschäftigt Zahrnt sich vor allem mit der schwierigen Frage der Datierung der Entstehung der Provinz Epirus und der Angliederung Thessaliens an Macedonia sowie mit kaiserlichen Eingriffen in Epirus und Macedonia. Der zweite Abschnitt gilt dann vor allem den Auswirkungen der Invasionen und Bürgerkriege auf die Provinz im Hinterland.

Nach diesem überwiegend chronologisch gestalteten Block folgen zwei Kapitel, die dem Leben in der Provinz und vor allem den Städten gewidmet sind. Das erste erörtert die politisch-administrative Organisation des Raumes, die Wirtschaft und Gesellschaft sowie das kulturelle und religiöse Leben (S. 61–79). Das folgende Kapitel beschreibt, was man heute noch über die Gestalt der wichtigsten Städte der Provinz zu sagen vermag (S. 80–100). Im Einzelnen werden Thessalonike, Amphipolis, Philippi, Cassandrea, Pella, Dium, Beroia, Edessa, Stobi, Styberra, Herakleia Lynkestis, Dyrrachium, Apollonia, Byllis und Buthrotum vorgestellt. Der Band endet schließlich mit einem Kapitel zur Geschichte der behandelten Region in der Spätantike (S. 101–126). Nach einer allgemeinen Einführung in die Epoche (S. 101–102) werden drei Schwerpunktthemen behandelt: Thessalonike als zeitweise Kaiserresidenz (S. 102–104), die „Barbaren“-Invasionen (S. 104–109) sowie die kirchlichen und profanen Bauten dieser Zeit (S. 109–125). Ein kurzer Ausblick auf das Ende der Spätantike beschließt das Kapitel (S. 125).

Zahrnt hat – gerade auch angesichts der nicht immer einfachen Quellenlage – eine gelungene, kenntnisreiche und gut lesbare Darstellung der Provinzen Epirus und Macedonia vorgelegt. Bereichert wird der Band durch eine Vielzahl schöner Abbildungen, die größtenteils vom Verfasser selbst stammen. Kritik kann man allenfalls an einigen Details üben: Zahrnt hat dem dürftigen Befund zu den inneren Verhältnissen Makedoniens zur Zeit der Republik ein Maximum an Informationen abgerungen (S. 31–37). Man vermisst allerdings eine Stellungnahme zu den Überlegungen von Michel Sève zur weitgehenden Auslöschung der makedonischen Aristokratie in der Folge der Unterwerfung Makedoniens. Wenn Sève Recht hat, muss dies weitreichende Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft dieser Epoche gehabt haben.1 Immerhin böte dies eine Erklärung dafür, warum Pompeius in Makedonien nur wenige Reiter rekrutieren konnte (vgl. S. 38). Aulos Phiktorios sollte man in einer Inschrift aus der Zeit der römischen Republik eher als Aulus Fictorius latinisieren, da das vom cognomen abgeleitete gentilicium Victorius in so früher Zeit unwahrscheinlich ist.2 Der Großteil der Kykladen gehörte meines Wissens nach zur Provinz Asia, nicht zu Achaea oder Macedonia (S. 51); auch sollte man sich in der Frage der Zugehörigkeit von Thasos und Samothrake zu Macedonia (S. 54) noch etwas vorsichtiger äußern, als Zahrnt dies schon tut. Die Weihungen an die ägyptischen Götter in Dium sind zwar überwiegend, aber keineswegs ausschließlich griechisch (S. 69, vgl. dagegen AE 1998, 1209). Zahrnt folgt Fanoula Papazoglou in der Annahme, dass sich in Styberra aus der Ephebenzahl auf die Bevölkerungszahl der Stadt schließen lässt (S. 96). Das scheint mir angesichts der Schwankungen, die in Ephebenlisten feststellbar sind, ein fragwürdiges Verfahren zu sein.3

Jenseits dieser Details kann nicht hoch genug bewertet werden, dass Zahrnt die erste umfassende Monographie zur Geschichte der Provinz Macedonia überhaupt vorgelegt hat. Er legt damit eine wichtige Grundlage für die weitere Erforschung dieser interessanten Region. Am Schluss sei noch eine Frage an den Verlag gerichtet: Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass der Verlag die Namen der Provinzen in den Untertitel verbannt hat und auch kein Hinweis auf die Reihe Orbis Provinciarum mehr zu finden ist. Ich hoffe, dass dies nicht bedeutet, dass der Verlag sich still und leise von einem bisher recht erfolgreichen und – sollte es vollendet werden – weltweit einmaligen Projekt verabschiedet.

Anmerkungen:
1 Michel Sève, Notables de Macédoine entre l’époque hellénistique et le Haute-Empire, in: Pierre Fröhlich / Christel Müller (Hrsg.), Citoyenneté et participation à la basse époque hellénistique, Genève 2005, S. 257–273. Zu möglichen Fortwirkungen bis in die Kaiserzeit vgl. Jens Bartels, Städtische Eliten im römischen Makedonien, Berlin u.a. 2008.
2 Vgl. zu Victorius Theodor Mommsen, Vitorius Marcellus, in: Hermes 13 (1878), S. 428–430, hier S. 429. In Pella sind Fictorii gut belegt: ILGR 201 = Maria Lilibaki-Akamati, Anaskaphiki erevna stin periochi tu Phaku tis Pellas, in: Archaiologiko Ergo Makedonias kai Thrakis 17 (2003), S. 465-483; Rudolf Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griechischen Münzen, Hildesheim 1973, S. 31.
3 Fanoula Papazoglou, Les stèles éphébique de Stuberra, in: Chiron 18 (1988), S. 233–270. Vgl. dagegen Bartels, Städtische Eliten, S. 180–185.

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