Cover
Titel
Frauen und Krieg.


Autor(en)
Creveld, Martin van
Erschienen
Anzahl Seiten
325 S.
Preis
€ 29,60
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Th. Müller, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

In der traditionellen Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern sind Krieg und Militär reine Männerdomänen. Frauen im Militärdienst oder gar im Kampf blieben daher bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg Ausnahmen, die entweder als eine „Art Maskottchen“ (116) oder als „Mannweiber“ betrachtet wurden. Ob nun implizit erotisch oder explizit negativ aufgeladen, das Verhältnis von „Frauen und Krieg“ ist ein „Reiz“-Thema, das nach der im Jahr 2000 erfolgten Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe auch für die Bundeswehr und damit die deutsche Gesellschaft neue Aktualität gewonnen hat.

Bereits seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde um die Verwendung von Frauen in der Bundeswehr eine eher durch Emotionalität denn Rationalität gekennzeichnete Diskussion geführt, die vor allem Stellvertreterfunktion für die Emanzipations- bzw. Militarismusdebatte hatte. Mit der grundsätzlichen Öffnung aller militärischen Verwendungen für Frauen stellt sich nun jedoch die Frage nach den Folgen einerseits für das innere Gefüge und die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte sowie andererseits für das Selbstverständnis der Soldaten und die betroffenen Frauen.

Antworten auf diese Frage versucht der renommierte israelische Militärhistoriker Martin van Creveld in seinem Buch „Frauen und Krieg“ zu geben. Creveld ist Professor für Geschichte an der Hebrew University Jerusalem sowie einer der produktivsten und provokantesten Militärschriftsteller unserer Zeit, der mit seinen vergleichenden Werken über Kampfkraft, Logistik, höhere Truppenführung und die Zukunft des Krieges international bekannt geworden ist.

Die Grundthese des in drei Teile gegliederten Buches gründet sich auf Crevelds apodiktische Gewissheit vom zeitlosen Wesen des Krieges und die Rolle der Geschlechter in ihm. Frauen sind nach seiner Überzeugung nicht genauso in der Lage, „im Krieg zu kämpfen wie Männer“ (15). Aufgabe des Mannes sei es daher ganz im Sinne der traditionellen Rollenverteilung, „die Frau zu beschützen, weil sie schwächer ist, und nötigenfalls für sie zu kämpfen“ (9).

Im ersten Teil „Frauen im Rachen des Mars“ gibt er zunächst einen Überblick, „in welcher Weise Frauen zu allen Zeiten mit dem Krieg zu tun hatten – als Anstifterinnen, Ursachen und Ziele, als Opfer oder Schutzbefohlene der Männer.“ Seine These lautet dabei, „dass Frauen in diesen Funktionen absolut unverzichtbar für den Krieg sind, ja dass man so weit gehen kann zu sagen, ohne die Frauen gäbe es keinen Krieg“ (17).

Der zweite Teil „Von den Amazonen zu GI Jane“ schildert, was Frauen im Laufe der Jahrhunderte im Krieg getan haben. Creveld kann dabei nicht genug hervorheben, dass Frauen praktisch nie gekämpft haben, während die wenigen Frauen, die aktiv am Krieg teilnahmen, in psychischer und physischer Hinsicht - gesundheitliche Schäden als Folge von Strapazen und Entbehrungen - , ihre Weiblichkeit verloren hätten. Um die fehlende Eignung der Frau für den Kriegsdienst als gleichsam naturgegebene Konstante zu begründen, scheut Creveld auch nicht vor Vergleichen mit dem Tierreich (51-54) zurück, oder er verweist auf Psychiater aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, die „behaupteten, es sei Symptom einer Geisteskrankheit, wenn Frauen sich in diesem 'männlichsten Beruf überhaupt' betätigten“ (118).

Schließlich wird im dritten Teil „1945 und danach“ detailliert in konsequent pejorativer Betrachtungsweise dargelegt, „wie dem Niedergang des Militärs der Zustrom der Frau folgte und der Zustrom der Frauen den Niedergang des Heeres weiter beschleunigte“ (18).

Crevelds zentrales Argument für die Ablehnung weiblicher Soldaten ist die relative körperliche Schwäche der Frau. Geradezu akribisch referiert er Untersuchungen, die belegen, „dass die durchschnittliche Rekrutin der US-Armee 12 Zentimeter kleiner und 14,3 Kilogramm leichter war, 16,9 kg weniger Muskeln hatte und 2,6 kg mehr Fett als der durchschnittliche männliche Rekrut“ (173). Inwieweit die durchschnittliche Körpergröße bzw. -masse tatsächlich mit der Fähigkeit, im modernen Krieg zu kämpfen, korreliert, möge sich der geschätzte Leser zum Beispiel mit Blick auf die amerikanische Niederlage gegen die im Durchschnitt ebenfalls deutlich kleineren und leichteren Vietnamesen überlegen.

Dennoch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Frauen durchschnittlich weniger Kraft und einen leichteren Knochenbau, dafür aber größere Probleme mit hohen physischen Belastungen - etwa Gepäckmärschen bei großer Hitze - haben als Männer. Das hat nicht nur zur Folge, „dass die 20 besten Prozent der Frauen sich körperlich mit den 20 schwächsten Prozent der Männer messen können“ (174), sondern bringt auch schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen mit sich. Beispielsweise erlitten Frauen in den achtziger Jahren an der US-Militärakademie West Point zehnmal so viele Ermüdungsbrüche wie Männer. Selbst bei reduzierten Trainingsanforderungen blieb das Verletzungsrisiko doppelt so hoch. So schaffte in Kanada nur ein Prozent der Frauen die Abschlussprüfung des Standardinfanterietrainings für Männer (219f).

Für die Gestaltung der Ausbildung ergibt sich daraus das Dilemma, dass entweder bei unveränderten Anforderungen ein großer Teil der Frauen verletzt ausscheiden muss oder für Männer und Frauen die Forderungen gleichermaßen gesenkt werden und am Ende „praktisch keine vernünftige Ausbildung mehr“ stattfindet (220). Ein vielfach beschrittener Ausweg ist die Ausbildung der Frauen für die gleiche Verwendung nach speziell auf ihre Möglichkeiten zugeschnittenen, physisch weniger anspruchsvollen Programmen, was in Kombination mit einer in der Regel besseren Unterbringung, besseren Rechtsstellung und der zum Beispiel in den USA nur fakultativen Teilnahme an Kampfeinsätzen einer Privilegierung gleichkommt.

Für Creveld ist klar, dass Gleichbehandlung mit Männern das Letzte ist, was Frauen wollen (238). Von entscheidender Bedeutung ist für ihn dabei das Phänomen der tatsächlichen und vermeintlichen „sexuellen Belästigung“, mit der die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Soldaten begründet wird. Angesichts der jederzeit möglichen öffentlichen Skandalisierung von „sexueller Belästigung“ müssen die Streitkräfte nicht nur beträchtliche Ressourcen für Sensibilisierungstrainings, die Ausarbeitung spezieller Vorschriften, separate Unterkünfte und Sanitäranlagen aufwenden (266), sondern haben zugleich mit der schlechten Stimmung und der abnehmenden Attraktivität militärischer Berufe bei den männlichen Soldaten zu kämpfen.

Gleichzeitig hätten die Erfahrungen mit weiblichen Soldaten, anders als manche Feministin geglaubt hat, nicht bewiesen, „dass Frauen auf gleicher Stufe stehen wie Männer“, sondern vielmehr, „dass sie ohne besonderen Schutz nicht bestehen können“ (266). Für Creveld sind die Frauen folgerichtig auch nur vordergründig in die Militärorganisation integriert, während sie in Wahrheit „im Aus“ stünden (249).

Hat Creveld mit dem Verweis auf die relative körperliche Schwäche der Frau und das Phänomen der „sexuellen Belästigung“ zwei höchst reale Probleme benannt und ausführlich erörtert, so drängt sich doch der Eindruck auf, dass es ihm tatsächlich um etwas ganz anderes geht. Denn für Creveld ist der Krieg weniger Mittel zum politischen Zweck, sondern dient in erster Linie der „Bestätigung des männlichen Selbstwertgefühls“ (139f). Während er den Frauen überlegene sexuelle und Fortpflanzungsqualitäten attestiert, sieht er die Männer vor dem Problem, „ihre Männlichkeit beweisen“ zu müssen. Daher müssten „bestimmte Felder oder Tätigkeiten als ausschließlich männlich definiert und für Männer reserviert werden“ (185). „In anderen Worten: Frauen müssen aus dem Krieg herausgehalten werden, nicht so sehr, weil sie notwendigerweise unfähig sind, daran teilzunehmen, sondern damit sie die Taten der kriegführenden Männer höher schätzen“ (190).

Dieses Plädoyer für die Beibehaltung der traditionellen Geschlechterrollen zeugt nicht nur von Machismo, sondern lässt auch den Schluss zu, dass es mit dem „männlichen Selbstwertgefühl“ des Autors möglicherweise nicht zum Besten steht.

Nach Betrachtung des Inhalts ist schließlich noch auf zwei formale Mängel des Bandes einzugehen. Zum Ersten wird es dem interessierten Leser sehr schwer gemacht, die Literatur- und Quellenbelege nachzuvollziehen. Die Anmerkungen stehen am Ende des Textes, was zu mühsamem Hin- und Herblättern zwingt. Sie enthalten zumeist nur Kurztitel, die es im Verein mit dem fehlenden Literaturverzeichnis zu einer langwierigen Arbeit machen, die bibliographischen Angaben der zitierten Schriften zu ermitteln.

Zum zweiten wäre bei Übersetzung und Lektorat eine größere Sorgfalt wünschenswert gewesen. So finden sich Sätze ohne erkennbaren Sinn, wie: „Definitionsgemäß können nur Jungen zu Männern machen“ (183). Daneben gibt es auch kryptische Aussagen wie die folgende, auf die Entstehung der stehenden Heere bezogene: „Als die gesellschaftliche Position nicht mehr vom militärischen Rang abhing, konnten Frauen nicht länger für ihre männlichen Verwandten einspringen, und die Feldherrinnen verschwanden allmählich“ (90).

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Martin van Creveld ein gut lesbares Buch mit klaren Thesen und provokanten Wertungen vorgelegt hat, das mit Sicherheit polarisieren wird, zugleich aber die mit dem Eindringen von Frauen in die Streitkräfte verbundenen Probleme klar benennt und so einen durchaus wichtigen Beitrag zu weiteren Diskussion um weibliche Soldaten leistet.

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