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Titel
Ex uno plures. Drei Studien zum postumen Persönlichkeitsbild des Alten Cato


Autor(en)
Wulfram, Hartmut
Erschienen
Berlin 2009: Verlag Antike
Anzahl Seiten
143 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Iris Samotta, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Der vorliegende Band vereint drei Studien des Bielefelder Altphilologen Hartmut Wulfram zur persona des M. Porcius Cato Censorius (234–149 v.Chr.) in der spätrepublikanischen und kaiserzeitlichen Literatur und schließlich deren Nachleben in der italienischen Literatur an der Nahtstelle zwischen Mittelalter und Renaissance. Wie schon der Titel erkennen lässt und wie Wulfram im Vorwort weiter ausführt, stehen unterschiedliche Persönlichkeitsbilder des Älteren Cato im Mittelpunkt der rezeptionsästhetischen Untersuchungen; dabei ist es Wulfram wichtig zu betonen, dass es in den Betrachtungen nicht um die historische Persönlichkeit des römischen Politikers und Schriftstellers geht, sondern um die „Catofigur“ (S. 23) bzw. um die persona im narrativen Kontext (S. 45–48). Er bezeichnet sie als „faktionale persona“ (S. 48), die der jeweilige Autor als externer Erzähler als eine Verschmelzung aus fact und fiction entwirft (S. 48 u. 77).

Das Zentrum der ersten Studie („Medienwechsel. Ciceros Cato Maior und die Gattung Dialog“, S. 9–44) bildet der ciceronische Vergangenheitsdialog Cato Maior de Senectute aus dem Jahr 44 v.Chr., dessen dramatisches Datum 150 v.Chr. auf das letzte Lebensjahr des Protagonisten Cato Maior weist (S. 19f.). Dieser „dramatische Dialog“ (S. 15) als Gattungsbeispiel dient laut Wulfram dazu, den Dialog literaturtheoretisch und rezeptionsästhetisch eng mit dem Drama zu verknüpfen (S. 9–14). Die dramaturgische bzw. szenische Unterteilung des Dialogs unterstreicht die Bedeutung des Cato Maior als ein „Monodrama“ (S. 33), wobei sich die „dramatische Illusion“ (S. 14) infolge des in der Antike üblichen „Rollenlesen[s]“ (S. 17) durch einen geübten Rezitator noch verstärkte. Die Persönlichkeit des Protagonisten Cato Maior, dessen persona in spätrepublikanischer Zeit längst zu einem Allgemeingut des kulturellen Gedächtnisses geworden war (S. 33), ließ Cicero bei der dramatischen Ausgestaltung viel Freiheit, so dass er in diesem Dialog ungehindert historische und allgemein bekannte Tatsachen aus dem Leben des Cato Maior mit seinen „persönlichen Idealvorstellungen“ eines kulturellen Philhellenismus verbinden konnte (S. 33). Ein literaturtheoretischer Vergleich zwischen den ciceronischen und den platonischen Dialogen auf einer intermedialen Rezeptionsebene rundet die Studie ab (S. 34–44).

Die zweite Untersuchung („Ein ambivalenter Weiser. Cato Censorius in den Vitae Plutarchs“, S. 45–76) stellt in einer Werkanalyse die persona des Cato Maior in den Parallelviten des Plutarch vor. Wulfram konzentriert sich hierbei besonders auf die von Plutarch hervorgehobenen Charakteristika „Rechtschaffenheit“ (S. 56–63), „Beredsamkeit“ (S. 63–67) und „punktuelle moralische Zwiespältigkeit“ (S. 45 u. 67–72) sowie auf den Vergleich mit der vita des Aristeides (S. 72–76). Hierbei arbeitet Wulfram anhand der Parallelviten heraus, dass es Plutarch weniger um die „historische“ als um die „ethologische Paßgenauigkeit“ (S. 53) geht, die der kaiserzeitliche Biograph anhand der Verknüpfung der Charakteristika seines Protagonisten mit dem äußeren Erscheinungsbild, den Aussprüchen und dem Beinamen (Priscus/Cato) anstrebt. Ähnlich wie in den ciceronischen Dialogen liegt auch hier der Befund einer „faktionalen persona“ (S. 48) vor. Insbesondere die Synkrisis dient dazu, Plutarchs „kulturell-gesellschaftspolitisches Anliegen“ (S. 76) einer intellektuellen Verschmelzung des griechischen und römischen Bildungsschatzes zu verfestigen.

In der dritten Studie („Liebe im Alter und lebenslanges Lernen. Der neue alte Cato in der Renaissance“, S. 77–109) befasst sich Wulfram mit der persona des Cato Maior in der frühen Renaissance. Dabei untersucht er anhand der beiden Themenschwerpunkte ‚Liebe und Bildung im Alter‘ die erste nachantike Studie über Cato Maior von Francesco Petrarca (De Marco Portio Catone Censorio, 1341–1343), Francesco Barbaros Plutarchus Latinus, die erste lateinische Übersetzung der vita Catonis aus dem Jahre 1416, die biographische Skizze Catos aus den Scriptorum illustrium Latinae linguae libri, einer ‚Literaturgeschichte‘ Sicco Polentons aus dem Jahre 1437, die sich auf die oben genannte lateinische Übersetzung der Catovita stützt (S. 88), und Leon Battista Albertis Spottschrift Canis von 1443, die die plutarchischen Parallelviten parodiert. Aufgrund der durchgängigen Tradition des ciceronischen Dialogs Cato Maior de Senectute, der im Mittelalter neben den im 3./4. Jahrhundert n.Chr. entstandenen Disticha Catonis als Schullektüre weite Verbreitung fand (S. 78–80), diente die idealisierte persona des Cato Maior auch in nachantiker christlicher Zeit als „moralische Autorität“ (S. 85) in Bezug auf die moralisch gute (mithin sexuell keusche) Lebensführung mit misogynischen Zügen. Erst mit den genannten Texten aus dem Trecento und Quattrocento werden die beiden „gerontologischen Aspekte“ (S. 109) genutzt, um die Catofigur wieder lebensnäher abzubilden und gleichzeitig das Griechischstudium analog zu Catos „Lernziel“ (S. 109) in das Bildungsideal der Renaissance einzubinden.

Den drei Untersuchungen schließt sich ein ausführliches und übersichtlich gestaltetes Literaturverzeichnis an, das untergliedert ist in Abkürzungen (S. 111f.), Textausgaben (Antike/Spätantike) (S. 112–114), Textausgaben (Mittelalter/Renaissance) (S. 114f.) und Forschungsliteratur (S. 115–130). Es folgt ein Stellenregister, ebenso epochenhaft geordnet (S. 131–139), ein Sach- und Personenregister (S. 140–142) und abschließend der Bildnachweis (S. 143).

Der Band erfüllt in hohem Maße die Erwartungen, die durch das Vorwort Wulframs und die jeweiligen Einleitungen der einzelnen Studien geweckt werden. Alle drei Untersuchungen können für sich stehen, aber auch im Kontext gelesen werden. Das reichhaltige Literaturverzeichnis bietet aktuelle Anregungen zum Thema der rezeptionsästhetischen Forschungen; die Forschungsdiskussion in den Fußnoten der einzelnen Studien machen aber auch deutlich, wie intensiv Wulfram sich nicht nur mit dem weitgefächerten Sujet beschäftigt hat, sondern auch die weitgestreute Forschung rezipiert hat. Die Studien zeugen jedoch nicht nur von einer imponierenden Gelehrsamkeit, Wulframs Verdienst ist es, die komplexe Themenvielfalt dem Leser klar und deutlich näher zu bringen. Dazu zählt auch die großzügige Präsentation der unterschiedlichen Quellentexte, die (sicherlich mit Blick auf den studentischen Rezipientenkreis) fast alle mit einer Übersetzung versehen sind. Positiv fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass es sich bei dem Band um eine sehr sorgfältig lektorierte Edition handelt, die auch graphisch sehr ansprechend gestaltet ist.

Insgesamt gesehen stellt der schmale Band einen wertvollen Beitrag zur literaturgeschichtlichen Forschung dar und zeigt außerdem beispielhaft, wie man epochenübergreifende Forschung auf hohem Niveau betreibt.

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