K. Lembke (Hrsg.): Zypern – Insel der Aphrodite

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Titel
Zypern. Insel der Aphrodite. Begleitband zur Ausstellung im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim


Herausgeber
Lembke, Katja
Erschienen
Anzahl Seiten
280 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

Die Insel Zypern und ihre Geschichte in archaischer und klassischer Zeit stehen nach wie vor eher am Rande des althistorischen Interesses – verglichen mit anderen Regionen des Mittelmeerraumes, die von den Griechen besiedelt und beeinflusst waren.1 Hingegen waren und sind viele Fundorte auf der Insel Gegenstand intensiver archäologischer Forschungen. Zahlreiche Funde aus Zypern werden nun im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Ausstellungskatalog beinhaltet neben den qualitativ hochwertigen Abbildungen der Exponate (S. 154–271) auch zahlreiche Einzelbeiträge namhafter Forscher zu Themen der Kultur und Geschichte der Stadtkönigtümer auf der Insel in archaischer und klassischer Zeit (S. 18–153).

Der Beginn der archäologischen Forschung auf Zypern fällt ins 19. Jahrhundert. Neben Ludwig Ross, der in den 1840er-Jahren die Insel besuchte und die Sargon-Stele für die Berliner Museen erwarb, sind der spätere Direktor des Metropolitan Museum of Art, Luigi Palma di Cesnola, dessen Forschungen eher als Plünderungen denn als archäologische Grabungen bezeichnet werden können, und Max Ohnefalsch-Richter zu nennen. Der informative Beitrag von Sabine Rogge zur Forschungsgeschichte (S. 18–25) zeigt auf, wie in der britischen Kolonialzeit (1878–1960) der Übergang zur systematischeren wissenschaftlichen Arbeit gelang, für die vor allem die wichtige Swedish Cyprus Expedition der 1920er- und 1930er-Jahre steht.2

In archaischer Zeit bestanden auf Zypern verschiedene Königtümer, die mehrheitlich an der Küste (Salamis im Osten, Kition, Amathous, Kourion im Süden, Paphos im Westen, Marion, Soloi, Lapethos, Kyrenia im Norden), teils auch im Landesinneren nahe der wichtigen Kupfervorkommen lagen (Tamassos, Idalion, Golgoi und Ledra). Die Bevölkerung der Insel setzte sich aus Griechen, Phöniziern und einer autochthonen Gruppe zusammen, die in der Forschung als „Eteokyprer“ bezeichnet wird. Im Vergleich zu Griechenland konnte sich in Zypern die auf das minoische Linear A zurückgehende Silbenschrift sehr viel länger halten, sie verschwand erst in hellenistischer Zeit. Die wohl in der späten Bronzezeit eingewanderten Griechen übernahmen die Syllabarschrift auch für ihre eigene Sprache. Erst im 4. Jahrhundert v.Chr. treten in größerer Zahl Inschriften in griechischem Alphabet (das seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. belegt ist) neben die epigraphischen Zeugnisse in Silbenschrift. Die Inschriften in eteokyprischer Sprache lassen sich nach wie vor nicht entziffern; die Phönizier benutzten ihr eigenes Alphabet. Im Beitrag von Britta Rabe zu den Schriftsystemen (S. 26–31) vermisst man allerdings einen Hinweis auf einzelne prominente Schriftzeugnisse wie beispielsweise die Bronzetafel von Idalion.

Vassos Karageorghis (S. 32–39) befasst sich mit den Bestattungssitten vom 11. bis 9. Jahrhundert v.Chr.: Während im 11. Jahrhundert mykenische Grabarchitektur recht verbreitet ist, die von Karageorghis einer Adelsschicht zugewiesen wird, scheint es danach zu einer „sukzessive[n] Abschaffung dieser aristokratischen Elite“ (S. 38) gekommen zu sein: Die „heroischen“ Bestattungssitten seien von den Königen monopolisiert worden, die zudem auch orientalische Elemente übernommen hätten. Problematisch bei dieser Interpretation bleibt allerdings die fehlende Zuweisungsmöglichkeit konkreter Gräber an Könige oder Adlige.3

Die Zuweisung der zyprischen Münzen zu einzelnen Königtümern, so erläutert Angela Berthold (S. 52–57), ist mehrheitlich nicht möglich; Ausnahmen stellen nur Salamis und Lapethos dar. Die Münzausgabe dürfte im 6. Jahrhundert v.Chr. mit Salamis begonnen haben. Bis ins 4. Jahrhundert v.Chr. blieben Silberprägungen vorherrschend; erst Euagoras I. von Salamis ließ Goldmünzen in größerem Ausmaß schlagen. Die Darstellungen stehen mehrheitlich in der Tradition griechischer Prägungen. Daneben finden sich ägyptische Elemente wie das Ankh-Zeichen, Sphingen und Lotosblüten. Die Verehrung einer weiblichen Vegetationsgottheit, die in archaischer und klassischer Zeit mit Aphrodite identifiziert wurde, wie Maria Hadjicosti (S. 112–121) in ihrem Aufsatz zur „Göttin von Zypern“ erörtert, führte auf Zypern zur Entstehung von monumentalen Kultbauten, deren bekannteste in Paphos und Kition (dort unter dem Namen von Astarte) zu finden waren. Doch auch Apollon wurde häufig verehrt, wie der Beitrag von Antoine Hermary zu den Heiligtümern auf der Insel (S. 86–91) zeigt.

Neben diesen Beiträgen zu übergreifenden Themen werden die einzelnen Stadtkönigtümer in einer Reihe von kurzen Aufsätzen vorgestellt. Die wichtigste Stadt war Salamis an der Ostküste der Insel, das im 11. Jahrhundert v.Chr. nach der Aufgabe der wichtigen bronzezeitlichen Siedlung Enkomi entstand. Vassos Karageorghis (S. 44–51) geht auf die reichhaltigen Grabfunde ein. Siedlungsreste aus vorrömischer Zeit sind hingegen kaum erhalten, was umso bedauerlicher ist, als König Euagoras I. im frühen 4. Jahrhundert v.Chr. eine rege Bautätigkeit entfaltet hatte. Das von Sabine Fourrier (S. 58–67) vorgestellte Kition, in archaischer und klassischer Zeit eine phönizische Stadt, war bereits in der Bronzezeit besiedelt. Im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. gelang es den Herrschern von Kition, die Königtümer Tamassos und Idalion in ihr Herrschaftsgebiet zu integrieren.

Amathous galt bereits in der Antike als autochthone Stadt, deren Siedlungsreste allerdings nicht vor das 11. Jahrhundert v.Chr. zurückreichen. Inschriften in eteozyprischer Sprache scheinen den autochthonen Charakter zu bestätigen, wie Antoine Hermary in seinem Beitrag (S. 68–75) zu Amathous erläutert. Das Aphrodite-Heiligtum ist epigraphisch durch zwei Weihungen des Königs Androkles identifizierbar. Ein bemerkenswerter Aspekt, auf den im Text nicht eingegangen wird, ist der griechische Name des Königs. Hatten sich die Eteozyprer schon so weit hellenisiert? Oder war die Dynastie griechisch?4 Bärbel Morstadt widmet ihre Beiträge der archäologisch wenig fassbaren Siedlung von Kourion, die in den assyrischen Listen des 7. Jahrhunderts v.Chr. erscheint (S. 92–101), und der im späten 4. Jahrhundert v.Chr. gegründeten Hafenstadt Neu-Paphos, in ptolemäischer und römischer Zeit Sitz des Statthalters (S. 102–111).

Der Reichtum und die wirtschaftliche Bedeutung im überregionalen Handel beruhten auf den Kupfervorkommen, die Hartmut Matthäus in einem Beitrag (S. 132–137) zum Bergbau bespricht. Kupfer wurde vor allem im Landesinneren bei den Stadtkönigtümern Tamassos und Idalion abgebaut, die Matthäus in einem weiteren Artikel zu diesen beiden „Zentren im Hinterland“ vorstellt (S. 122–131). Vom Reichtum und der Bedeutung der früheren Stadtkönige zeugen die reichen Grabfunde in Tamassos und die Reste eines Verwaltungsgebäudes, möglicherweise des ursprünglichen Königspalastes in Idalion. Marion schließlich war nach Viola Lewandowski (S. 138–145) aufgrund seiner Lage an der äußersten Nordwestküste der Insel auf Griechenland ausgerichtet. In methodischer Hinsicht problematisch sind die Verbindung der archäologischen Funde mit der jeweiligen politischen Ausrichtung der Stadt: So deutet Lewandowski den Rückgang der attischen Keramik in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. mit der Perserfreundlichkeit der Herrscher und erklärt umgekehrt den späteren Wiederanstieg der athenischen Importe mit einem Dynastiewechsel. Solche historischen Schlussfolgerungen aus dem archäologischen Material sind insofern nicht nachvollziehbar, als der Import und die Nutzung von Keramik keineswegs zwingend mit politischen Ausrichtungen einhergingen.

Katja Lembkes Schlussbeitrag (S. 146–153) soll die Stellung Zyperns als „Drehscheibe im östlichen Mittelmeerraum“ zwischen dem Nahen Osten, Ägypten und Griechenland erläutern, beschränkt sich dabei aber klar auf die archäologischen Zeugnisse, so dass weitergehende Aussagen über die Mentalität der Bewohner der Insel kaum möglich sind. Bei der Definition von Hellenismus als „Orientalisierung des Westens“ und „Okzidentalisierung des Ostens“ (S. 153) wäre eine klare Erläuterung der beiden Termini wie eine vertiefte Analyse der Begrifflichkeit „Hellenismus“ notwendig gewesen.5

Der Band besticht nicht nur durch seine schöne Bebilderung, sondern auch durch die mehrheitlich sehr prägnanten, kurzen Beiträge, die zahlreiche Themen zu Zypern auf der Grundlage des neuesten archäologischen Forschungsstandes aufbereiten. Dabei konnten mit Hartmut Matthäus, Sabine Rogge, Vassos Karageorghis, Antoine Hermary und anderen ausgewiesene Spezialisten gewonnen werden. Der Band eignet sich somit hervorragend als Einstieg in die Hinterlassenschaften des archaischen und klassischen Zypern.

Anmerkungen:
1 In der jüngeren althistorischen Forschung sind die zahlreichen Aufsätze von Andreas Mehl hervorzuheben, so beispielsweise zur Stellung der Stadtkönige: Andreas Mehl, Zwischen wechselnden Oberherrschaften und Unabhängigkeit, zwischen Eigenentwicklung und Import: Zyperns Stadtkönige bis um 500 v.Chr., in: Renate Bol / Kathrin Kleibl / Sabine Rogge (Hrsg.), Zypern – Insel im Schnittpunkt interkultureller Kontakte. Adaption und Abgrenzung von der Spätbronzezeit bis zum 5. Jh. v.Chr., Münster 2009, S. 191–212; Cypriot City Kingdoms: No problem in the Neo-Assyrian, Late Egyptian and Persian Empires, but why were they abolished under Macedonian rule?, in: Epeterida tou Kentrou Epistemonikon Ereunon 30 (2004), S. 9–21. Im deutschsprachigen Raum schlecht greifbar ist der umfangreiche Aufsatz von P. J. Stylianou, The Age of the Kingdoms. A Political History of Cyprus in the Archaic and Classical Periods, in: Meletai kai Hypomnemata (Archbishop Makarios III Foundation, Leukosia) 2 (1992), S. 375–530. Stylianous Darstellung ist zudem insofern nicht unproblematisch, als sie teilweise die Geschichte des klassischen Zypern aus einem postulierten Grundkonflikt zwischen Phöniziern und Griechen heraus interpretiert, eine zweifellos zu schematisierte Sicht, die zudem in den Quellen nur bedingt Anhaltspunkte findet. Der Verfasser der Rezension befasst sich im Rahmen einer Habilitation mit den Stadtkönigtümern von Zypern.
2 Deren Ergebnisse wurden in vier Bänden publiziert: The Swedish Cyprus Expedition. Finds and results of the excavations in Cyprus 1927–1931, Bd. 1–3 (von Einar Gjerstad u.a.), Stockholm 1934–1937; Bd. 4.1A (von Porphyrios Dikaios u. James R. Stewart), Lund 1962; Bd. 4.1B–C (von Paul Åström), Lund 1957–1972; Bd. 4.1D (von Lena Åström), Lund 1972; Bd. 4.2 (von Einar Gjerstad), Stockholm 1948; Bd. 4.3 (von Olof Vessberg u. Alfred Westholm), Lund 1957.
3 Auf S. 34 findet sich ein Lapsus: Das Amt des Hohenpriesters der Aphrodite, das die Könige von Paphos bekleideten, lautete nicht wanassa, wie im Text behauptet. Dieser Begriff („Herrin“) war vielmehr ein Titel, mit dem Aphrodite angesprochen wurde.
4 Die Deutung einer Inschrift im Beitrag von Pavlos Flourentzos (S. 76–85) zur Unterstadt von Amathous und ihren kaiserzeitlichen Funden ist nicht nachvollziehbar: Die gut erhaltene Inschrift besagt, dass die Polis dem „Imperator Caesar, Sohn eines Gottes“ ein Gebäude (batón) geweiht habe. Im Kommentar wird gefolgert: „Der einzige ‚Cäsar‘, der sich selbst als Gott bezeichnete, war Augustus, dessen Sohn war Tiberius. Die Inschrift bezieht sich daher auf Tiberius“ (S. 82). Nun bezeichnete sich Augustus nicht als Gott, jedoch als Sohn des Divus Iulius. Was spricht dagegen, die Weihung auf Augustus zu beziehen?
5 Vgl. zum Begriff beispielsweise Reinhold Bichler, „Hellenismus“. Geschichte und Problematik eines Epochenbegriffs, Darmstadt 1983.

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