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Titel
Vom Seriellen zur Serie - Wandlungen im DDR-Fernsehen. Die Entwicklung von fiktionalen Serien im DDR-Fernsehen mit dem Schwerpunkt auf Familienserien


Autor(en)
Pfau, Sebastian
Reihe
Materialien -Analysen - Zusammenhänge /MAZ 36
Erschienen
Anzahl Seiten
245 S.
Preis
€ 36,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joan K. Bleicher, Institut für Medien und Kommunikation, Universität Hamburg

Sebastian Pfaus nun als Buch erschienene Dissertationsschrift erhebt den Anspruch, „eine deskriptive Analyse der thematischen, dramaturgischen, qualitativen und quantitativen Entwicklungstendenzen von Familienserien im DDR-Fernsehen“ (S. 11) vorzunehmen. Dazu bedient Pfau sich eines Phasenmodells, das zunächst eine Frühphase (1952-1959), eine experimentelle Phase (1960-1967) sowie eine 3. Periode der Institutionalisierung der Serienproduktion zwischen 1968 und 1972 unterscheidet. In den Folgejahren 1973-1977 habe sich ein Schwerpunkt auf der „Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit“ angeschlossen, gefolgt von Darstellungen eines „liebenswerten“ DDR-Alltags und zunehmender Unterhaltungsorientierung in den späten 1970er-Jahren sowie der ersten Hälfte der 1980er- Jahre. Die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts bis zum Ende des DDR-Fernsehens 1991 sei dann abermals von Experimenten mit neuen Formaten geprägt gewesen.

Generelles Ziel der Untersuchung ist „eine historisch-kritische Aufarbeitung der Entwicklung fiktionaler Serien im Programm des DDR-Fernsehens. [...] Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Aufarbeitung der Entwicklungsgeschichte der Familienserien. Dieses Genre spielt vor allem deshalb eine herausragende Rolle, ‚weil es sich optimal in den Rezeptionsrahmen des Privaten’ einpasst.“ (S. 10) Pfau verweist darauf, dass durch diese Nähe der Handlung zur Rezeptionssituation der ideologische Inhalt des DDR-Fernsehens insbesondere in den Familienserien besonders wirkungsvoll vermittelt werden konnte. In seinen Analysen ausgewählter Folgen exemplarischer Beispiele aus den unterschiedlichen Phasen zeichnet er überzeugend nach, auf welche Weise zeitbezogene ideologische Vorgaben der Partei in die Serienhandlungen integriert wurden. Dabei lässt sein Phasenmodell auch unterschiedliche Genreschwerpunkte der Serienentwicklung im DDR-Fernsehen erkennen. Die Kenntnis der westdeutschen Serienangebote scheint etwas weniger ausgeprägt zu sein. So erklärt sich vielleicht die konstant falsche Schreibweise der ersten Familienserie „Unsere Nachbarn heute abend – Die Familie Schölermann“. Leider bleiben auch die eigentlich naheliegenden Theorieansätze der Cultural Studies zu impliziten Ideologien in populären Angeboten unerwähnt.

Das Untersuchungsszenario orientiert sich an einer an der Universität Halle in einem von Reinhold Viehoff geleiteten Teilprojekt der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bis 2008 geförderten Forschergruppe zur Geschichte des DDR-Fernsehens entwickelten kontextorientierten, empirischen Untersuchungsmethode. Sie soll einen Brückenschlag zwischen Kulturwissenschaft und Soziologie leisten. Die umfangreich vorgestellten Fragebögen der empirischen Erhebung spielen jedoch für die Gesamtargumentation eine nur vergleichsweise geringe Rolle. Es dominiert der kulturwissenschaftliche Zugriff, der vor allem die Inhalte, die Figuren und die jeweiligen impliziten und expliziten Bedeutungen herausarbeitet und dabei auch die Intentionen und Organisationen der Produktion berücksichtigt.

Pfau verweist auf die unterschiedliche Bedeutung des seriellen Erzählens in der west- und ostdeutschen Fernsehlandschaft. Generell stand beim Fernsehen der DDR „nicht Profitoptimierung, sondern die Vermittlung ideologischer Vorgaben der Staatsführung“ (S. 9) im Mittelpunkt. Bei der quantitativen Erhebung fehlen wichtige Kategorien wie etwa das berufliche Kollektiv. Die Klärung des Serienbegriffs bleibt an der deutschen Forschung (Mikos, Hickethier) orientiert und blendet die amerikanische Diskussion (unter anderem Newcomb) aus. Pfaus Ausführungen zur Kulturgeschichte des seriellen Erzählens hätte ebenfalls von der umfassenden Dissertationsschrift Christine Mielkes zu diesem Thema profitieren können.1

Die Ergebnisse der Sendungsanalysen münden in eine Zusammenfassung der Entwicklungstendenzen. In der ersten Phase dominieren nach Pfau „ideologisch geprägte Information- und Propagandasendungen [...] das frühe serielle Programmangebot des DDR-Fernsehens.“ (S. 224) In der zweiten Phase agieren stereotyp gezeichnete Figuren stellvertretend für die ganze Gesellschaft. „Im Mittelpunkt steht vor allem die Formung des neuen sozialistischen Menschen. Die Familie verkörpert das Leitbild des Ordnungsdiskurs.“ (S. 224f.) In der dritten Phase der Serienproduktion stehen die Aufbaujahre der DDR im Zentrum, was Pfau vor allem mit dem 20-jährigen Jubiläum der DDR erklärt. „Die Figuren haben auch weiterhin einen symbolhaften Charakter und erschweren damit die Identifikation des Zuschauers mit den Protagonisten.“ (S. 225) Die Familie werde nun hin zur Gesellschaft geöffnet und die Gleichberechtigung der Frau betont. „Die bereits am Ende der dritten Phase zu erkennende Annäherung an eine alltagsnahe Gestaltung“ (S. 226) setze sich auch im vierten Zeitabschnitt fort. An die Seite der Familienserien treten nun verstärkt Abenteuer- und Krimiserien. „In der fünften Phase der Serienproduktion (1978 bis 1984) verliert sich der vordergründig didaktische Charakter der Serien. Mehr und mehr werden unprätentiöse Geschichten des Alltags gezeigt.“ (S. 226) Dabei werden auch Rückzugstendenzen ins Private erkennbar. In den folgenden Jahren (1985 bis 1991) „werden die Probleme größer und tiefgreifender.“ (S. 227) Gleichzeitig sei eine stärkere Unterhaltungsorientierung zu beobachten. Neben diesen Unterschieden in den Phasen der Serienproduktion, konstatiert Pfau einen gemeinsamen Aspekt in der Thematisierung von Heimat (S. 219).

Der den Band abschließende Forschungsausblick lässt die Positionierung der Untersuchung im Rahmen der deutschen Serienforschung erkennen. Angestrebt wird nicht nur eine engere Verschränkung mit der westdeutschen, sondern auch mit der internationalen Serienentwicklung etwa im Bereich der sozialistischen Bruderländer. Trotz der genannten Mängel stellt der vorliegende Band einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der deutschen Serienentwicklung dar.

Anmerkung:
1 Christine Mielke, Zyklisch-serielle Narration. Erzähltes Erzählen von 1001 Nacht bis zur TV-Serie, Berlin 2006.

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