Titel
Frauen - Revolution - Recht. Die großen europäischen Revolutionen in Frankreich, Deutschland und Österreich 1789 bis 1848 und die Rechtsstellung der Frauen. Unter Einbezug von England, Russland, der USA und der Schweiz


Autor(en)
Majer, Diemut
Reihe
Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 5
Erschienen
Baden-Baden 2008: Nomos Verlag
Anzahl Seiten
XXXIII, 479 S.
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wolfgang Michalka, Universität Karlsruhe

Zwar lässt der französische Maler Eugèn Delacroix eine barbusige Frau als Freiheit das Volk in den revolutionären Kampf von 1830 führen, jedoch sind Revolution und Barrikadenkämpfe eindeutig Männersache. Frauen sind nur Zaungäste und wenn überhaupt, dann kugelgießende Helfer ihrer heroischen Ehemänner, wie es eine Abbildung aus dem Jahre 1848 zeigt. Vom Frankfurter Septemberaufstand 1848 berichtet eine Lithographie von der Ermordung des Paulskirchenabgeordneten Fürst Lichnowsky und des Grafen Auerswald. Im Hintergrund ist eine Frauengestalt zu sehen, die mit einem „roten“ Regenschirm auf Lichnowsky einschlägt. Es war Henriette Zobel, die für ihre Tat, die sie nie begangen hatte, mit 18 Jahren Zuchthaus bestraft wurde. Mit „roten Flintenweibern“ ist eben kurzer Prozess zu machen.

Von der deutschen Revolution 1848/49 kennen wir aber auch Emma Herwegh, Amalie Struwe und Annette Blenker, die mitten im revolutionären Geschehen standen. Aus Frankreich natürlich die gut 5.000 Pariser „Marktweiber“, die am 5. Oktober 1789 nach Versailles zogen und Brot und überhaupt die Verbesserung der katastrophalen Ernährungslage einforderten. Sie und viele andere demonstrieren mit Nachdruck, dass Frauen „als selbständig handelnde Gruppe“ längst in die Geschichte eingetreten waren. Schon deswegen ist es erstaunlich, dass – abgesehen von einigen Ausnahmen1 – die Rolle von Frauen in den europäischen Revolutionen immer noch nicht angemessen aufgearbeitet ist.

Diemut Majer schafft nun begrüßenswerte Abhilfe. Sie zeichnet wichtige Aspekte der Rolle von Frauen in den Revolutionen des 18. bis 20. Jahrhunderts nach und bestimmt deren sich verändernde Rechtslage. Dies geschieht zum einen ereignisgeschichtlich, indem Frauen als handelnde Subjekte gezeigt, zum anderen rechtsgeschichtlich, indem nach den Auswirkungen von Revolutionen auf die Rechtsstellung der Frauen gefragt wird. In diesem Sinne bewegt sich die Untersuchung in dem Dreieck Frauen, Revolution und Recht. Konstatiert wird der Einfluss von Revolutionen unmittelbar in der nachrevolutionären Gesetzgebung, aber auch nur mittelbar. Die Beteiligung von Frauen am politisch-sozialen Geschehen ist umso intensiver, je radikaler die Revolution sich entwickelte. Die Autorin unterscheidet zwei „Strömungen“ im Prozess des Umbruchs: Da gab es das „linke“ Spektrum, getragen von Unterschichten, von Kleinbürgern und Arbeitern, die vorrangig auf Verbesserung ihrer sozialen Lage aus waren. Hier beteiligten sich Frauen aktiv. Im „bürgerlichen“ Spektrum, das mehr politisch orientiert war und für Freiheits- und Gleichheitsrechte eintrat, blieben Frauen im Hintergrund.

Deutlich wird dies in Frankreich, wo der „Club der revolutionären Republikanerinnen“ 1793 zwar die politischen Ziele der Revolution unterstützte, sich aber der Commune anschloss, die sich für die Bekämpfung der sozialen Missstände einsetzte. Auch in Deutschland lässt sich eine vergleichbare Entwicklung ausmachen. In der Revolution 1848/49 engagierten sich Frauen in erster Linie sozial und karitativ, aber auch zum Teil politisch, indem sie – wie beispielsweise Louise Otto-Peters – Mitsprache im Staat forderten. Prompt wurden dann auch 1850 in Preußen Vereine „für Frauen, Minderjährige und Lehrlinge“ verboten, ein Verbot, das bis zum Inkrafttreten des Reichsvereinsgesetzes 1908 galt.

Für die Rechtsstellung der Frauen ist in den verschiedenen europäischen Ländern ebenfalls Vergleichbares festzustellen. In den nachrevolutionären, restaurativen Perioden gab es generell Einschränkungen und partielle Rücknahmen der erkämpften rechtlichen Verbesserungen. Obwohl in Frankreich das Eherecht säkularisiert, die Ehe zur Zivilehe und als Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern geschlossen und somit auch Scheidung möglich wurde, blieb es letztlich bei dem restriktiven Ehe- und Familienrecht des Code Civil, das Scheidung nur noch höchst eingeschränkt zuließ. Ebenso wurde den Frauen das politische Wahlrecht verweigert. Generell – so das Fazit – bedeutete das 19. Jahrhundert für Frauen in Frankreich einen Rückschritt.

In Deutschland ist eine ähnliche Entwicklung zu konstatieren. In der Bismarckzeit begnügte sich das Bürgertum mit der vollzogenen Reichseinheit, zog sich aus der Politik zurück und widmete sich dem wirtschaftlichen Fortkommen, begünstigt von dem rasanten Aufschwung in der Industrialisierung. Das revolutionäre Erbe verblasste, und an der Rechtstellung der Frauen änderte sich nur wenig. In Preußen unterlagen Frauen gut fünfzig Jahre einem gesetzlichen Vereinsverbot, das sich auch gegen die Arbeiterbewegung richtete. Das politische Wahlrecht wurde auch in allen anderen europäischen Ländern den Frauen beharrlich verweigert.

Die Frauenbewegung, gespalten in ein bürgerliches und ein sozialistisches Lager, vermochte im Bereich Bildung und Sozialwesen, nicht aber in der Rechtspolitik etwas ausrichten. Revolution und das Engagement von Frauen haben keine nennenswerten Verbesserungen ihrer Rechtsstellung bewirkt. Allerdings traten Frauen auf die Bühne der Politik, sie organisierten sich und leisteten wichtige Überzeugungsarbeit für ihre anstehende politische und rechtliche Emanzipation.

Anders verlief es in den angelsächsischen Ländern, aber auch in der Schweiz, wo es keine Revolution gab. In den USA konzentrierte sich die gut organisierte Frauenbewegung auf die politische Mitbestimmung (Wahlrecht), in England war die Suffragettenbewegung politisch aktiv und wurde weitestgehend von der liberalen Presse unterstützt. Nennenswerte Ergebnisse blieben aber auch dort aus.

Erst im Weltkrieg, als Frauen Männerfunktionen im Kriegsdienst zu übernehmen hatten, änderte sich ihre rechtliche Stellung. Die Revolution 1918 konnte schließlich den deutschen Frauen das allgemeine Wahlrecht einbringen, das ihnen 1891 in dem Erfurter Programm der SPD verheißen worden war. Auch im bolschewistischen Russland errangen die Frauen ihren gleichberechtigten Platz neben den Männern.

Als Ergebnis ihrer Untersuchung stellt Majer fest: Die politische Mitbestimmung von Frauen verbesserte sich nicht als Folge von Aufklärung und Vernunft, sondern erst als Resultat von „Groß“-Ereignissen, wie Revolution, Krieg und staatlichem Neubeginn. Lediglich Neuseeland, das bereits 1896 das Frauenwahlrecht einführte, bildete hier eine Ausnahme.

Die sich in unterschiedliche Gruppierung aufsplitternden Frauenbewegungen wirkten eher bremsend als förderlich auf die Verbesserung der rechtlichen Lage der Frauen ein. Sie konzentrierten sich auf Bereiche der Bildung und Erziehung und erkannten recht spät die Bedeutung des Rechts. Von Männern erhielten sie nur relativ geringe Unterstützung, so dass trotz bewundernswerter Anstrengungen die Frauenfrage nicht im 19.Jahrundert gelöst werden konnte.

Eine Dokumentation von ausgewählten zentralen Texten, meist aus dem Umfeld der französischen Revolution, und ein umfangreiches Literaturverzeichnis können diese verdienstvolle Untersuchung zusätzlich untermauern.

Diemut Majer, bekannt vor allem als Autorin der bedeutenden Arbeit zum Recht der NS-Zeit im Reichsgebiet und im besetzten Polen: „‚Fremdvölkische‘ im Dritten Reich“ (2. Aufl. München 1993; auch englisch und polnisch), aber auch als Herausgeberin von kürzlich erschienenen grundrechts- und freiheitsrechtlichen Texten, plädiert in ihrem engagierten Vorwort für die Gleichstellung von Frauen nicht nur in rechtlicher, sondern auch in sozialer und vor allem politischer Hinsicht.

Sehr eindrucksvoll schlägt sie den Bogen in die unmittelbare aktuelle Situation, die nicht nur an den deutschen Hochschulen weit entfernt ist, den von und für Frauen erworbenen Rechten Realität zu verschaffen, so dass die von Künstlern des 19. Jahrhunderts dargestellte Rechtslage der Frauen auch noch heute Gültigkeit haben kann.

Anmerkung:
1 Stellvertretend Jules Michelet, Die Frauen der Revolution, Frankfurt am Main 1984 (aus dem Franz., 1835); Gerlinde Hummel-Haasis (Hrsg.), Schwestern, zerreißt eure Ketten. Zeugnisse zur Geschichte der Frauen in der Revolution von 1848/49, München 1982.