C. Neumann: Die Renaissancekunst am Hofe Ulrichs zu Mecklenburg

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Titel
Die Renaissancekunst am Hofe Ulrichs zu Mecklenburg.


Autor(en)
Neumann, Carsten
Reihe
Bau + Kunst. Schleswig-Holsteinische Schriften zur Kunstgeschichte 15
Erschienen
Kiel 2009: Verlag Ludwig
Anzahl Seiten
616 S.
Preis
€ 38,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Steffen Stuth, Kulturhistorisches Museum Rostock

Mit der von Carsten Neumann vorgelegten kunsthistorischen Untersuchung zum Güstrower Hof Herzog Ulrichs zu Mecklenburg (1556/58-1603) liegt nun erstmals eine Gesamtdarstellung zum Charakter und zur Entwicklung dieses für die mecklenburgische und deutsche Hofforschung kunsthistorisch bis jetzt nicht erschlossenen Hofes vor. Bisher in der mecklenburgischen Historiografie zumeist im Schatten des in der Tradition der Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt gestellten Schweriner Hofes des älteren Bruders Johann Albrecht I. zu Mecklenburg (1547/49-1576) erfährt nun endlich auch der landes-, kunst- und kulturgeschichtlich bei weitem einflussreichere Hof Ulrichs die Würdigung, die seiner Bedeutung für die Landesgeschichte zukommt.

Bislang in historischen Untersuchungen zugunsten der Dominanz Johann Albrechts I. nur am Rand einbezogen oder von der Kunstgeschichte überhaupt nicht oder nur peripher beleuchtet, liegt mit Neumanns Arbeit, einer Dissertation an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, nun eine von den Quellen ausgehende kunsthistorische Bestandsanalyse vor, die zugleich das Herkommen aus Vorbildern und die Vernetzung der Güstrower Hofkunst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts untersucht. Damit ergänzt die Arbeit die vom Rezensenten 1995 durchgeführte und 1998 veröffentlichte Untersuchung zum Güstrower Hof im Rahmen einer größeren Arbeit zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert.

In der umfangreichen, mit einem eigenen Katalogteil der im Bezug zur Güstrower Hofkunst stehenden Werke der Baukunst (S. 159-252), Malerei und Grafik (S. 253-295), der Plastik (S. 296-429) und dem Kunsthandwerk (S. 430-455) sowie einem Anhang mit Dokumenten zur Kunst am Hofe Herzog Ulrichs, Darstellungen zur Wissenschaft und Kultur und einem Verzeichnis der am Güstrower Hof tätigen Künstler und Kunsthandwerker beabsichtigt der Autor der umfangreichen Arbeit einen Gesamtüberblick über das Thema zu geben, was um so verdienstvoller ist, als mit den Ergebnissen der Untersuchung erstmals eine Auseinandersetzung mit diesem bisher vernachlässigten Thema vorliegt.

Umso richtiger ist der Ansatz, den Hof Ulrichs nicht losgelöst von der europäischen, deutschen und mecklenburgischen Entwicklung zu betrachten, sondern die Güstrower Hofkunst der zweiten Hälfte 16. Jahrhundert in ihren Bezügen darzustellen.

Die ehemalige Residenz Ulrichs, die Stadt Güstrow, ist heute von den baulichen und künstlerischen Zeugnissen aus der Regierungszeit des Herzogs geprägt. Insbesondere das seit 1558 in zwei Etappen entstandene Residenzschloss und der Dom als Hofkirche sind beredte Zeugnisse von der Qualität der Hofkultur und der höfischen Repräsentation unter Ulrich. Nachfolger haben bis zum Ende des Güstrower Landesteils 1695/1701 nur partielle Hinzufügungen und Veränderungen vorgenommen, so dass trotz großer Verluste im 18. und 19. Jahrhundert dieser Aspekt der höfischen Repräsentation immer noch gut erkennbar ist. Neumann stellt die Entwicklung der Baukunst am Hof Ulrichs dar und anhand von Einzelbeispielen die Bauaufgaben des Hofes und ihre kunsthistorische Relevanz. Hierbei betrachtet er sowohl die Höfische Baukunst selbst (S. 58-69) als auch die adlige und bürgerliche Baukunst im Umkreis des Güstrower Hofes (S. 70), die von der dortigen Kunst deutlich profitierte. Einen eigenen Abschnitt widmet er der Malerei, der Grafik und den Malern am Hof (S. 71-109). Im Bereich der Plastik klärt er die künstlerischen Voraussetzungen und Vorlagen und widmet den Bildhauern am Hof einen Abschnitt (S. 114-143). Abschließend für diesen Teil der Arbeit steht das Kunsthandwerk im Mittelpunkt (S. 145-151).
Die Lücke nicht mehr in situ vorhandener, weil mobiler oder heute verlorener Ausstattungen wird in der Arbeit anhand einer Auswertung von Quellen im Landeshauptarchiv Schwerin, in der Universitätsbibliothek Rostock, in Kopenhagen und an anderen Orten ergänzt. Somit ist nun auch dieses Desiderat für weitere Forschungen erschlossen.

Der Güstrower Hof unterhielt vielfache Beziehungen zu Künstlern in und außerhalb von Mecklenburg. Wichtige Werke der Hofkunst konzentrierten sich jedoch auf einen Kreis bestimmter Künstler und Kunsthandwerker, die an den Hof gebunden waren. Carsten Neumann ordnet die Hofkunst in die kulturellen und verwandtschaftlichen Beziehungen des mecklenburgischen Fürstenhauses ein. Besonders der Kreis der verwandten Fürstenhäuser in Dänemark, Schweden, Preußen, Pommern, Schleswig-Holstein, Braunschweig-Lüneburg, Brandenburg und Sachsen ist für das Thema ergiebig. Eine besondere Bevorzugung einer Kunstgattung ist nicht zu verzeichnen. Neben der Architektur traten vor allem die Bildhauerkunst und die Malerei in Erscheinung, insbesondere bei Ensemble-Ausstattungen der Residenz in Güstrow und der fürstlichen Häuser in Dargun, Bützow, Doberan und Grabow. Auch die umfangreichen Projekte mit genealogischem und familiengeschichtlichem Bezug, an denen Maler, Bildhauer, Buchdrucker, Formenschneider und Wissenschaftler beteiligt waren, belegen die Zusammenarbeit verschiedener Künstler im Rahmen eines größeren Zusammenhanges.

Neumann klärt auch die zeitliche Einordnung der einzelnen Künste am Hof, beeinflusst vom Wechsel der Einflussrichtungen, anstehenden Aufgaben und persönlichen Vorlieben des Fürsten. Von etwa 1550 bis 1570 stand der Ausbau der Residenzen in Bützow und Güstrow und damit die Architektur im Mittelpunkt. Nach der Fertigstellung der Bauten galt die Aufmerksamkeit der Innenausstattung. Ab etwa 1570 standen die Ausgestaltung des Domes als Hofkirche und die weiterer Kirchen und Klöster im Mittelpunkt, vorrangig durch Bildhauer und Maler. Das Kunsthandwerk besaß während der gesamten Regierungszeit Ulrichs Bedeutung, erlebte aber seit den Vorbereitungen zu der zweiten Vermählung mit Anna von Pommern seine Blüte. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Autor auch den Einfluss der Herzoginnen auf die Hofkunst, hier insbesondere die der 1586 verstorbenen Elisabeth von Dänemark darstellt. Insgesamt ist zu verzeichnen, dass die Ausgaben auf Grund der von Ulrich gehandhabten Bemühungen um Konsolidierung des Haushaltes nicht ausuferten, aber dennoch Wert auf hohe Qualität gelegt wurde.

Während sich zwischen ca. 1550 und 1570 in erster Linie italienische Einflüsse, vor allem in der Architektur und in der architekturgebundenen Plastik, vertreten durch die Mitglieder der Baumeisterfamilie Parr, zeigten, waren es ab ca. 1570 bis 1600 vornehmlich Einflüsse aus den Niederlanden in allen Kunstgattungen. Die Architektur machte jedoch den größten Teil der Hofkunst am Hof Ulrichs aus. Die wichtigsten Vertreter waren der Architekt und Bildhauer Philipp Brandin und der Maler Cornelius Krommeny.

Die Bevorzugung von Themen und Gattungen sind laut Neumann direkt mit den persönlichen Neigungen und Interessen sowie der politisch-religiösen Einstellung innerhalb der Fürstenfamilie verbunden. Im Wesentlichen wurden die Genealogie und die Geschichte des mecklenburgischen Fürstenhauses, protestantische und reformatorische Themen, Porträtkunst und fürstliche Repräsentation sowie Grabmalskunst bevorzugt, mithin Themen die der repräsentativen Darstellung des fürstlichen Selbstverständnisses des Herzogs und seines Hauses dienten. Insgesamt liegt mit der Untersuchung nun eine umfangreiche und verdienstvolle Gesamtanalyse der Hofkunst unter Herzog Ulrich zu Mecklenburg vor.

Auf der Basis dieser Untersuchung wird es nun möglich sein, den Zusammenhang zwischen den Künsten am Hof und der höfischen Repräsentation genauer zu untersuchen – ein Thema, das mit der vorliegenden Arbeit noch nicht ausgeschöpft ist, jedoch immer wieder angedeutet wird, aber über ihr eigentliches Ziel hinaus geht.