M. Mehdorn: Französische Kultur in der BRD

Cover
Titel
Französische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. Politische Konzepte und Zivilgesellschaftliche Initiativen 1945–1970


Autor(en)
Mehdorn, Margarete
Erschienen
Köln 2009: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
49,90 €
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dorothee Röseberg, Institut für Romanistik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Zahlreich sind die Publikationen über die deutsch-französischen Beziehungen nach 1945. Dennoch wird seit längerer Zeit angemahnt, dass kulturgeschichtliche Betrachtungen nur vereinzelt vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist hervorzuheben, dass sich die Arbeit von Margarete Mehdorn durch zwei wesentliche Vorzüge auszeichnet: Dies ist zum einen ihr systematischer Anspruch, einen größeren Zeitraum zu untersuchen und zum anderen der Ansatz, Kulturpolitik als ein Zusammenspiel von politischen Konzepten und Leitlinien wie auch von zivilgesellschaftlichen Initiativen zu betrachten. Dieser Zusammenhang wird für die französische auswärtige Kulturpolitik auf der Basis zeitgeschichtlicher Dokumente und Quellen herausgearbeitet, die zum Teil bislang nicht zugänglich waren. Die von Mehdorn durchgeführten Recherchen in Archiven, aber auch die empirischen Vorgehensweisen in Form von Befragungen münden in eine Vielzahl von interessanten und zum Teil auch neuen Informationen.

Margarete Mehdorn zentriert ihre Fragestellungen dabei auf zwei wesentliche Problemkreise: Zum einen interessieren die Ursachen für das Entstehen eines breiten Netzes von französischen Kulturinstituten nach dem 2. Weltkrieg. Die Untersuchung der Leitlinien der französischen Kulturpolitik steht hierbei im Vordergrund. Zum anderen geht es Margarete Mehdorn um die Geschichte der Deutsch-Französischen Gesellschaften, also um jene wichtigen zivilgesellschaftlichen Initiativen, die bis heute zu den wichtigsten Organisationsformen deutsch-französischer Begegnungen mit großer Reichweite in den unterschiedlichsten sozialen Schichten gehören. Zu ihnen liegen bislang kaum wissenschaftliche Untersuchungen vor. Auf über 300 Seiten entsteht insgesamt ein detailbewusstes Panorama der institutionellen Netzwerke französischer Kulturpolitik und französischer Kultur in der Bundesrepublik.

Vermissen wird man allerdings eine zentrale Fragestellung: Was wird in den verschiedenen Zeiträumen von den verschiedenen Initiatoren jeweils unter Kultur verstanden beziehungsweise in welche Domänen reichen die Initiativen. Diese Frage ist hier nicht in einem akademischen Sinne zu verstehen, sondern zielt auf ein Grundproblem, das sich zum Beispiel auch in den verschiedenen Zuständigkeiten von Außenministerium, Kultur- und Bildungsministerium für kulturelle Fragen zeigt. Es fehlen in der Arbeit Hinweise auf die Tatsache, dass culture in Frankreich im 19. Jh. und auch noch längere Zeit im 20. Jh. anders als in Deutschland, Bildung bedeutet. So ist es auch nicht erstaunlich, dass die action culturelle bzw. die mission culturelle nach dem 2. Weltkrieg das Bildungsministerium verantwortlich einschließt. Erst auf Seite 115 erfährt der Leser, dass sich der französische Kulturbegriff um etwas 1950 gewandelt hätte und dass im Umfeld des Comité francais von einem „gewandelten und erweiterten Kulturbegriff“ ausgegangen wird, der nun nicht mehr auf Hochkultur und Eliten beschränkt sei. Dies muss den Leser erstaunen, da er in den Ausgangsthesen der Arbeit nicht mit der Frage nach dem historisch entstandenen Kulturverständnis konfrontiert wird, sondern mit der einfachen, wenn auch berechtigten These, dass in Frankreich traditionell mit Kultur Politik betrieben wird. Die Betonung des instrumentellen Charakters von Kultur für Politik wird in der Arbeit derart betont, dass kaum verständlich wird, dass sich der moderne französische Staat, insbesondere die Republik, über Bildung und Wissen, über Sprache, Literatur und Geschichte definieren. Das bedeutet, dass Kultur in diesem Sinn vor allem wesentliches Element der Selbstrepräsentation des modernen Frankreich ist. Die Sicht auf die auch mit hermeneutischen Verfahren zu bearbeitende Fragestellung nach dem Zusammenspiel von Selbstrepräsentation und auswärtiger Kulturpolitik hätte die Arbeit an Tiefe gewinnen lassen. Manche Passagen zur Besatzungspolitik oder zum Elyséevertrag, die viel Bekanntes vortragen, hätten in diesem Sinn zugunsten einer stärkeren Problematisierung zurücktreten können.

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