Hahn, Peter Michael; Kiesant, Knut (Hrsg.): Johann von Besser (1654-1729): Schriften, Bd. 1: Schrifften in gebundener und ungebundener Rede. . Heidelberg 2009 : Universitätsverlag Winter, ISBN 978-3-8253-5464-0 829 S. € 58,00

Hahn, Peter Michael; Kiesant, Knut (Hrsg.): Johann von Besser (1654-1729): Schriften, Bd. 3: Ceremonial-Acta. . Heidelberg 2009 : Universitätsverlag Winter, ISBN 978-3-8253-5465-7 574 S. € 58,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eberhard Borrmann, Gymnasium Johanneum Lüneburg

Die zu besprechenden beiden Bände bilden den Auftakt einer auf fünf Bücher angelegten Edition der Werke des brandenburgischen Zeremonienmeisters Johann von Besser. Der erste Band enthält die „Schriften in gebundener und ungebundener Rede“, der dritte die handschriftlichen „Ceremonial-Acta“. Der zweite Band wird ergänzende Texte (Disputationen, poetologische Schriften, Sachprosa, Rezeptionszeugnisse) umfassen. Ähnliches gilt für den beabsichtigten vierten Band, in dem „Memoriale, Bedencken, Projecte“ veröffentlicht werden. Ein Gesamtregister soll als fünfter Band die Reihe beschließen. Erstmals werden danach die gedruckten und ungedruckten Schriften Bessers in einer vollständigen Edition vorliegen und damit einem breiten Publikum zugänglich sein. Diese bislang kaum beachteten Quellen liefern eine wichtige Grundlage zur Erforschung der frühneuzeitlichen Hofkultur. Bessers Werk kann als ein Verbindungsglied zwischen den bürgerlichen Gelehrten und der Welt der höfischen Kultur gelten. Die beiden Herausgeber Peter-Michael Hahn und Knut Kiesant beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit Bessers Arbeiten – Hahn vorwiegend aus historischem und Kiesant aus germanistischem Interesse.

Besser wurde am 8. Mai 1654 als Sohn eines Pfarrers in Frauenburg/Kurland (heute Saldus in Lettland) geboren. 1670 begann er mit dem Theologiestudium an der Universität Königsberg, das Magisterexamen legte er 1675 ab. Nach kurzer Tätigkeit als Hofmeister eines jungen Adligen finden wir ihn nach 1680 bereits in verschiedenen Ämtern am Brandenburger Hof, so 1684/85 als kurfürstlichen Residenten in London und seit 1690 in Lüttich. Kurfürst Friedrich III. (als König ab 1701 Friedrich I.) übertrug ihm 1690 das Amt eines Zeremonienmeisters, das er bis zum Regierungswechsel von 1713 versah. Da der neue König Friedrich Wilhelm I. bekanntermaßen eine rigide Sparpolitik betrieb, sah sich Besser 1717 zu einem Wechsel an den Dresdner Hof Augusts des Starken veranlasst, wo er eine Stelle als Instructeur für die auswärtigen Gesandten inne hatte. Besser starb am 10. Februar 1729 in Leipzig.

Von der zeitgenössischen Anerkennung seiner Person legt auch der rege gedankliche Austausch mit Geistesgrößen wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Samuel von Pufendorf oder Christian Thomasius Zeugnis ab. Der humanistisch gebildete Gelehrte beriet auf der Grundlage seiner gesammelten Erfahrungen und fachlichen Kompetenz den frühneuzeitlichen Fürsten in allen Fragen der Etikette. Für das Verständnis der Ausformung der höfischen Kultur in Brandenburg-Preußen ist Besser von evidenter Bedeutung. Nicht zuletzt war er an der Gestaltung der Krönungsfeierlichkeiten Friedrichs III./I. 1701 in Königsberg beteiligt. Bessers Aufzeichnungen vermitteln dem Leser detaillierte Beschreibungen der Vielfalt verbaler und nonverbaler Handlungsmuster bei Hof.

Dem edierten Werk ist eine Einleitung der Herausgeber vorangestellt. Zum besseren Verständnis des Autors und zur Einordnung der Ausgabe beginnt die Einleitung des ersten Bandes mit einem biographischen Abriss und einem Abschnitt über die „Forschungstradition und Editionsgeschichte“. Darauf folgen Erläuterungen zum Aufbau der Werkausgabe. Den Abschluss der Einleitung bildet ein editorischer Bericht. Hier werden etwa Aspekte der Transkription und Erstdrucke behandelt.

Die Quellenedition setzt mit den bis 1711 erschienenen poetischen Texten Bessers ein. Unter ihnen findet sich zum Beispiel eine Lebensbeschreibung Eberhard von Danckelmanns aus dem Jahre 1694, eines der herausragenden Räte Friedrichs III./I. Besonders interessant ist die Darstellung der Zeremonien bei der Einweihung der für Brandenburg-Preußen und speziell für die Geschichte des Pietismus so wichtigen Universität Halle. Auf 15 Seiten schildert Besser die Einweihung dieser Bildungsstätte sowie die daran teilnehmenden hohen Potentaten. Hierbei wird die nicht nur symbolische Rolle des regierenden Fürstenhauses mehr als deutlich. Erwähnung verdient außerdem die „Einholung und Aufnehmung der Moscowitischen Groß-Gesandtschafft“ (1697?), denn gerade im Hinblick auf die spätere Entwicklung der Beziehungen zwischen Preußen und dem Zarenreich kommt dieser frühen Kontaktaufnahme große Bedeutung zu. Es schließt sich ein Kapitel mit acht „Staats-und Lob-Schriften“ an. Hier finden sich Stücke unterschiedlichsten Inhalts wie ein Gedicht über die geleistete Erbhuldigung der Stadt Magdeburg (1681), Lobgedichte auf den Großen Kurfürsten sowie einfühlsame und reflektierte, bis heute wenig bekannte Schriften zur preußischen Königserhebung 1701. Besonders erhellend dürften für den heutigen Leser die zeitgenössischen Bezüge, Analogien und Bilder sein. Diese Anspielungen deuten auf den in der höfischen Kultur der Zeit verankerten Bildungskanon hin. Darauf folgen heroische Gedichte, die herausragende Ereignisse wie die berühmte Schlacht von Warschau (1656), die Schlacht bei Fehrbellin (1675) oder die Entsendung brandenburgischer Hilfstruppen zur Abwehr der Türken 1686 nach Ungarn behandeln. Ein umfangreiches Kapitel nimmt die Leichen- und Trostschriften auf, allen voran die Leichenschrift für das Begräbnis des Großen Kurfürsten am 12. September 1688. Doch auch die eigene Familie vergaß der Autor nicht. So widmete er Texte seiner im Kindbett verstorbenen Frau, den zurückgelassenen Kindern, deren Gefühle nachzuempfinden er in einem Gedicht versuchte, und äußert sich über das eheliche Sexualleben. In weiteren Gedichten werden Mitglieder beiderlei Geschlechts des Hohenzollernhauses gewürdigt. Anders als vielleicht vermutet, stellen sie sich nicht als reine Lobgedichte dar, sondern bieten zum Teil intime Einblicke. Auf ca. 50 Seiten folgt eine Vielzahl der damals verbreiteten galanten Gedichte. Besser dokumentiert ist seine Belesenheit auch im Bereich der französischen Literatur unter anderem durch die Aufnahme der beliebten Figur des Scaramouche, dem er ein Gedicht widmet, das er elegant mit Anspielungen auf die aktuelle Situation verknüpft. Viele dieser Stücke behandeln, zum Teil durch Andeutungen, das Verhältnis zwischen Mann und Frau und die gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter.

Unter den folgenden poetischen Texten, die sämtlich nach 1711 erschienen, ist eine Vielzahl von Nachträgen zu den bereits aufgeführten Rubriken vereint. Reflektiert werden nicht nur mehr oder weniger bedeutsame Ereignisse der Geschichte, die in poetischer Form dargebracht werden und als solche Zuspruch beim Publikum fanden, wie etwa die „Eroberung der Festung Kaiserswerth“, eine Betrachtung über die Gründung des Ordens vom Schwarzen Adler oder ein Text über den Prinzen Eugen. Begebenheiten, die heute als Marginalien des Hofgeschehens erscheinen mögen, die höfische Gesellschaft und/oder das Herrscherhaus zu ihrer Zeit jedoch tief bewegten, finden hier ebenso ihren Niederschlag. Als ein Beispiel solcher poetischer Schriften sei „Uber den Tod Wachtelchens, Sr. Churfl. Durchl. Schönen Hündchens, welches in der Geburt mit seinen Jungen geblieben“ erwähnt. Die fast zeitlose Bedeutung des gezähmten Vierbeiners für den Menschen wird dadurch wieder einmal unterstrichen. Den Abschluss des ersten Bandes bilden zehn geistliche Gedichte sowie eine Anzahl von Übersetzungen aus der Feder Bessers. Hierzu zählen neben zeitgenössischen französischen Stücken, zum Beispiel über die Hochzeitsfeierlichkeiten zu Dresden 1719, über Ludwig XIV. oder über die Gelehrten, auch Übersetzungen antiker Autoren wie Vergil oder Ovid.

Im Unterschied zum ersten Band, der ausschließlich gedruckte Texte enthält, vereinigt der dritte Band ganz anders geartete Schriften, nämlich die wertvollen, bis jetzt unveröffentlichten handschriftlichen Zeremonialakten Bessers. Kontrastierend etwa zu Julius Bernhard von Rohrs mehrfach editierter „Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der großen Herren“ (zuerst 1729) haben wir es hier nicht mit einer eher theoretischen Abhandlung zu tun, sondern mit einer Dokumentation tatsächlichen höfischen Verhaltens an einem bedeutenden europäischen Hof des Barock. Der Einleitung des Bandes ist ein detaillierter editorischer Bericht mit einem Siglenverzeichnis der benutzten Aktenbestände und einem Abkürzungsverzeichnis beigegeben. Dem edierten Quellenkorpus liegen die handschriftlichen Zeremonialakten der Jahre 1690-1717 aus dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden zugrunde. Die Edition geht wort- und buchstabengetreu vor. Leider ist diese Art des Nachlasses nicht vollständig überliefert bzw. je niedergeschrieben und abgelegt worden. Mehr als gerechtfertigt erscheint die Edition der Zeremonialakten deshalb, weil diese es in nahezu einzigartiger Weise erlauben, die Werthaltungen und das Miteinander der Herrscherhäuser zu beobachten und auf Basis der Detailinformationen eigene Analysen vorzunehmen. Deutlich wird beispielsweise, wie man zeremoniale Handlungsmuster für politische Zwecke zu instrumentalisieren verstand. Die höfische Zeichensprache, die im Moment ihres Einsatzes ihre ganze Deutungsvielfalt entfächerte, konnte von Vertretern anderer Höfe beobachtet und entschlüsselt werden. Auf Grundlage der territorialen Gliederung des sich herausbildenden preußischen Staates wird räumlich nicht nur der Bereich der Berliner Residenz in den Fokus genommen. Vielmehr findet man in den hier veröffentlichten Texten alle Orte, an denen der Herrscher bzw. einzelne Mitglieder der Dynastie in unterschiedlichsten Formen agierten. Neben den zeremoniellen Abläufen werden ebenso Gesandtschaften und Herrscherreisen von Besser kommentiert und in den politischen Kontext gesetzt.

Die Funktion Bessers und der Niederschlag seiner Tätigkeit in dem hier veröffentlichten Material spiegeln den Wunsch der Dynastie nach höfischer Prachtentfaltung und Versinnbildlichung des erreichten Ranges wider. Nicht zuletzt wurde speziell für den Verfasser der Schriften erst das Amt eines Zeremonienmeisters zur Unterstreichung der Souveränität des aufstrebenden Fürstenhauses geschaffen. Keinesfalls sollte der Leser von den gleichlautenden Titeln der Akten auf ein inhaltliches Einerlei schließen. Vielmehr werden subtile Einblicke in Vorgänge am Hof wie in sein weiteres Umfeld gewährt. Familiäre Festlichkeiten des kurfürstlichen Hauses bildeten den Anlass für die Aufgaben des Zeremonienmeisters. Gleichgültig, ob sie nun in der Planung und Durchführung von Dankfesten, Hochzeitsvereinbarungen, des Empfangs oder der Entsendung von Gesandtschaften, der Gestaltung von ehelichen Beilagern oder schlicht in den so beliebten höfischen Jagden usw. bestanden – all diese vom und am Hof inszenierten Ereignisse mussten immer wieder hinsichtlich der zu verwendenden Zeichen und Symbole überprüft und gestalterisch arrangiert werden, um die Dignität des Fürstenhauses hervorzuheben. Der kleinste Fehler bzw. eine mögliche Fehldeutung konnten in den Augen der Zeitgenossen eine Zurücksetzung oder Überbetonung und – damit einhergehend – ein Präjudiz nach sich ziehen. Somit galt es für den Zeremonienmeister, sich mit den Zeremonialformen an den führenden Höfen Europas vertraut zu machen. Denn sein Einfühlungsvermögen und seine Auffassungsgabe entschieden maßgeblich darüber, wie erfolgreich das jeweilige Ereignis wurde. Gleichsam zur Selbstüberprüfung und um im Bedarfsfall Rechenschaft ablegen zu können, führte Besser oftmals ein minutiöses Ereignisprotokoll. Häufig werden von ihm die Teilnehmer der feierlichen Veranstaltungen aufgezählt. Doch auch die Hin- und Rückwege mit ihren sich bietenden Eindrücken, die Abfolge und die Wahl der Mahlzeiten, die Form der Kutschen, der gewählten Baldachine, die gewünschten Monogramme und ihre unterschiedliche Ausgestaltung, die auf den Jagden erlegte Strecke des Wildes, Niederkünfte von Hofdamen und vieles mehr fesselten sein Interesse.

Bei all dem begegnen wir ihm jedoch nicht immer nur als schlichtem Protokollanten – er vergaß auch die eigene Person nicht. Akribisch verzeichnet er in seinen Akten, wie und von wem er zu den verschiedenen Ereignissen 'traktiert' (bewirtet) wurde. Allein schon aus prosopographischem Interesse stellt der dritte Band für die Zeit um 1700 eine wahre Schatzgrube dar. Eine enorme Anzahl von Personen des höfischen Lebens in Brandenburg-Preußen und darüber hinaus wird in ihren sozialen und politischen Bezügen aufgezeigt. Der Wert des Werkes wird noch dadurch erhöht, dass Besser sich nicht auf eine oberflächliche Beschreibung der Ereignisse beschränkt. Gerade seine Liebe zum Detail verdeutlicht in einer selten anschaulichen Weise die Szenerien in der höfischen Gesellschaft. Die große Vielfalt der von ihm vor- und wahrgenommenen und niedergeschriebenen Ereignisse ermöglicht es dem Leser, sich förmlich in die Welt des Hofes hineinzuversetzen. Mag auch beim Feuerwerk oder der Musik der visuelle und akustische Reiz fehlen, so helfen doch die bis in die Einzelheiten ihrer Kleidung geschilderten Personen, sich in Ansätzen ein Bild von der höfischen Kultur zu machen.

Abschließend lässt sich sagen, dass die beiden ersten Bände der Werkedition Johann von Bessers eine Lücke in der Literatur des Barockzeitalters füllen. Gerade für das poetisch nicht eben übersprühende Brandenburg-Preußen sind die Bücher von besonderer Bedeutung. Auf der Basis der in dieser gelungenen Edition erstmals zusammengeführten Schriften entsteht das Bild eines sowohl literarisch wertvollen wie historisch aufschlussreichen Werkes, das es verdient, auf breiter Ebene wahrgenommen zu werden.

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