C. Taaks: Federführung für die Nation

Cover
Titel
Federführung für die Nation ohne Vorbehalt?. Deutsche Medien in China während der Zeit des Nationalsozialismus


Autor(en)
Taaks, Christian
Reihe
Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 20
Erschienen
Stuttgart 2009: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
664 S.
Preis
€ 82,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Susanne Kuß, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Deutschland und China – die beiden Außenseiter von Versailles – schlossen sich in den 1920er-Jahren auf der Grundlage eines gleichen Vertrages zusammen und intensivierten nach der Machtübernahme der chinesischen Nationalregierung ihre gegenseitigen Beziehungen in Form von militär-wirtschaftlichen Verträgen. Allerdings begannen sich die Beziehungen 1933 in dreierlei Hinsicht zu verändern: Zum einen vollzog die deutsche Außenpolitik eine Wende in der Fernostpolitik, indem sie den Kurs der Neutralität gegenüber Ostasien aufgab und ein stärkeres Interesse an Japan zeigte. Zum anderen begann der chinesische Regierungschef Jiang Jieshi sich über die faschistische und nationalsozialistische Ideologie zu informieren, da er sich davon eine Stärkung seiner eigenen Position versprach.1 Die Distanz der chinesischen Regierung zur deutschen Rassenideologie zeigte sich allerdings gerade darin, dass die Regierung in Nanjing keine Probleme damit hatte, politische Flüchtlinge aus Deutschland aufzunehmen. Dies führte dazu, dass sich nach 1933, drittens, Größe und Struktur der in China lebenden deutschen Gemeinde veränderte. Zu den bislang in China lebenden „Reichsdeutschen“ kamen nunmehr die exilierten Emigranten. Vor allem Shanghai entwickelte sich zu einem Dreh- und Angelpunkt für Verfolgte des Hitlerregimes, denn für einen Aufenthalt in der ausländischen Konzession bestand keine Visumpflicht. Um 1938 lebten etwa 4.500 Reichsdeutsche und 18.000 jüdische Emigranten in Shanghai. Zwischen beiden Gruppen gab es jedoch nur wenig Berührungspunkte, sie hatten jeweils ihre eigenen Netzwerke und Infrastrukturen.

Während die Emigranten schon häufig im Mittelpunkt wissenschaftlicher Arbeiten standen 2, wurde die heterogene Gruppe der Reichsdeutschen – hierzu zählten Wirtschafts- und Militärexperten ebenso wie Lehrer und Missionare – bisher eher stiefmütterlich behandelt. Die Studie von Christian Taaks ist in doppelter Hinsicht ein Novum, da sie hinsichtlich der Reichsdeutschen den Fokus darauf richtet, „wie die Medien innerhalb des spezifischen Spannungsgeflechts in China arbeiteten und wirkten“ (S. 33). Die Koordinaten des so bezeichneten „Spannungsgeflechts“ bildeten die offizielle deutsche Außenpolitik vor allem im chinesisch-japanischen Krieg und die von ihr in Form der Propaganda ausgegebenen Handlungsrichtlinien. Der Autor möchte vor allem die Frage beantworten, bis zu welchem Grade nationalsozialistische Presse- und Propagandapolitik für die deutschen Medien in China wirksam wurde bzw. werden konnte.

Als empirische Grundlage dienten die meist von deutschen Behörden geförderten Zeitschriften und Tageszeitungen für die in Ostasien lebenden Deutschen – wie die Deutsche Shanghai-Zeitung, die Deutsch-Chinesischen Nachrichten, der Ostasiatische Beobachter und Die Dschunke – aber auch der deutsche Radiosender in Shanghai, der infolge einer weltweiten „Kurzwellenrüstung“ (S. 349) eine zunehmend wichtigere Rolle spielte. Die von Taaks vorgelegten Analysen zeigen, dass die in den reichsdeutschen Medien sich widerspiegelnden Meinungen keineswegs mit den von den Behörden ausgegebenen Leitlinien identisch waren. Besonders deutlich wird dies bei der Berichterstattung über den 1937 zum Krieg eskalierten Fernostkonflikt. Obgleich die nationalsozialistische Außenpolitik ihre antichinesische und projapanische Haltung auch von den in Ostasien lebenden Reichsdeutschen einforderte, war es „für die deutschen Zeitungen in China unmöglich, die in Deutschland geübte Distanz zu halten“ (S. 428). Denn zu viele Deutsche litten unter den japanischen Angriffen, zu viele deutsche Einrichtungen waren zerstört oder beschädigt. Ihre Haltung änderte sich auch nach der japanischen Besatzung der Internationalen Niederlassung von Shanghai 1941 nicht grundsätzlich. Die Chinadeutschen befanden sich in der komplizierten Situation, dass sich ihre Regierung an die Seite Japans stellte, das sich in China als brutale Besatzungsmacht aufführte und bei Deutschen wie Chinesen sämtliches Verständnis verspielte (S. 500). Die nationalsozialistische Propaganda, welche die Japaner als Partner im Kampf gegen den Kommunismus feierte, stieß auf kein positives Echo. Vielmehr zeigten sich die Reichsdeutschen in China resistent, bevorzugten eigene Interpretationsschemata der Kriegsereignisse und folgten nicht den von der offiziellen deutschen Politik vorgegebenen Pfaden. In Zeitungen und Zeitschriften wie etwa in der Dschunke wurde zumindest 1945 Kritik zwischen den Zeilen so platziert, dass sich japanische Zensoren wie Nationalsozialisten kaum darauf beziehen konnten (S. 345).

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es der nationalsozialistischen Auslandspropaganda trotz erheblichen materiellen und finanziellen Aufwands nicht gelang, das so genannte Chinadeutschtum auf eine einheitliche Linie einzuschwören. Hingegen wird die Frage, wie die Enklave der Reichsdeutschen zwischen Nationalismus und Internationalismus lavierte – wie also etwa gerade in Shanghai Grenzen zwischen Deutschen und Chinesen bzw. Deutschen und anderen Ausländern verwischt wurden –, nur sporadisch angesprochen. Doch „Wandel und Kontinuität der deutschen Medien in China“ (S. 492) waren abhängig von den Prägungen, Einstellungen und Identitäten der in China lebenden Deutschen. Die jeweiligen Medien folgten keiner eigenen Gesetzmäßigkeit.

Allein die Lebensläufe vieler Reichsdeutschen weisen auf vielfältige übernationale Erfahrungen hin. Das zeigt ein kurzer Blick auf den als Anhang angefügten, ausgezeichneten biographisch-prosopographischen Querschnitt, auf den noch viele zukünftige Forschungsarbeiten zu den deutsch-chinesischen Beziehungen dankbar zurückgreifen werden. Allerdings hätten die hieraus zu gewinnenden Ergebnisse über diese Gruppe und ihr Selbstverständnis durchaus markanter in die Studie integriert werden können. Stattdessen aber wird viel bereits Erforschtes zu dem politischen Umfeld wiederholt – so gerade zum chinesisch-japanischen Gegensatz oder zum Fernostkonflikt.3 Zwar rechtfertigt der Autor sein Vorgehen mit den Worten, dass „die vorliegende Arbeit bewusst einen breiten Ansatz [verfolgt]“ (S. 492), doch hätte eine Einengung der Fragestellung auf einen ausschließlich neue Erkenntnisse versprechenden kulturhistorischen Bereich den Wert der Studie noch gesteigert. Das Buch ist ständig in Gefahr, als Handbuch gelesen zu werden.

Diese Anmerkungen können allerdings die Bereicherung nicht schmälern, die diese Arbeit für die Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen in den 1930er- und 1940er-Jahren darstellt. Darüber hinaus ist die Studie sehr gut zu lesen, phasenweise geradezu spannend geschrieben. Zur Lesbarkeit tragen im Übrigen auch die 39 Abbildungen bei, die schlüssig in den Text integriert sind. Christian Taaks hat ein wichtiges Buch geschrieben, auch wenn man sich manchmal weniger Breite und mehr Tiefe gewünscht hätte.

Anmerkungen:
1 Dooeum Chung, Élitist Fascism. Chiang Kaishek’s Blueshirts in 1930s China, Aldershot 2000; William C. Kirby, Images and Realities of Chinese Fascism. In: Stein Ugelvik Larsen (Hrsg.), Fascism outside Europe. The European Impulse agianst Domestic Condistions in the Diffusion of Global Fascism, New York 2001, S. 233-286.
2 Astrid Freyeisen, Shanghai und die Politik des Dritten Reiches. Auswirkungen des Nationalsozialismus auf Auslandsdeutsche in einer Vielvölkerstadt, Würzburg 2000; David H. Kranzler, Japanese, Nazis & Jews: The Jewish Refugee Community in Shanghai 1938-1945, New York 1976; Françoise Kreissler, L’action culturelle allemande en Chine. De la fin du XIXe siècle à la Seconde Guerre mondiale, Paris 1989.
3 Mechthild Leutner (Hrsg.), Deutschland und China 1937-1949. Politik – Militär – Wirtschaft – Kultur. Eine Quellensammlung, Berlin 1998; Martin, Bernd (Hrsg.), Deutsch-chinesische Beziehungen 1928-37. „Gleiche“ Partner unter „ungleichen“ Bedingungen. Eine Quellensammlung, Berlin 2003.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension