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Titel
Memento mori. Bild und Text in Totentänzen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit


Autor(en)
Warda, Susanne
Reihe
Pictura et Poesis 29
Erschienen
Köln 2011: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
353 S.
Preis
€ 47,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Zozmann, Fakultät für Geschichte, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

In ihrer 2011 erschienenen Dissertation hat es sich Susanne Warda zur Aufgabe gemacht, mit dem Totentanz eine in Europa weitverbreitete spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Kunstform zu untersuchen. Sie wählt hierzu einen interdisziplinären, zwischen Literatur- und Kunstwissenschaft angesiedelten Ansatz, indem sie das Neben- und Miteinander von Bild und Text in das Zentrum ihrer Arbeit rückt, bildet doch gerade deren Zusammenspiel ein wichtiges konstitutives Element dieses Genres.

Nach einem einleitenden Teil, der an die Bi-Medialität der Totentänze heranführt, wendet sich die Autorin den geographisch gruppierten Einzeluntersuchungen ausgewählter Beispiele zu. Sie unterscheidet hier die nieder-, mittel- und oberdeutschen Traditionslinien, ehe sie sich in einem Exkurs auch den Werken widmet, die außerhalb des deutschen Sprachraums entstanden. In einem längeren Fazit vergleicht sie das Zusammenwirken von Text und Bild in den von ihr untersuchten Fallbeispielen. Das Bildmaterial der in der Arbeit analysierten Totentänze befindet sich auf einer beiliegenden CD. Die Reproduktionen sind von unterschiedlicher Qualität, erfüllen aber zumindest ihren illustrativen Zweck. Für Detailbetrachtungen sind sie jedoch mitunter zu unscharf und/oder schlecht aufgelöst.

Ein wesentliches Verdienst von Wardas Arbeit ist es, auf die Gleichwertigkeit und die stete Interaktion von Text und Bild in den Totentänzen hinzuweisen. Beide Elemente gingen, so ihre Arbeitshypothese, eine integrale Verbindung ein, welche eine „besonders eindrückliche Realisierung des gattungsinhärenten memento mori“ (S. 13) darstelle. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt also auf den rhetorischen Strategien, der Neubewertung des Verhältnisses der beiden Komponenten Text und Bild und einer genauen Analyse von Genealogien einzelner Totentänze.

Kein geringes Problem ist es dabei, dass viele Totentänze eine sehr komplexe Überlieferungsgeschichte haben, die es nach vollständigen oder teilweisen Zerstörungen oder mehrfachen Überarbeitungen schwermacht, Rückschlüsse auf einen ursprünglichen Zustand zu ziehen. Gleiches gilt für die Unterscheidung von Monumentaltotentänzen, kleineren Bildformen und gedruckten Werken; von manchen sind nur noch die Bilder, von anderen nur noch die Texte erhalten. Warda hat sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt, mitunter auch kreative Lösungen für diese Probleme gefunden. So erhärte sich gerade an den Fällen, in denen nur Text oder Bild vorhanden sind, „die These, daß beide Aussageebenen […] für eine gelungene Umsetzung der Gattungsintentionen vonnöten“ (S. 14) seien.

Die Ergebnisse, die Warda herausarbeitet, hören zumindest aus historischer Perspektive dort auf, wo es interessant zu werden verspricht. Zwar ist es durchaus aufschlussreich, dass die rekonstruierten Abstammungsverhältnisse der Bild- und Texttraditionen in einzelnen Werken zum Teil unterschiedlich sind. Dazu gehört auch die Herausstellung von besonders wirkmächtigen Vorbildern für die einzelnen ‚Totentanzfamilien‘ – so etwa Lübeck für den niederdeutschen, Basel für den oberdeutschen Typus. Zu häufig aber für eine plausible Argumentation greift Warda zu einem entschiedenen sowohl/als auch und lässt Leserinnen und Leser einigermaßen ratlos zurück. So berichtet sie von den Text-Bild-Korrespondenzen, wie etwa bestimmten im Text beschriebenen Attributen, die dann bei den meisten Totentänzen auch im Bild zu sehen sind, auf anderen aber wiederum nicht. Das soll den generellen Befund nicht schmälern, dass das Zusammenspiel von Text und Bild in den Totentänzen „sowohl komplementär als auch in einigen Fällen deckungsgleich“ ist (S. 319). Es zeigt sich hier vielmehr erneut die schwierige Aufgabe, mit dem heterogenen Material umzugehen.

Die Suche nach solchen Strukturelementen, möglichen Gemeinsamkeiten und den Abstammungsverhältnissen ist jedoch nur die eine – literatur- und bildwissenschaftliche – Seite der Medaille. Aus historischer Perspektive wären gerade die Fragen nach den Unterschieden, den Funktionen, dem Wandel der Totentänze von Interesse. Insofern stellt Susanne Wardas Arbeit eine geradezu komplementäre Studie zur fast gleichzeitig in Rotterdam abgeschlossenen Dissertation von Rolf Dreier dar, die ihren Schwerpunkt in der Untersuchung einer dezidiert historischen Fragestellung hat und weiter in die Zeit der Konfessionalisierung ausgreift.1

Anmerkung:
1 Rolf Dreier, Der Totentanz – ein Motiv der kirchlichen Kunst als Projektionsfläche für profane Botschaften (1426–1650), Leiden 2010.

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