W. Fischer: Expansion - Integration - Globalisierung

Titel
Expansion - Integration - Globalisierung. Studien zur Geschichte der Weltwirtschaft


Autor(en)
Fischer, Wolfram
Herausgeber
Erker, Paul; Volkm, Heinrich
Reihe
Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 125
Erschienen
Göttingen 1998: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
286 S., 2 Schaub., 9 Tab.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
PD Dr. Oskar Schwarzer, Lehrstuhl für Wirtschafts-und Sozialgeschichte, Otto-Friedrich-Universität Bamberg,

Der von Paul Erker und Heinrich Volkmann herausgegebene Sammelband beinhaltet 14 Aufsätze von Wolfram Fischer aus den Jahren 1974 bis 1997, die sich entweder mit Aspekten der überregionalen/internationalen Wirtschaftsbeziehungen in den letzten vier Jahrhunderten befassen, international vergleichend die Voraussetzungen für eine Intensivierung des internationalen Handels und angemessene Partizipation einzelner Länder an der Weltwirtschaft herausarbeiten oder aus spezifisch deutscher Perspektive die wirtschafts- und sozial(politische) Entwicklung unter der Berücksichtigung internationaler Ordnungs- und Wachstumsfaktoren darstellen:

Markt- und Informationsnetze in der (neuzeitlichen) Wirtschaftsgeschichte des atlantischen Raums; Dimension und Struktur der Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert; Die Ausbreitung des europäischen Rechts als Voraussetzung für die Entstehung einer europazentrischen Weltwirtschaft; Wissenschaft, Technik und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland seitdem 18. Jahrhundert; Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Währungsordnung vor dem Ersten Weltkrieg (1870-1914); Auslandsanleihen im Zeitalter der "Hochindustrialisierung" (1880-1914). Großbritannien und Frankreich als Kapitalgeber der Welt; Deutschland in der Weltwirtschaft des 19. Jahrhunderts; Die Rohstoffversorgung der europäischen Wirtschaft in historischer Perspektive; Die Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert. Beharrung und Wandel; Weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die ökonomische und politische Entwicklung Europas 1919-1939; Die Weimarer Republik unter den weltwirtschaftlichen Bedingungen der Zwischenkriegszeit; Die Entwicklung der Weltwirtschaft seit 1945 im historischen Vergleich; Wirtschaftswachstum, Technologie und Arbeitszeit von 1945 bis zur Gegenwart; Wirtschaftssystem und Lebensstandard: Ein internationaler Vergleich. Eine Einleitung der Herausgeber, eine Publikationsliste Fischers sowie das Verzeichnis der ersten Druckorte komplettieren den Band.

Es ist wenig sinnvoll, das allgemein anerkannte Werk Fischers - fast alle der vorgelegten Beiträge wurden schon einmal nach der Erstpublikation bei Rezensionen berücksichtigt - hier einer weiteren detaillierten Bewertung zu unterziehen. Insgesamt ist die Zusammenstellung der Beiträge verdienstvoll, weil dadurch ein Reader zur internationalen Wirtschaft, ausgehend von den in Westeuropa entwickelten Instrumenten und Handelstechniken bis zur neuerlichen Verdichtung der weltwirtschaftlichen Beziehungen in der Gegenwart, vorliegt.

Der im Titel in Analogie zum Predöhlschen Schema der weltwirtschaftlichen Entwicklung an Stelle der Intensivierung bei Andreas Predöhl gewählte Begriff der Globalisierung wird von Fischer in seinem 1997 erschienenen Beitrag "Dimension und Struktur der Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert" für eine langfristig angelegte historische Konzeption handhabbar und pragmatisch als ein Zusammenfügen "unterschiedlicher Fragmente von sehr verschiedener Größe und Dichte des Wirtschaftsverkehrs zu einem globalen Netz" (S. 36) beschrieben.

Fischer ist in der jeweiligen Entstehungszeit seiner Aufsätze und der damaligen Wahl der Indikatoren nicht zuzurechnen, daß er zum aktuellen Phänomen der Globalisierung keine Stellung nimmt. Bis vor kurzem wurde das Wachstum der Weltwirtschaft entweder unter Konvergenzphänomenen oder denen des intraindustriellen Handels thematisiert.

Festzuhalten bleibt aber, daß zum einen der Begriff der Globalisierung in der Wirtschaftswissenschaft trotz der diffusen Verwendung des Schlagwortes in der öffentlichen Diskussion und der vielfältigen Ergänzungen deskriptiver Art in manchen Nachbardisziplinen einen klaren, logisch strukturierten Inhalt hat, und zum anderen diese Thematik in dem Sammelband aus den notwendigerweise anderen Entstehungsgründen der Beiträge nicht thematisiert ist. Dies schmälert nicht den Nutzen des vorliegenden Sammelbandes: weder für Historiker noch für gegenwartsbezogene Forschungen. Gerade für aktuelle Fragestellungen können aus den wirtschaftshistorischen Analysen Fischers in vielfältiger Art Analogien eingearbeitet werden, was auch zur Klärung aktueller Forschungsdesigns dient. Dennoch, und dies ist der erste Kritikpunkt, bedeutet die gewählte Begrifflichkeit im Titel, daß ein nicht unerheblicher Anteil des dadurch angekündigten Themenfeldes, auch unter Berücksichtigung der Einleitung der Herausgeber, unberücksichtigt bleibt. Ein wünschenswerter, empirisch und historisch fundierter Beitrag zur laufenden Globalisierungsdebatte ist nicht enthalten.

Die in der Einleitung als ein möglicher Forschungsansatz festgestellte Kontinuität der Entwicklung in der Weltwirtschaft in mittel- und langfristiger Perspektive, dies ist der zweite Kritikpunkt, ist ohne Ergänzungen durch regionale Anpassungsphasen vielfältiger Art, Strukturwandel in den Produktpaletten und Fertigungsstrukturen der Unternehmen und Branchen zu global und nur partiell erklärungshaltig.

Gleichfalls ist zu fragen, ob die wegen dieser postulierten Kontinuität schmalen Handlungsspielräume (von wem, vermutlich der zentralstaatlichen Politik), welche auf das ständige Nutzen jedweder Marktchancen durch Unternehmer weltweit zurückzuführen ist, auf eine unüberwindbare Dominanz der Märkte zurückzuführen sind, oder aber auf die gewachsenen Verblockungen und die fehlende Flexibilität im politischen und administrativen Subsystem selbst. Dadurch blähen sich nicht-intendierte Nebenwirkungen, denen das Korrektiv des Wettbewerbs fehlt, zu starren Anrechts- und Kostenstrukturen auf, welche im Zeitverlauf die Anpassungsmöglichkeiten, beispielsweise der Sozialsysteme, reduzieren.

Dies hat wenig mit schmalen Handlungsspielräumen zu tun, die durch weltwirtschaftliche Zwänge hervorgerufen werden. Beschleunigungs- und Intensivierungsphasen im internationalen Wirtschaftswettbewerb decken solche Verkrustungen nur unnachgiebig auf.

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