W. Trapp: Kleines Handbuch der Münzkunde

Titel
Kleines Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland.


Autor(en)
Trapp, Wolfgang
Erschienen
Ditzingen 1999: Reclam
Anzahl Seiten
319 S.
Preis
€ 7,60
Georg Vogeler, LMU München

Numismatiker sind die Leute, die sich freuen, eine nie in Gebrauch gekommene Muenze aus einer fehlerhaften Praegung zu besitzen, oder? Wolfgang Trapp belegt mit seinem Kleinen Handbuch der Muenzkunde und des Geldwesens in Deutschland, dass das ein Vorurteil ist.

Nach einer kurzen Klaerung des Begriffes 'Geld' (Definition, Funktion, Entstehung, Arten und Ordnung) widmet sich der Text zunaechst der Technik der Muenzherstellung (Begrifflichkeit, Stoffe, Edelmetallgehalt, Form und Gewicht, Muenzbild, Herstellung, Muenzrecht, Muenzfuss, Muenzwaagen). Dieser Teil ist unter modernen historischen Fragestellungen ungewohnt ausfuehrlich, was sich vielleicht durch die Biographie des Autors erklaert, der bis 1983 in fuehrenden Positionen der Eichverwaltung arbeitete. Gegenueber der Ausfuehrlichkeit im technischen Teil wirken die zwar deutlich umfangreicheren Teile zur Muenz- und Geldgeschichte sowie zur Geschichte der Preise und Loehne beinahe oberflaechlich. Das ist jedoch kein Grund zur Kritik, denn Trapp waehlt aus dem nicht geringen numismatischen Schrifttum die etablierten Einschnitte und Informationen aus. Die Muenzgeschichte des Mittelalters wird geordnet in die Pfennigzeit nach der Muenzreform Karls des Grossen und die Zeit der grossen Muenzen seit dem 13. Jahrhundert, die grossen Silbermuenzen Groschen und Kreuzer, die italienischen Goldmuenzen Zechine, Dukat und Floren und ihre mitteleuropaeische Nachahmung. Ob dabei der als Rechnungswaehrung im Spaetmittelalter weit verbreitete ungarische Gulden nicht neben dem rheinischen Gulden haette Erwaehnung finden koennen, ist eine Frage, die der Autor eines 'Kleinen Handbuchs' wohl nur mit einem Hinweis darauf beantworten wuerde, dass er ohnehin schon so vieles haette weglassen muessen.

Fuer die Fruehe Neuzeit stehen Taler, Reichmuenzordnungen und die Zeit der Kipper und Wipper. Trapp laesst die Fruehe Neuzeit mit den Neuordnungen des Muenzwesens in Preussen und Sueddeutschland in der Mitte des 18. Jahrhunderts enden. Das wird wohl nur Puristen stoeren, da mit der Teilung zwischen der norddeutschen Taler- und der sueddeutschen Guldenzone das Waehrungssystem entstand, das bis zur Einfuehrung der Mark des Deutschen Reiches 1873 gueltig war. Ausfuehrlicher werden das 19. Jahrhundert und die Zeit nach dem 1. Weltkrieg dargestellt, wo die politischen Massnahmen wie Muenzvereine, Einfuehrung der Goldmark im Deutschen Reich, das Ende der Inflation mit Rentenmark und Reichsmark sowie die Waehrungsreformen in Ost und West nach dem 2. Weltkrieg die markanten Einschnitte bilden, um die herum Trapp die Zustaende im Muenz- und Geldwesen beschreibt. Der Abschnitt des Handbuches zur Geldgeschichte endet konsequent mit Informationen zu den bargeldlosen Zahlungsformen der Gegenwart (vom Scheck bis zum elektronischen Zahlungsverkehr).

Auch den vierten Teil des Handbuchs, der sich der Geschichte von Preisen, Loehnen und Kaufkraft widmet, leitet Trapp mit allgemeinen Ueberlegungen ein, die neben der verwendeteten Begrifflichkeit die Problematik der Methoden zur Ermittlung des Geldwerts in den Vordergrund stellen und so vor Vereinfachung warnen. Gut sichtbar werden die methodischen Probleme auch gleich in den Abschnitten ueber das Mittelalter: Erst im 15. Jahrhundert steht in ausgewaehlten Regionen ausreichend Material zur Verfuegung, Typen zu bilden und einen Vergleich zu wagen. Die Zusammenfassung Trapps zeigt einmal mehr, dass die wirtschaftshistorische Forschung sich immer noch auf regionale Ergebnisse beschraenkt, eventuell sogar die Hoffnung auf verallgemeinerbare Ergebnisse durch systematischen Vergleich unberechtigterweise aufgegeben hat. Ausfuehrlicher kann Trapp dann fuer die Fruehe Neuzeit und insbesondere das 19. und 20. Jahrhundert werden, fuer das er umfangreiche Tabellen anbietet. Er interpretiert die Zahlen als einen Hinweis darauf, dass in der Zeit vor dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg die Kaufkraft der Einkommen stieg. Die Einbrueche der Notzeiten und Inflationen unterbrachen in seiner Sicht diese Entwicklung, die sich in der ersten Haelfte des 20. Jahrhundert unter anderem darin niederschlaegt, dass wenigstens der Spielraum fuer nicht lebensnotwendige Ausgaben steigt. Das Kapitel - und damit auch der erzaehlende Teil des Handbuchs - schliesst thematisch voellig ueberraschend damit, den Weg zur gemeinsamen europaeischen Waehrung zu beschreiben. Diese sehr nuechternen Informationen werden klar und gut gegliedert dargestellt und sachdienlich mit Abbildungen, Tabellen und Grafiken visualisiert. Dem Handbuch sind ein auf die zentralen Begriffe beschraenktes Glossar, eine Zeittafel, praktische Hinweise zu Abkuerzungen und palaeographischen Zeichen im Muenzwesen beigegeben. Das Literaturverzeichnis bietet neben der alphabetischen Liste auch Verweise auf die in den einzelnen Kapiteln verwendete Literatur, die jedoch eher muehsam ueber ein Zahlensystem zu suchen ist. Einem Handbuch haette es m.E. entsprochen, den Zugriff auf die weiterfuehrende Literatur ebenso zu erleichtern, wie das nach dem Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen angefuegte Register ausfuehrlicher zu gestalten. Trapps Handbuch listet ausfuehrlich den Fuss einzelner Muenzen oder die Preise unterschiedlicher Waren in umfangreichen Tabellen auf, ist also ingesamt sehr zahlenlastig. Gesetzliche Regelungen bilden den Kern der Darstellung gerade fuer die neuere Zeit.

Schade ist, dass Trapp nicht nach den Bildern auf den Muenzen oder nach der Bedeutung des Geldes im Alltag fragt, sondern haeufig genug pauschal von 'Ablehnung' und 'Annahme' einer neuen Muenze, des Papiergeldes usw. spricht, wo eine genauere Darstellung derartiger Vorgaenge doch ein interessantes Bild vom Umgang der Menschen in der Vergangenheit mit ihrem Geld gezeichnet haette. Das Buch bestaetigt naemlich in keiner Weise das Vorurteil, dass Numismatiker sich nur fuer antiquarische Auflistungen interessieren, zu welcher Zeit wo welche Muenzen gepraegt wurden, sondern es ist eine um eine Geschichte der Verwendung des Geldes in seiner oekonomischen Dimension - kurz der Geschichte der Preise, Loehne und Kaufkraft - erweiterte kleine Geldgeschichte in Deutschland, nicht mehr und nicht weniger.

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