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Titel
Partisaninnen. Widerstand in Jugoslawien (1941-1945)


Autor(en)
Wiesinger, Barbara
Reihe
L'Homme Schriften 17
Erschienen
Anzahl Seiten
173 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marc Zivojinovic, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt

Mit ihrer Studie zu den jugoslawischen Partisaninnen legt Barbara Wiesinger die erste deutschsprachige Monographie zu einer bislang wenig erforschten Thematik vor. Dabei spielten Partisaninnen für das Gelingen des kommunistisch dominierten „Volksbefreiungskrieges“ eine nicht zu unterschätzende Rolle und wurden im Rahmen der Selbstdarstellung des sozialistischen Jugoslawiens nicht nur im Genre des Partisanenfilmes glorifiziert, sondern auch als Ausweis einer bereits im Kern der jugoslawischen Revolution angelegten Emanzipation der Frauen angeführt. Ihre Studie stützt Wiesinger vor allem auf 15 Interviews mit ehemaligen Partisaninnen, die sie zwischen 2003 und 2005 geführt hat. Die Arbeit ist übersichtlich in sechs Kapitel gegliedert und konzentriert sich auf vier Themenkreise, die die weibliche Widerstandsbewegung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

In der Einleitung ihres Buches (Kapitel 1) verweist Wiesinger kurz auf ihre methodischen Ansätze, mit denen sie ausgehend von einer „kritischen Militärgeschichte“ (S. 11) zeigen möchte, dass „Krieg eine stark geschlechtlich kodierte Praxis ist“ (S. 12). Außerdem geht sie auf die von ihr genutzten Quellen und den Forschungsstand ein, woran sich eine Darstellung des Kriegsverlaufes in Jugoslawien von 1941-1945 anschließt (Kapitel 2), der den Stand der Forschung in knapper Form referiert.

Daraufhin steigt Wiesinger in die eigentliche Untersuchung ein und fragt nach der Rolle der Frauen im Widerstand (Kapitel 3), den sie in den Dimensionen des zivilen, bewaffneten sowie des politischen Widerstands untersucht. Leider fallen die Betrachtungen mit jeweils nur vier bis fünf Seiten sehr knapp aus, so dass eine tiefergehende Diskussion der einzelnen Widerstandsparadigmen nur in Ansätzen gelingt. In diesem Zusammenhang wichtige Fragen, etwa nach der Bedeutung des Antifaschistischen Frauenbundes (AFŽ) für die Kämpferinnen werden angeschnitten, jedoch nicht umfassender erörtert.

Der Schwerpunkt des vierten Kapitels liegt auf den Aufgaben der Sanitäterinnen und Ärztinnen in der „Volksbefreiungsarmee“ Jugoslawiens, insbesondere auf deren Tätigkeiten innerhalb der Partisanenarmee, ihrem Status und der propagandistischen Darstellung der Frauen. Zwar gelingt es Wiesinger hier, die eingeschränkten Möglichkeiten von Frauen jenseits der ihnen zugewiesenen Rollen als Sanitäterinnen und Ärztinnen, die sie auf eine „traditionsverträglichere Rollenverteilung“ (S. 61) zurückführt, aufzuzeigen. Die Verweise auf propagandistisch genutzte Denkfiguren und Motive, die den Mut und die Selbstlosigkeit der Partisaninnen in den Vordergrund stellten (S. 58) oder diese gar zu „Repräsentantinnen einer besseren Zukunft“ (S. 61) stilisierten, bleiben in dem Zusammenhang jedoch kursorisch.

Überzeugender gelingen die Ausführungen des fünften Kapitels. Nach Darstellung der Kontroversen um die weibliche Beteiligung am bewaffneten Widerstand wird die Rolle der Frau als Kämpferin beleuchtet. Die Möglichkeit, sich aktiv in den kämpfenden Verbänden zu engagieren, „wurde Frauen in regional unterschiedlichem Ausmaß gewährt“ (S. 65). Während die serbischen Partisaneneinheiten schon 1941 Frauen in ihre Reihen aufnahmen, ermöglichte es die kroatische Armee- und Parteiführung Frauen erst auf Druck der AFŽ und des kommunistischen Jugendverbandes (SKOJ) ab Mitte 1942 kämpfend teilzunehmen, während sich eine breitere Beteiligung von Frauen in Mazedonien nicht vor 1943 belegen lässt. Die individuellen Motive der Frauen, die Wiesinger anhand der geführten Interviews rekonstruiert, sind angesichts der Gräueltaten der Okkupanten und einheimischen Kriegsgegner wenig überraschend: Neben Selbstverteidigung war Rache eine starke Motivation (S. 73). Wiesinger vermag eindrücklich aufzuzeigen, wie es den Frauen gelingen konnte, trotz Krieg und Terror – durch Überwindung männlicher Beharrungskräfte – „die Grenzen ihrer herkömmlichen Rollen zu überschreiten“ (S. 75). Diesen Befund relativiert Wiesinger jedoch im abschließenden Kapitel, wo sie ohne hierfür Belege anzuführen zu dem Schluss gelangt, dass die Partisaninnen „stets von männlichen Entscheidungsträgern instrumentalisiert wurden“ (S. 134).

Einen Einblick in den Alltag der Partisaninnen verspricht das sechste Kapitel. Anstrengungen und Entbehrungen werden ebenso geschildert wie Fragen der Bekleidung und Ausrüstung. Auch soziale Aspekte untersucht Wiesinger mit Blick auf Kameradschaft, Freundschaft und Sexualität. Hierbei stehen die Aussagen der Interviewpartnerinnen im Vordergrund, die oftmals ein (selbst-)idealisierendes Bild ihrer Erfahrungen zeichnen. Der Leser erhält Einblicke in den Wertekanon von Verantwortungsgefühl, Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, Solidarität und Tapferkeit, der den Partisaninnen abgefordert wurde (S. 111). Dabei werden Brüche in den biographischen Konstruktionen nur selten konturiert, was insbesondere im Unterkapitel über Gewalterfahrungen deutlich wird. „Über ihr eigenes Gewalthandeln allerdings schwiegen selbst ehemalige Kämpferinnen aus Gründen, über die nur spekuliert werden könnte, weitgehend.“ (S. 130) Auch wenn unterschiedliche Gründe für das Schweigen in Betracht kommen, macht es sich Wiesinger an dieser Stelle etwas zu einfach, zumal unklar bleibt, ob ihre Interviewtechnik geeignet war, Erkenntnisse über selbst ausgeübte Gewalt zu generieren. Dieser Punkt zeigt eine zentrale Schwäche in der Methode Wiesingers, die zwar die Ausführungen ihrer Gesprächspartnerinnen kommentierend deutet, aber nur selten kritisch hinterfragt oder durch kontrastierende Quellen relativiert und ergänzt.

Das abschließende, leider sehr kurze siebte Kapitel zieht unter der Überschrift „Widerstand und Emanzipation“ ein Resümee. Wiesinger deutet die Beteiligung der Frauen am Partisanenkrieg weniger als einen umfassenden Emanzipationsschub, wenngleich sie bemerkt, dass „sich die gesellschaftliche Stellung von Frauen in Jugoslawien nach 1945 grundlegend veränderte“ (S. 134), sondern eher als „Akt der Notwehr“. Dies deckt sich mit den Befunden aus der Studie von Barbara Jancar-Webster, deren Untersuchung jedoch auf einer breiteren und somit repräsentativeren Basis von Interviews beruht.1 Wie Julie Wheelwright weist Wiesinger die These entschieden zurück, dass die Partisaninnen als kämpfende Frauen „einen historischen Wandel im Verständnis der Geschlechterdifferenz bewirkten“.2 Hier zeigt sich ein Widerspruch in der Bewertung der emanzipatorischen Bedeutung der weiblichen Kriegsbeteiligung. Wenngleich die Motive der Partisaninnen sicherlich vielschichtig und oft persönlicher Natur waren, so bleibt Wiesinger die Antwort schuldig, welchen Einfluss auf die Emanzipation die Partisaninnen letztendlich hatten. Gerade die unmittelbar beteiligten Frauen, die nach dem Krieg in verantwortungsvolle politische und gesellschaftliche Funktionen aufrückten, belegen, dass es in bestimmten gesellschaftlichen Segmenten zu einem neuen Rollenverständnis gekommen ist.

Barabara Wiesinger ist ein gut lesbarer Überblick über die weibliche Beteiligung am Kampf der jugoslawischen Partisanen gelungen. Ihr Bezugsrahmen erstreckt sich neben den Interviews auf Sekundärliteratur und Quelleneditionen, da ihr der Zugang zum Militärhistorischen Archiv in Belgrad nicht gestattet wurde. Diese Klippe hätte die Autorin durch die Nutzung von Archivbeständen aus anderen Archiven Serbiens oder anderer Republiken Ex-Jugoslawiens sicherlich umschiffen können. Methodisch bietet sie kaum einen anderen Zugang als die wenigen, aber einschlägigen Arbeiten zum Thema aus dem englischsprachigen Bereich, die zudem denselben zeitlichen Rahmen in den Blick nehmen.3 Unklar bleibt, nach welchen Kriterien die 15 Interviewpartnerinnen ausgewählt wurden, da auffällt, dass fast alle aus der Wojwodina bzw. aus Serbien stammen und die meisten zumindest kurzzeitig in Lagern inhaftiert waren. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede im Umgang mit den Kriegsteilnehmerinnen wäre hier eine breitere Basis von Befragten wünschenswert gewesen. Wenngleich es also weiterer Forschung bedarf, neue Erkenntnisse aus den Archivmaterialen zu generieren, lässt sich Wiesingers Buch, das auf ihrer 2005 mit dem Herbert-Steiner-Preis ausgezeichneten Dissertation beruht, als Einstieg in die Thematik empfehlen.

Anmerkungen:
1 Vgl. Barbara Jancar-Webster, Women & Revolution in Yugoslavia 1941-1945, Denver 1990; Mary E. Reed, Croatian Women in the Yugoslav Partisan Resistance 1941-1945, Berkeley 1980.
2 Julie Wheelwright, Amazons and Military Maids. Women Who Dressed as Men in Pursuit of Life, Liberty and Happiness, London 1989, S. 78.
3 Vgl. Anmerkung 1.

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