A. Laufs u.a.: Das Eigentum an Kulturgütern aus badischem Hofbesitz

Cover
Titel
Das Eigentum an Kulturgütern aus badischem Hofbesitz.


Autor(en)
Laufs, Adolf; Mahrenholz, Ernst Gottfried; Mertens, Dieter; Willoweit, Dietmar; Rödel, Volker; Schröder, Jan
Erschienen
Stuttgart 2008: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
LXVIII, 343 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cajetan von Aretin, München

Der Hintergrund dieses Buches ist ebenso brisant wie seine Thesen. Denn es ist das Staatsgutachten im sogenannten „Kulturgüterstreit“, das die Landesregierung von Baden-Württemberg bei der „Expertenarbeitsgruppe Eigentumsfragen Baden“ in Auftrag gegeben hat und das nun als Buch publiziert ist. Erstaunt hat schon das Anliegen, das „Eigentum an den Kulturgütern aus badischem Hofbesitz“ zu klären. Denn eigentlich galt die Eigentumsfrage als geklärt, nachdem der Badische Staat 1919 die Domänen erworben und 1930 den größeren Teil der Kunstwerke angekauft hatte. Dennoch kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich seit 1918 fast alle Beteiligten an dieser Eigentumsfrage geirrt haben.

Die Ergebnisse ihrer Analyse haben die Autoren in eine Gliederung zusammengefasst, die nach einer Einleitung zwei große Teile enthält, „Rechtliche Grundlagen zur Klärung der Eigentumsfragen“ und „Folgen für die einzelnen Vermögensgegenstände“. Der erste Teil analysiert in drei Kapiteln die Rechtslage bis zur Revolution von 1918 und in drei weiteren Kapiteln eventuelle Eigentumszuordnungen nach der Revolution. Der zweite Teil ordnet nach diesen Ergebnissen die Kunstsammlungen ihrem Aufenthaltsort entsprechend zu und beleuchtet dann weitere Objektgruppen, um schließlich „Vorkaufsrechte und prozessuale Durchsetzbarkeit“ zu behandeln. Abschließend werden die Ergebnisse der beiden Teile zusammengefasst.

Das wissenschaftliche Schwergewicht des Gutachtens liegt im ersten Teil. Dabei stellt sich zunächst die Frage, warum die Ausführungen der Autoren bis weit in die frühe Neuzeit zurückgehen, obwohl Paragraf 59 der Badischen Verfassung 1818 die Domänen als „unstreitiges Patrimonialeigenthum des Regenten und seiner Familie“ festlegt und dies nach Meinung der Kommission die Kunstsammlungen mit einschließt. Begründet wird mit einem Verweis in der selben Norm auf die „allgemein anerkannten Grundsätze des Staats- und Fürstenrechts“, die das „Patrimonialeigenthum“ eingeschränkt hätten (S. 8). Angesichts des Gesetzeswortlauts überrascht diese Lesart des Einschubs, die die Aussage des Hauptsatzes in sein Gegenteil verkehrt. Naheliegender erscheint es, darin eine Bekräftigung zu sehen, und die Aktenlage bestätigt, „dass in diesem VerfassungsEntwurf die sämtlichen Domänen als Familien-Privat-Gut Ihres Hauses aufgeführt werden möchten“.1 Die Autoren bieten für ihre Lesart keine Begründung, nehmen sie aber zum Anlass für eine breite Darlegung verschiedener Elemente des vorkonstitutionellen Fürstenrechts.

Dabei wird nicht klar genug differenziert zwischen Individualvermögen, fideikommissarischem Familienvermögen und Lehensgut. Die Bemühungen, Vermögenswerte statt dessen als „privat“ oder „öffentlich“ zu kennzeichnen, leiden an zwei Schwächen: Zum einen wird an dieser Stelle der zentrale Begriff des Fideikommisses nicht erläutert. Das wäre wünschenswert gewesen, denn die streitigen Kulturgüter befanden sich bis 1918 in einem solchen Fideikommiss des Hauses Baden, dem sogenannten „Hausfideikommiß“. Zum anderen setzen die folgenden Kapitel schon im 18. Jahrhundert eine „Staatsnähe“ des privaten Familienvermögens voraus. Im Ergebnis wird der Verfassungsbegriff des „Patrimonialeigenthums“ in Paragraf 59 BadVerf 1818 nur als „finanz- und machtpolitisch folgenlose Rechtsfiktion“ (S. 73) betrachtet. Die rechtlichen Folgen der postulierten „Nähe“ zwischen Hausvermögen und Lehensgut werden ebenso wenig verdeutlicht wie die Frage, ob und wie Eigentum erodieren kann. Auch für den Verfassungsbegriff hätte man sich eine eingehendere rechtliche Begründung gewünscht, insbesondere hinsichtlich des Verfassungskontexts und des monarchischen Prinzips, des zentralen Grundsatzes, der seit 1815 für alle Staaten des Deutschen Bundes einheitlich galt. Überhaupt sucht man im Gutachten eine klare Darstellung und Erläuterung des monarchischen Prinzips vergeblich.

Trotz der Annahme einer „Rechtsfiktion“ blieben die streitigen Kulturgüter nach Ansicht der Kommission bis 1918 im Familienvermögen des Hauses Baden. Auch mit der Revolution erfolgte weder eine formale Eigentumsübertragung, noch fand eine Enteignung statt. Dass der badische Staat dennoch das Eigentum an den Kunstsammlungen erlangte, begründet die Kommission damit, dass diese wegen der Verbindung des Hausfideikommisses mit den Belangen der Landeshoheit zu einer „Pertinenz der Landeshoheit“ geworden seien. Mit dem Übergang der Landeshoheit vom Großherzog auf die Republik Baden seien die Vermögenswerte des Hausfideikommisses automatisch in Staatseigentum übergegangen.

Bei der Annahme einer solchen Eigentumsübertragung stellen sich jedoch einige Fragen: Erstens kennt das Sachenrecht „Pertinenz“, also Zubehör, nur als Zuordnung einer Sache zu einer anderen Sache. Wie begründet sich die Zubehörfähigkeit einer „Landeshoheit“? Wie kann die „Landeshoheit“ eigentumsfähig sein, wenn der Eigentümer einer Sache grundsätzlich nur eine Person sein kann? Zweitens wäre die angenommene Form der Eigentumsübertragung im deutschen Recht singulär. Eine Eigentumsübertragung unter Lebenden setzt üblicherweise eine Einigung und eine Übergabe voraus. Da dies nicht erfolgt ist, überträgt das Gutachten Regeln über das Aussterben einer Dynastie im Mannesstamm auf den Fall der Revolution. Problematisch erscheint hier, dass das Haus Baden die Revolution unbeschadet überlebt hat, so dass ein Eigentumserwerb von Todes wegen auch analog kaum anwendbar erscheint. Zum anderen ist fraglich, inwieweit der Übergang von Hausvermögen auf den „Staatsnachfolger“ aus der historischen Fürstenrechtspraxis begründet werden kann. Die Kommission selbst führt aus, dass Artikel VI des Erbvertrags vom 28. Januar 1765 das Eigentum „bey dem Mannesstamme Unseres Hauses Baden, so lange derselbe nach Gottes Willen währet, in der Ordnung des durchaus eingeführten Rechtes der Erstgeburt, ungeschmälert verbleiben solle“. Eine davon abweichende „Staatsnachfolge“ ist zumindest nicht normiert. Weiterhin sind zwei der bedeutendsten europäischen Kunstsammlungen, die der Medici und der Farnese, bei deren Thronverlust 1735 nicht an den „Staatsnachfolger“ übergegangen, sondern an die weiblichen Familienmitglieder. Auch das Reichsgericht hat in den 1920er-Jahren eine entschädigungslose Enteignung der Fürstenvermögen abgelehnt.

Drittens scheinen die historischen Fakten dieser Auslegung zu widersprechen: Die Kommission legt dar, dass die verfassunggebende badische National-Versammlung in Karlsruhe das Hausfideikommißvermögen ausdrücklich als Privatvermögen anerkannt und daraus die Domänen 1919 für den Staat angekauft hat. Wie kann ein Staat, der die Domänen 1919 formal erwirbt, 1918 daran bereits automatisches Eigentum erhalten haben? Eine „Pertinenz-Theorie“ wurde damals im Übrigen nicht diskutiert. 1919 hebt Paragraf 66 BadVerf 1919 alle Fideikommisse „mit Einschluß der Fideikommisse des vormaligen Großherzoglichen Hauses“ auf und führt sie (und damit auch die Kunstsammlungen) in das Privateigentum des gestürzten Großherzogs über. Auch das Finanzministerium bestätigt diesen Eigentumsübergang ausdrücklich. Obgleich die Kommission behauptet, dass Paragraf 66 BadVerf das Hausfideikommiß nicht erfasse und die Auffassung des Finanzministeriums „der rechtlichen Grundlage entbehrt“ (S. 127) habe, so ist doch zweierlei festzuhalten: Erstens stellt Paragraf 66 BadVerf 1919 die einzige rechtliche Normierung zum Eigentumsübergang an den streitigen Kulturgütern dar. Und zweitens erfolgte der Eigentumsübergang vom fideikommissarischen zum privaten Besitz des Hauses Baden. Es bleibt offen, warum die historisch nicht verbürgte „Pertinenz zur Landeshoheit“ dieser gesetzlichen Regelung vorgehen soll. Ähnliche Fragen stellen sich bei den Ausführungen zum Ankauf eines Teils der Kunstsammlungen im „Gesetz über den Ankauf der im Eigentum der ehem. Großherzogin Hilda von Baden stehenden Kunstwerke der Badischen Kunsthalle und des Kupferstichkabinetts in Karlsruhe“ vom 1. April 1930. Name und Inhalt des Gesetzes setzen das bisherige Privateigentum an den Kunstsammlungen voraus. Kein Abgeordneter des Badischen Landtags hat diesen Privatcharakter in Frage gestellt.2 Es stellt sich die Frage, ob sich der Landtag 1930 hier ebenso geirrt hat wie die National-Versammlung 1919 oder die Staatsregierung 1954, als sie aus den privaten Kunstsammlungen die Gründung der „Zähringer Stiftung“ genehmigte. Nur wenn man das annimmt, kann man dem Ergebnis folgen: „Der Pertinenzcharakter des Hausfideikommisses hat dieses durch die Revolution in ein unbeschränktes staatliches Eigentum überführt“ (S. 137).

Insgesamt hat die Kommission eine beeindruckende Menge an Quellen und Literatur herangezogen und ein Thema bearbeitet, dass in der Forschung bislang zu wenig Beachtung gefunden hat. Leider sind dabei einige Fragen offen oder wissenschaftlich nicht befriedigend beantwortet geblieben. Es ist zu hoffen, dass das Gutachten angesichts des gestiegenen Interesses an der Monarchiegeschichte als Anregung zur Auseinandersetzung verstanden wird.

Anmerkungen:
1 Protokoll der Verfassungskommission vom 14. August 1818, GLA 48/6075.
2 Vgl. GLA 235/40264.

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