D. Jacobson u.a. (Hrsg.): Herod and Augustus

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Titel
Herod and Augustus. Papers Presented at the IJS Conference, 21st-23rd June 2005


Herausgeber
Jacobson, David M.; Kokkinos, Nikos
Reihe
IJS Studies in Judaica 6
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 502 S.
Preis
€ 195,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Julian Köck, Institut für Geschichte, Universität Mannheim

Herodes und Augustus gehören mit Sicherheit zu den herausragenden Gestalten der Antike. Natürlich hatte Herodes nie die welthistorische Bedeutung eines Augustus, doch blieb er dem kulturellen Gedächtnis Europas verhaftet. Neben Herodes dem Großen steht der (vermeintliche) Kindermörder, als der König Herodes in der Bibel beschrieben wird. Zwischen mehreren Polen stand Herodes auch als Handelnder: Als jüdischer König einerseits und römischer Klientelherrscher andererseits stellten sich ihm ganz unterschiedliche Aufgaben. Dazu kam, dass sich Herodes als Herrscher in der Tradition hellenistischer Könige verstand. So ist es nicht verwunderlich, dass Herodes bereits in der Antike eine umstrittene Figur war und seine Person in der modernen Forschung kontrovers diskutiert wird.1

Vorliegender Band ging aus der Konferenz „Herod and Augustus“ am Institute of Jewish Studies in London hervor und widmet sich diesen Spannungen, die programmatisch im Titel angedeutet werden. Dabei umfassen die 19 Beiträge, ausnahmslos von bekannten Experten in ihrem Bereich verfasst, eine ganze Reihe von unterschiedlichen Themen: Neben politischen Analysen bietet der Band auch wissenschaftshistorische Überlegungen zu Herodes und seiner Erforschung (Joseph Sievers, Herod, Josephus, and Laqueur: A Reconsideration, S. 83-112) sowie numismatische und papyrologische Analysen (Donald T. Ariel, The Coins of Herod the Great in the Context of the Augustan Empire, S. 113-126; David Goodblatt, Dating Documents in Herodian Judaea, S. 127-154). Ein starkes Augenmerk wird weiterhin der archäologischen Erschließung der Baupolitik des Herodes gewidmet, wobei es Überblicke (Joseph Geiger, Rome and Jerusalem: Public Building and the Economy, S. 157-169; Ehud Netzer, Palaces and the Planning of Complexes in Herod’s Realm, S. 171-180; Joseph Patrich, Herodian Entertainment Structures, S. 181-213; Silvia Rozenberg, Wall Paintings of the Hellenistic and Herodian Period in the Land of Israel, S. 249-265), aber auch Fallstudien zu einzelnen Komplexen gibt (Barbara Burrell, Herod’s Caesarea on Sebastos: Urban Structures and Influences, S. 217-233; Dan Bahat, The Architectuak Origins of Herod’s Temple Mount, S. 235-245). Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Umfeld seines Reiches, so etwa mit dem benachbarten Nabatäerreich (Stephan G. Schmid, Nabataean Royal Propaganda: A Response to Herod and Augustus?, S. 235-359), dem Militärwesen (Denis B. Saddington, Client Kings? Armies under Augustus: The Case of Herod, S. 303-323) und der Rolle des Nicolaus von Damaskus (Mark Toher, Herod, Augustus, and Nicolaus of Damascus, S. 65-81).

Erich S. Gruen zeigt in seinem Beitrag (Herod, Rome, and the Diaspora, S. 13-27), dass Herodes bisher oft zu unrecht als Patron der Juden in der Diaspora gesehen wurde, obwohl lediglich eine einzige Episode (Ios. ant. Iud. 16,27-30) überliefert ist, die diese Annahme stützt. Dagegen hätten die anderen Stiftungen des Herodes in hellenistischer Tradition gestanden und sich primär an heidnisch-griechische Städte gerichtet. Mit der These, Herodes habe seine Bauten, die oft nach Römern benannt wurden, als Zeichen seiner Unterwerfung unter die römische Herrschaft errichtet, geht Gruen ebenfalls hart ins Gericht: Augustus habe sich gar nicht um diese Bauten gekümmert – tatsächlich findet sich keine Erwähnung des Herodes in Augustus’ Tatenbericht –, sie dienten vielmehr der Herrschaftsrepräsentation des Königs nach Innen – nicht zuletzt als Erinnerung daran, dass Herodes im Schutz des mächtigen Imperiums stand. Gleichzeitig konnte sich Herodes aber auch als Patron und Erbauer in hellenistischer Tradition zeigen, und dies lag durchaus in Augustus’ Interesse, wie Karl Galinsky (The Augustean Programme of Cultural Renewal and Herod, S. 29-42) überzeugend zeigt: Zwar war Herodes als Klientelkönig politisch sehr in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, doch gab es neben der kaiserlichen Familie niemanden im Imperium, „whose cultural reach was wider“ (S. 40). Ohne Herodes wäre die Romanisierung des Ostens weit weniger stark oder zumindest langsamer ausgefallen. Der König passte sich bestens in das politisch-kulturelle System des Augustus ein. Die Ergebnisse, die Malka Hershkovitz in ihrem Aufsatz „Herodian Pottery“ (S. 267-278) präsentiert, unterstreichen dies: Sie zeigt, dass man allerlei römische Waren und Baustoffe nach Judäa importierte und viele Gestaltungstechniken übernommen wurden. „It was a period when the cultural atmosphere was open to changes and innovations“ (S. 276), ist ihr treffendes Resümee, welches sich nicht nur auf die Alltagskultur, sondern auch auf den politischen Stil des Herodes an sich anwenden lässt.

Kann man aber sagen, dass Herodes eine Romanisierung als politisches Ziel verfolgte? Dieser Frage geht Achim Lichtenberger in seinem Aufsatz „Herod and Rome: Was Romanisation a Goal of the Building Policy of Herod?“ (S. 43-62) nach und kommt dabei zu dem Schluss, dass die Romanisierung weniger das Ziel, als vielmehr ein Nebenprodukt von Herodes’ Anspruch war, ein hellenistischer König zu sein. Anders als Galinsky deutet Lichtenberger die Bauten des Herodes als bewusste „submission to Rome“ (S. 48). Dabei vereinfachen beide Überlegungen die Realität zu stark: Herodes wird beide Ziele verfolgt haben, wobei Galinsky vermutlich insoweit recht hat, als die römische Resonanz darauf keineswegs bemerkenswert war und der Hauptgrund für Herodes sicherlich in seiner Herrschaftsrepräsentation gegenüber seinen Untertanen lag. Bereits Josephus schrieb, dass Herodes in der Achtung des Augustus direkt nach Agrippa käme (bell. Iud. 1,20,4). Allerdings zeigen die Aufsätze von Anthony A. Barrett (Herod, Augustus, and the Special Relationship: The Significance of the Procuratorship, S. 281-302) und John Creighton (Herod’s Contemporaris in Britain and the West, S. 361-381), dass man die Bedeutung des Herodes nicht überschätzen sollte und seine Einzigartigkeit ihre Erklärung nicht zuletzt darin findet, dass andere Klientelkönige später keinen Historiker im Format eines Josephus hatten. In seiner Analyse kommt Barrett zu dem Schluss, dass Herodes’ Procuratorenamt wohl auf finanzielle Aspekte beschränkt blieb, überspitzt formuliert Herodes also eher ein Finanzagent des Augustus war und mitnichten die militärische und politische potestas eines römischen Magistraten besaß. Creighton zeigt anhand von größtenteils nichtliterarischen Quellen, dass man weniger von einer Romanisierung, als vielmehr von der Genese einer neuen „Imperial culture“ (S. 379) durch Rom und seine Verbündeten sprechen sollte. Nach Creighton kam Herodes dabei aber allerdings keine überragende Rolle zu, zu Recht sieht er ihn vielmehr als einen von vielen Klientelkönigen Roms.

In seinen Überlegungen zu Politik und Religion in Judaea (One Temple and many Synagogues: On Religion and State in Herodian Judaea and Augustean Rome, S. 385-398) unterscheidet Daniel R. Schwartz eine politische und eine religiöse Sphäre und kommt letztlich zu mehreren Thesen: Eine Auflösungsphase beider Sphären habe es bereits mit der Einführung des Königtums in hasmonäischer Zeit gegeben, allerdings sei es auch unter Herodes zu keiner vollständigen Trennung beider Gebiete gekommen. Als Beleg führt er an, dass Herodes mehrfach den Hohepriester austauschte. Allerdings können beide Thesen nicht überzeugen: Eine Trennung von Staat (ohnehin ein zumindest problematischer Begriff im Kontext der Antike) und Religion gibt es in dieser Form im antiken Orient nicht. Insofern sagt Schwartz lediglich, dass sich Staat und Religion überlappten, aber nicht vollständig zusammen fielen; diese Erkenntnis ist sicherlich richtig, aber letztlich fast tautologisch. Umso reizvoller ist die dritte These: Hier bringt Schwartz den Bau des großen Tempels unter Herodes, der beispielsweise seiner Herrschaftskonsolidierung dienen sollte, mit der Bewegung gegen die Römer und die Nachkommen Herodes’ zusammen. Der Tempel wurde zu einem „efficient focus and catalyst for anti-Roman ferment, and [...] many Jews were evidently frustrated at seeing God’s new and expanded house not in fact having the real political significance the good books said it was supposed to have“ (S. 396). Später, so Schwartz, wurde der dann verlorene Tempel zu einem wichtigen Faktor „for the Jews’ survival through two millennia of diasporan existence“ (S. 397).

Dass der inhaltliche Schwerpunkt des Bandes mehr auf Herodes liegt, verwundert zwar nicht, hängt doch Herodes von Augustus ab und nicht umgekehrt, doch wäre der Titel „Herod and Rome“ deutlich treffender gewesen: Es geht in den wenigsten Beiträgen um Augustus als Person, sondern um das Verhältnis von Herodes zu seiner Schutzmacht, ob diese nun von Cäsar, Antonius, der ihn ja auch zum König erhob, Augustus oder Agrippa vertreten wurde. In jedem Fall dürfte der vorliegende Band für die nächsten Jahre zweifellos grundlegend für die Herodes-Forschung sein. Die Artikel sind grundsätzlich auf hohem Niveau und berücksichtigen die Forschung bis 2005; dass die Autoren dabei nicht immer einer Meinung sind, erhöht den Reiz des Bandes zusätzlich, wird der Blick so doch für die Komplexität des Sujets geschärft. Auch ist die thematische Weite der Beiträge hervorzuheben, da das Thema auf diese Weise umfangreich und in verschiedenen Facetten dargestellt wird und auch verwandte Aspekte behandelt werden, die zwar nicht direkt das Kernthema betreffen, aber die – doch leicht zu überschätzende – Rolle des Herodes und seines Reiches relativieren und in den historischen Kontext einordnen.

Anmerkung:
1 Einen knappen, aber konzisen Überblick findet man bei Linda-Marie Günther, Herodes der Große, Darmstadt 2005, S. 11–17.

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