W. Wagner: Das Königsberger Schloss

Titel
Das Königsberger Schloss. Eine Bau- und Kulturgeschichte Bd. 1: Von der Gründung bis zur Regierung Friedrich Wilhelms I. (1255-1740)


Autor(en)
Wagner, Wulf D.
Erschienen
Regensburg 2008: Schnell & Steiner
Anzahl Seiten
392 S.
Preis
€ 76,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter-Michael Hahn, Universität Potsdam

Zweifelsohne zählt das Königsberger Stadtschloss, das seit dem Verlust der Marienburg als Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens und später als Residenz der Herzöge von Preußen fungierte, zu den wenig beachteten Schlossbauten im deutschsprachigen Raum. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass dieses Schlossareal im Jahr 1701 Schauplatz der preußischen Krönungserhebung wurde. An längerfristigem Symbolwert sollte der Ort nämlich nichts oder doch nur wenig hinzugewinnen. Im äußersten Nordosten gelegen, fern ab anderer fürstlicher Residenzen, vermochte sich dort nur eine sehr provinzielle höfische Kultur zu entwickeln, obwohl sich die Bürgerstadt Königsberg über Jahrhunderte als ein Zentrum des Ostseehandels behauptete. Dies belegt dieser reich illustrierte Band auf vielfältige Weise.

Diesem Eindruck der Provinzialität versucht der Autor wiederholt dadurch entgegenzutreten, dass er die Geschichte dieses Gebäudekomplexes mit der allgemeinen Geschichte des Ordensstaates, späterhin Brandenburg-Preußens verknüpft. Ausreichend bekannte Details zur Staats- und Verwaltungsgeschichte werden nicht immer geschickt in großer Ausführlichkeit ausgebreitet, zumal die kritische Sichtung vor allem älterer Forschungsergebnisse nicht gelingt. Ranke und Vehse können heute nur noch in einem sehr eingeschränkten Maße als historische Gewährsleute herangezogen werden. Die allgemeinen Ausführungen zur Religionspolitik der Hohenzollern werden teilweise durch die vom Autor aus den archivalischen Quellen geschöpften Beobachtungen konterkariert. Nicht minder störend wirken die vom Verfasser geschätzten Superlative, wenn er das Bauwerk und seine künstlerischen Merkmale beschreibt. Stattdessen wäre ein vorsichtiges, zielgerichtetes Abwägen oftmals angemessener gewesen. Auch ist es nicht hilfreich, auf dem Gebiet der Architektursprache Bezüge zu möglichen Vorbildern und Vergleichsobjekten herzustellen, die sich über die zitierte Literatur nur mühsam nachvollziehen lassen. Daher ist der Text über weite Strecken mit Details und Deduktionen befrachtet, die im Kontext einer Bau- und Nutzungsgeschichte eines Hoflagers nichts oder wenig zu suchen haben. Eine solche breit angelegte Herangehensweise lässt sich auch nicht mit dem wiederholten Hinweis auf eine kulturgeschichtliche Perspektive ausreichend rechtfertigen.

Doch gilt es auch Positives zu vermelden. Mit großer Energie hat der Verfasser aus den Primärquellen ein facettenreiches Spektrum an kleinen Details zusammengetragen, welche Fragen der baulichen Planung, Umbauten sowie Elemente der Ausstattung und die Nutzung des Gebäudes in chronologischer Reihenfolge berühren. Hier liegt die Stärke dieser Publikation. So wird man in kleinen Exkursen beispielsweise über den Zustand der Hofküche und des Kellers, des Lustgartens oder das wechselvolle Schicksal der Rüstkammer eingehend informiert.

Bemerkenswert ist auch ein Hinweis, dass bereits 1613, also noch zu Lebzeiten des letzten Herzogs Albrecht Friedrich, die Oberräte in ihrer Funktion als Landesregierung den bedeutendsten Teil der herzoglichen Silberkammer verscherbeln ließen. Ausgehend von der Grundausstattung einer fürstlichen Residenz war damit die weitere höfische Nutzung des Schlosses deutlich eingeschränkt, zumal der Brandenburger Kurfürst selbst für lange Zeit nur über begrenzte eigene materielle Mittel verfügte. In späterer Zeit sollte sich an diesem Zustand, wie der Autor beschreibt, bis auf einen Mindeststand an höfischen Gütern nichts mehr ändern. Als Hoflager eignete sich Königsberg nur für kurze, unter höfischen Aspekten eher unspektakuläre Aufenthalte wie Landeshuldigungen oder später die Bewirtung eines Zaren. Innerhalb der alteuropäischen Fürstengesellschaft nahm letzterer um 1700 noch eine - eher als exotisch zu betrachtende - Randstellung ein.

Insoweit wäre es vor allem für die Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm erhellend gewesen, dessen Lebensstil in Königsberg mit dem auf der Klever Schwanenburg zu vergleichen. Auch dort versuchte man von brandenburgischer Seite mit einem vergleichsweise geringen materiellen Aufwand, Hof zu halten. Allerdings hatte der Herrscher dort in Gestalt des Klever Statthalters Johan Moritz von Nassau-Siegen einen Fürsten an der Seite, der ihm zur Not mit allen erforderlichen Gütern aushelfen konnte.

Im Übrigen werden wir ausführlich über die in Königsberg für das Herrscherhaus arbeitenden Baumeister und ihre alltäglichen Probleme im Rahmen ihrer Aufgabenstellung in Kenntnis gesetzt. Bekanntlich waren solche großen Anlagen oft vom Verfall bedroht. Dies traf auch auf das Königsberger Schloss zu. Es wurde ständig repariert. Im Inneren war es zumeist die Aufgabe von Malern, Türen und Möbel mit neuen Farben zu versehen. Immer wieder finden sich Hinweise in den Akten, dass eine Modernisierung sich vornehmlich auf eine neue Farbgebung der mobilen und wandfesten Ausstattung beschränkte. Dagegen litt der Versuch, das Schloss um 1700 erheblich umzubauen unter einem ähnlichen Problem wie der Berliner Schlossbau. Während man dort von der Gnade des sächsischen Kurfürsten abhing, den erforderlichen Sandstein zur Verfügung gestellt zu bekommen, war der Baufortschritt in Königsberg an die Lieferung schwedischer Baumaterialien gebunden.

Insgesamt bietet die vorliegende, zu sehr in die Breite gehende Darstellung des Königsberger Schlosses eine Fülle von Einzelbeobachtungen zum Bedeutungswandel eines Hoflagers. Sobald ein Territorium zum Nebenland absank bzw. von einem auswärtigen Herrscher regiert wurde, erlahmte das Interesse am einstigen territorialen Herrschaftsmittelpunkt. Dies hatte weitreichende Folgen für den Bauerhalt und die innere Ausstattung. Der symbolische Kapitalwert des Königsberger Schlosses hatte sich seit dem späten 16. Jahrhundert zusehends verflüchtigt. Im 18. Jahrhundert hatte sich der Gebäudekomplex wie viele andere vergleichbare Anlagen in einen Behördensitz verwandelt.

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