Cover
Titel
Peace: A History of Movements and Ideas.


Autor(en)
Cortright, David
Erschienen
Anzahl Seiten
392 S.
Preis
$ 29.99
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Reinhold Lütgemeier-Davin, Kassel

Ein Kompendium zur Friedensgeschichte und Friedensidee aus der Feder eines amerikanischen Friedensaktivisten - Präsident des “Fourth Freedom Forum“, Professor am “Institute for International Peace Studies“ der University of Notre Dame, mehrfacher UN-Berater für Konflikt-Transformation - lässt profunde Detailkenntnisse über internationale organisatorische Vernetzungen, inhaltliche und strategische Ausrichtungen, weltanschauliche Begründungen und Auseinandersetzungen innerhalb der Friedensbewegung ebenso erwarten wie eine kritische Sichtweise auf peacekeeping- und peacemaking-Aktionen der Vereinten Nationen und ihrer Mitglieder. Zu erwarten ist eine kritische Bewertung des eigenen Landes, der USA, der größten Demokratie, die aber zugleich am meisten in Kriege der Gegenwart involviert ist.

Mit Abstrichen und einigen Vorbehalten löst David Cortright diese Erwartungen an ein Buch ein, das den schlichten, allerdings bestimmten Titel „Peace“ trägt, mit dem passenden Peace-Logo der britischen “Campaign for Nuclear Disarmament“ auf dem Buchcover - ein internationales Erkennungszeichen für die jeweiligen nationalen Friedensvereinigungen, Anti-Kriegs- und Anti-Apartheitskampagnen auf dem Globus.

“Jesus said“, so setzt das Werk ein, und schließt ab mit “practical peacemaking“. Damit umschreibt Cortright die Pole, zwischen denen sich die umfangreiche Studie bewegt. Er verschweigt nicht, dass er den absoluten Pazifismus ablehnt und einem konditionalen, pragmatischen zugeneigt ist, der sich einem Gewalteinsatz der internationalen Staatengemeinschaft gegen Friedensstörer bei der Wahrung hoher ethischer Standards, dem Zwang zur Selbstverteidigung und dem Schutz von Unschuldigen (vgl. S. 334) nicht verschließt. Dem absoluten Pazifismus wirft Cortright “a persistent naiveté, a tendency toward utopianism (…), an inadequate grasp of the unavoidable dilemmas of security, an unwillingness to accept the inherent egoism of human communities“ (S. 334) vor. Diese grundsätzliche Haltung eines „realistischen Pazifisten”, wie er sich versteht, schließt aber glücklicherweise nicht aus, die internationale Friedensbewegungen in allen ihren politischen, ideologischen Ausprägungen sachgerecht zu kommentieren, ihre Erfolge und Misserfolge nüchtern vorzustellen und kritisch abzuwägen.

Im Einleitungskapitel stellt Cortright deutlich den Friedensbegriff unter philosophischer, demokratischer, sozialistischer, feministischer, ökonomischer und juristischer Perspektive vor, verweist auf die Formen des Krieges (Krieg zwischen souveränen Staaten einerseits, asymmetrische Kriege andererseits), die Palette von Friedensstrategien zwischen absoluter Gewaltfreiheit und bedingtem Einsatz von Gewalt - offiziell für Recht erklärt, wenn er zur Zähmung von Störern der internationalen Ordnung dient. Dabei argumentiert Cortright nicht ausschließlich vom aktuell-politischen Standort einer amerikanischen Friedensbewegung aus, die in der Bevölkerung selbst wenig Rückhalt findet, sondern verfolgt die historischen Pfade des Friedensbegriffs vom Glasgower Friedenskongress (1901) an, um bis zu Ausprägungen von Friedensaktivitäten in den unterschiedlichen Weltkulturen zu gelangen.

Cortright bietet ein breites Spektrum an Informationen, angefangen mit den sozialen Ursprüngen der frühen Friedensbewegungen über die Möglichkeiten der Eindämmung faschistischer Gefahren und die Antiatombewegung in der Zeit des Kalten Krieges bis zu den derzeitigen Konfliktfeldern in Asien und Afrika. Er gewährt einen kenntnisreichen Überblick über die Friedensideen und Friedenstraditionen, seien sie nun religiösen, bürgerrechtlichen, sozialistischen, feministischen oder humanitären Ursprungs.

Cortright fühlt sich einem komparatistischen Anspruch verpflichtet, den er aber offensichtlich ganz zufrieden stellend nicht einlösen kann. Sein analytischer Blick ist zwar global ausgerichtet, wenig global aber ist seine Literaturgrundlage. Die Rezeption wissenschaftlicher Befunde ist zumeist auf den angloamerikanischen Sprachraum begrenzt. Wissenschaftliche Literatur außerhalb des englischen Sprachraums blendet er aus, stützt sich bestenfalls auf verstreute englischsprachige Monografien oder kurze Aufsätze über die Bewegungen in anderen Ländern. Selbst seine Berichte über die großen europäischen Friedensdemonstrationen zu Beginn der achtziger Jahre haben lediglich die “New York Times“ als Reverenzverweis. Quellenstudien sind in einem Handbuch wie diesem ohnehin nicht zu erwarten.

David Cortright geht den bürgerlichen, liberalen, internationalistischen Traditionen der Friedensbewegungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach, stellt dar und beurteilt aber ebenso ausführlich die offiziellen Friedensaktivitäten souveräner Nationalstaaten zur Vermeidung oder Eindämmung internationaler Konflikte (Haager Konferenzen, Völkerbund, Vereinte Nationen; Kriegsächtungspakt; Versuche internationaler Abrüstung und Konfliktschlichtung).

Formen der Gewaltlosigkeit im Hinduismus, Buddhismus, Sanskrit, Christentum und Islam werden untersucht und miteinander in Beziehung gesetzt. Die Verbindungslinie zwischen Pazifismus einerseits, Religion, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten, Ethik und Moral andererseits werden breit diskutiert und problematisiert.

Den Vorwurf, der die gesamte internationale Friedensbewegung diskreditieren soll, der Pazifismus sei für den Weg hin zum Zweiten Weltkrieg verantwortlich zu machen, weist Cortright begründet zurück:

“The decisions to accommodate and appease fascism were made by the leaders of Britain, France, and the United States, not by pacifists. These political elites were influenced more by right-wing sympathies, economic self-interest, imperial ambitions, and Catholic conservatism than by the pressures of pacifism. To be sure, peace advocates wanted to keep their countries out of war, but they were not neutral in the face of the acts of aggression” (S. 91). Wohl wahr. Dass er an einer Stelle aber die nationalsozialistische Machtübernahme auf den März 1933 datiert (S. 106), lässt zumindest daran zweifeln, dass er sich mit zentralen Aspekten deutscher Geschichte sicher auskennt.

Vorzug der Arbeit ist ohne Zweifel die weltumspannende Ausrichtung. Die vielfältigen Vergleichs- und Beziehungsebenen machen die Studie eines Autors lesenswert, der von festen politischen und moralischen Überzeugungen ausgehend einsteht für die Minderung von militärischen Konflikten weltweit. Eine lehrreiche Gesamtdarstellung von Friedensaktivitäten der letzten 150 Jahre, die ihresgleichen in Deutschland sucht.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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