G. Kling: Frauen im öffentlichen Dienst

Titel
Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden. Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg


Autor(en)
Kling, Gudrun
Reihe
Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, Bd. 142
Erschienen
Stuttgart 2000: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
250 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Susanne Nimmesgern

Von den knapp 5,0 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist heute die Hälfte weiblich. Ohne Frage: Der öffentliche Dienst ist für Frauen attraktiv, bietet er doch relativ gesicherte Perspektiven und stellt mit seinem großen Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Aussicht. Doch bei näherer Betrachtung fällt auf, dass weibliche Beschäftigte auch im öffentlichem Dienst struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind. Gleichstellungsgebote, Frauenbeauftragte und Quotierungsansätze konnten bis heute nicht verhindern, dass Frauen vor allem in Bereichen mit geringerem Verdienst, niedriger hierarchischer Stellung, fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten und geringerer Arbeitsplatzsicherheit arbeiten. In Führungspositionen sind sie dagegen immer noch stark unterrepräsentiert.

In ihrer Studie über Frauen im öffentlichen Dienst am Beispiel des Großherzogtums Baden zeigt Gudrun Kling auf, dass diese Beschäftigungsstruktur eine lange Geschichte hat. So vollzog sich die Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes zu seiner heutigen Form mit festen Ausbildungs-, Prüfungs- und Laufbahnvorschriften im 19. Jahrhundert zunächst unter vollkommenen Ausschluss von Frauen. Erst der Übergang von der Hoheits- zur Leistungsverwaltung im Zuge der Industrialisierung ermöglichte Frauen in nennenswertem Maße einen Zugang zum Staatsdienst.
Gudrun Klings Ziel war es, die Stellung aller weiblichen Beschäftigten (abgesehen von den Kommunen) bei der Entwicklung des öffentlichen Dienstes genauer zu betrachten und die dabei zu Tage tretenden geschlechtsspezifischen Segregationsmuster zu analysieren. Ausgehend vom Beamtengesetz von 1888 hinterfragt sie, wie und vor welchem Hintergrund es im Laufe des Untersuchungszeitraums zu den vorliegenden geschlechtsspezifischen Regelungen kam. Kling begreift den öffentlichen Dienst als „Schnittstelle zwischen Gesellschaft und staatlicher Herrschaft, zwischen staatlichem und privatem Arbeitsmarkt und zwischen gesellschaftlichen Ideologien, kulturellen Mentalitäten und deren gesetzlicher Umsetzung.“ (S. 4). Eben da der öffentliche Dienst nicht im von der Gesellschaft abgegrenzten Raum nach eigenen Prämissen agierte, distanziert sich Kling von der vielfach in der Verwaltungsforschung aufgeworfenen These einer „Rückständigkeit“ des Beamtenrechts. Gleichzeitig betont sie die Besonderheit des öffentlichen Dienstes und macht mehrfach deutlich, dass die heute gültige Form der Bürokratie in einem rein männlichen Umfeld entstand und der Beruf des Beamten daher „extrem männlich konnotiert“ (ebd.) war.
In vier großen Kapiteln untersucht Kling die Berufsfelder und Beschäftigungsbedingungen des weiblichen Anstaltspersonals, der Post- und Eisenbahnbeamtinnen sowie der Maschinenschreiberinnen, der Lehrerinnen und schließlich der ersten Beamtin Deutschlands im Staatsdienst, der Gewerbeinspektorin. Ein eigenes Kapitel ist den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber für Frauen beziehungsweise der „Konstruktion des weiblichen Beamten“ gewidmet.

Mit der Darstellung der frühen Arbeitsfelder für Frauen betritt Kling Neuland in der Geschichtsforschung. Bisher setzten Studien über die weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst frühestens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Die ersten Frauen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den badischen Staatsdienst aufgenommen. Sie arbeiteten außerhalb der eigentlichen Verwaltung als Gefängnisaufseherinnen, weibliches Pflegepersonal, Haushälterinnen und Köchinnen in der Psychiatrie. Dabei griff der Staat auf ältere Beschäftigungsmuster zurück, so lässt sich die Anstellung von Amtsehepaaren mit jeweils spezifischen Tätigkeitsfeldern schon für das 16. Jahrhundert nachweisen. In diesem eng begrenzten und wenig angesehenen Bereich war Frauenarbeit unumstritten, daher stellte auch die gleich berechtigte Überführung in die neu organisierte Verwaltung kein Problem dar.

Zu einer deutlichen Zäsur kam es jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Ausweitung der Verwaltungsaufgaben und die neuen Kommunikationstechniken mit ihrem hohen Personalbedarf vor allem aus ökonomischen Gründen die Einstellung der günstigeren weiblichen Arbeitskräfte ratsam erscheinen ließen. Zunächst stießen diese auf relativ geringen Widerstand, da das Personal der Betriebsverwaltungen kaum den Angestelltenstatus besaß und sich das männlich konnotierte Berufsbild des Betriebsbeamten erst später entwickelte. Bei zunehmenden Verbeamtungstendenzen sah sich die Verwaltung jedoch vor die schwierige Aufgabe gestellt, den Ausschluss der Frauen von den neu geschaffenen Privilegien zu legitimieren. Dies führte zu einer Verzögerung des Rationalisierungsprozesses gegenüber der Privatwirtschaft. Erst als es gelang, gering angesehene und schlecht bezahlte Tätigkeitsfelder abzuspalten und eine minder bewertete Beamtenkategorie für Frauen zu schaffen, stieg der Frauenanteil in der Verwaltung in nennenswertem Umfang an. Die Expeditions- und Telegrafengehilfinnen und später auch die Telefonistinnen waren Exponentinnen der „neuen“ Berufe für Frauen, mit deren Entstehung ein fundamentaler Einstellungswandel einherging: Mit Hilfe der verwaltungsspezifischen Zölibatsklausel wurde das Zweiphasenmodell weiblicher Lebensläufe in der bürgerlichen Gesellschaft voran getrieben und verfestigt

Auch bei den Lehrerinnen ist um die Jahrhundertmitte ein Wandel festzustellen: Durch die Schließung zahlreicher Kloster- und Privatschulen im Zuge der Verstaatlichung des Schulwesens kam es zunächst zur Verringerung ihrer Anstellungsmöglichkeiten. Bei ihrer Integration in das staatliche Schulwesen seit den 1870-er Jahren lässt sich zweierlei beobachten: Einerseits erreichten die Lehrerinnen unter allen Beschäftigten im Staatsdienst den größten Grad an Professionalisierung, wobei im Großen und Ganzen eine Gleichstellung mit den Lehrern gewahrt wurde. Andererseits waren auch die Lehrerinnen geschlechtspezifischer Diskriminierung ausgesetzt: Ihr Arbeitsgebiet wurde auf die unteren Klassenstufen größerer Schulen mit mehreren Klassen oder vorzugsweise auf reine Mädchenklassen fixiert. Gleichzeitig erfuhr der weibliche Ausbildungsweg eine Abwertung gegenüber den männlichen Kollegen. Außerdem mussten sich Lehrerinnen mit einer geringeren Bezahlung zufrieden geben und – wollten sie den Beruf nicht aufgeben – auf Ehe und Familie verzichten.
Den Grund für die trotz alledem feststellbaren egalitären Tendenzen bei der Ausgestaltung des Lehrerberufs sieht Kling darin, dass sich die Tätigkeiten Unterrichten und Erziehen nicht geschlechtsspezifisch aufspalten und hierarchisieren ließen. Ihre Schlussfolgerung „Je weniger sich Berufe in hoch- und niedrigrangige Tätigkeiten ausdifferenzieren ließen, um so höher war der Status der dort beschäftigten Frauen“ (S. 249) muss jedoch mit einem Fragezeichen versehen werden. In der Regel führte nämlich die Unmöglichkeit der geschlechtsspezifischen Segregierung zum rigiden Ausschluss von Frauen in diesem Bereich. Vielmehr ist die Verankerung von Lehrerinnen im staatlichen Unterrichtswesen vor dem Hintergrund zeittypischer Vorstellungen einer spezifisch weiblichen Eignung zum Erziehen (insbesondere kleiner Kinder und Mädchen) zu sehen.

Hält das Kapitel über die badischen Lehrerinnen wegen innerdeutscher Gemeinsamkeiten wenig Überraschendes parat, weshalb eine inhaltliche Straffung von Vorteil gewesen wäre, so geraten am Beispiel der badischen Gewerbeinspektorin regionalspezifische Besonderheiten in den Blick. Gewerbeinspektionen wurden auf Betreiben von Sozialreformern, der Arbeiter- und Frauenbewegung und aus dem Bedürfnis nach staatlicher Kontrolle der Auswirkungen des Industrialisierungsprozesses nicht nur in Deutschland, sondern auch in verschiedenen Staaten Westeuropas und Nordamerikas eingerichtet. Im Deutschen Reich fungierte einzig die badische Fabrikinspektion als zentrale Landesbehörde direkt unter dem Innenministerium und nicht – wie etwa in Preußen – als mittlere Instanz unter dem Handelsministerium. Kling zeigt dabei auf, dass die Sonderstellung der Fabrikinspektorin in Baden mit den dort „geringeren politischen Spannungen und den traditionelleren Verwaltungsstrukturen“ zusammen hing. (S. 215) Verallgemeinern lassen sich hingegen die aufgezeigten Konflikte um den Arbeitsbereich der Gewerbeinspektorin. Sie werfen ein grelles Licht auf Vorbehalte in Gesellschaft und Beamtenschaft, wenn es um die Besetzung höher angesiedelter Positionen ging: „Die männliche Exklusivität des höheren Dienstes blieb bis nach dem Ersten Weltkrieg gewahrt.“ (S. 247)

Alles in allem ist es Kling dank des breit gefassten Forschungsraums gelungen, eklatante Zäsuren bei der Beschäftigung von Frauen offen zu legen und in ihren gesellschaftspolitischen Hintergrund einzuordnen. Es wurde deutlich, dass bis zur Jahrhundertmitte noch ältere, „vormoderne“ Beschäftigungsmuster nachwirkten mit ihren positiven Aspekten für Frauen.
Ab den 1860-er Jahren lässt sich jedoch ein Prozess der Geschlechtstypisierung beobachten mit der Entwicklung neuer, gering angesehener und bezahlter Beschäftigungsfelder für Frauen. Diese Entwicklung verlief – so Kling – ähnlich der Privatwirtschaft nach „in der Gesellschaft allgemein gültigem Muster“.(S. 243) Zwar ist dies prinzipiell richtig, doch die auch von Kling heraus gestellte, rein auf Männer bezogene Genese des Berufsbeamtentums und die Tatsache, dass im öffentlichen Dienst – anders als in der Privatwirtschaft – neben wirtschaftlichen Erwägungen auch politische Ziele eine große Rolle als Entscheidungsfaktor spielten, wirkten sich besonders nachteilig auf die Beschäftigung von Frauen aus. Hier empfiehlt sich ein Blick auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg: Personalabbauverordnung und Doppelverdienerparagrafen waren mit ihrem Berufsverbot für verheiratete Frauen ein Spezifikum öffentlicher Verwaltungen. Letztere blieben sogar bis in die 50-er Jahre hinein wirksam. Erst mit dem Gleichberechtigungspostulat des Grundgesetzes ließen sich die strukturellen Gegebenheit des öffentlichen Dienstes für Frauen positiv wenden: Dank der strikten Formalisierung der Beschäftigungsverhältnisse ist es möglich geworden, die mittlerweile gesamtgesellschaftlich erhobenen Gleichberechtigungsforderungen eher zu verankern als in der Privatwirtschaft. Zu ihrer faktischen Umsetzung bedarf es allerdings einer grundlegenden Infragestellung der bis heute wirksamen Vorstellung eines universalen Geschlechtscharakters und damit einhergehend der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Vernachlässigt wurde in Klings Arbeit leider die Rolle der Frauen selbst bzw. ihrer gesellschaftspolitischen Repräsentantin, der Frauenbewegung, bei der Ausbildung und Verfestigung des bürgerlichen Geschlechterrollen-Modells (bspw. Stichwort „geistige Mütterlichkeit“).

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