K. D. Rose: Myth and the Greatest Generation

Titel
Myth and the Greatest Generation. A Social History of Americans in World War II


Autor(en)
Rose, Kenneth D.
Erschienen
New York 2008: Routledge
Anzahl Seiten
384 S.
Preis
$ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Reiß, Department of History, University of Exeter

Am 29. Mai 2004, neunundfünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde das „National World War II Memorial“ in Washington DC offiziell eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die späteren Kriege in Korea und Vietnam bereits lange ihre eigenen Gedenkstätten im Herzen der amerikanischen Hauptstadt, und deren geografische Lage bestimmte nun im Wesentlichen den Ort für das neue Denkmal. Die umstritteneren und weniger erfolgreichen Kriege in Fernost hatten Denkmäler in der Nähe des Lincoln Memorials am Ende der Mall bekommen. Das „National World War II Memorial“ wurde daher auf die eigentlich als sakrosankt geltende Achse zwischen den Denkmälern für George Washington, dem Gründervater der Vereinigten Staaten, und Abraham Lincoln, ihrem Bewahrer, gebaut. Seine Lage direkt auf der Mall verdeutlicht so die zentrale Bedeutung, die der Zweite Weltkrieg mittlerweile für das Selbstverständnis der Amerikaner besitzt. Das Denkmal selber ist die Stein gewordene Verkörperung des Paradigmas vom „Guten Krieg“, in dem ein geeintes Amerika einen ihm aufgezwungenen gerechten Verteidigungskrieg gegen Aggressoren in Europa und Asien kämpfte und dadurch Freiheit und Recht zum Sieg verhalf. Es ist, in den Worten eines Kommentators, ein „inspiring testimony to the passion, optimism, courage, and heroism of the World War II generation of Americans“. 1

Die so geehrte Generation hatte sich unmittelbar nach dem Krieg nichts sehnlicher gewünscht, als den Krieg hinter sich zu lassen und ihr Zivilleben wieder aufzunehmen. Das Schweigen der „silent generation“ begünstigte vor allem nach dem Desaster des Vietnamkrieges ihre Umdeutung zur „greatest generation“ sowie die zunehmende Wahrnehmung des Zweiten Weltkrieges als den „Good War“. 2 Die zeitgleich einsetzenden Versuche amerikanischer Historiker, ein realistischeres Bild der Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg zu zeichnen, konnten die breite Akzeptanz des Bildes vom „Guten Krieg“ in der amerikanischen Bevölkerung nicht verhindern. Nach den Werken von John Morton Blum, Paul Fussell, Michael C. C. Adams, John Jeffries und vielen anderen hat Kenneth D. Rose nun mit Myth and the Greatest Generation erneut einen Versuch unternommen, die amerikanische Erfahrung im Zweiten Weltkrieg differenziert und kritisch darzustellen. 3

Die Einleitung bietet einen historiografischen Überblick sowie eine Diskussion des Mythos von der „greatest generation“. Es folgen vier weitere Teile, wobei der erste sich mit dem Krieg außerhalb der amerikanischen Landesgrenzen befasst. Rose behandelt die unterschiedliche Wahrnehmung des deutschen und japanischen Gegners und die daraus resultierenden Unterschiede in der Kriegsführung in Europa und Asien. Die Erfahrung des Krieges sowie die psychologischen Folgen werden diskutiert, ebenso wie das Freizeitverhalten der GIs in Übersee und was die amerikanische Bevölkerung an der Heimatfront über die Situation ihrer Soldaten erfuhr. Der letzte Abschnitt des ersten Teils behandelt die Versuche der amerikanischen Regierung, der Privatwirtschaft sowie der Soldaten und Zivilisten, den Krieg mit Sinn zu füllen.

Der zweite Teil des Buches behandelt die amerikanische Heimatfront. Rose schildert die Anstrengungen, die Vereinigten Staaten gegen Angriffe von Innen und Außen zu schützen sowie die Wirtschaft und Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren. Die Kampagnen für den Kauf von Kriegsanleihen werden angesprochen, ebenso wie eine ganze Reihe von sozialen Problemen und Spannungen. Das Schicksal verschiedener Minderheitengruppen wird diskutiert (African Americans, Hispanics, Japanese Americans, Juden und Homosexuelle), ebenso wie die sich wandelnde Situation amerikanischer Frauen und Kinder.

Der dritte Teil des Buches trägt den Titel „Americans and the Culture of World War II“. Rose diskutiert nicht nur mit großer Sachkenntnis die Rolle der amerikanischen Filmindustrie während des Krieges, sondern auch wie diverse Filmstars von James Stewart über Clark Gable bis Ronald Reagan den Krieg erlebten. Verschiedene Filme, die den Krieg behandeln, werden vorgestellt, ebenso wie die populäre Musik dieser Zeit. Die Bedeutung von USO Shows, Cartoons und Büchern sowie des Theaters für die Freizeitgestaltung von Soldaten und Zivilisten wird geschildert. Besonders viel Raum widmet Rose der Literatur der Kriegszeit sowie späteren Werken über den Krieg.

Der vierte und letzte Teil behandelt die Endphase des Krieges sowie die Erfahrung der Heimkehrer. Rose schildert die verlustreichen Endkämpfe in Europa und Asien sowie die Entdeckung der Konzentrationslager. Er diskutiert die Entscheidung zum Einsatz der Atombomben und zeigt ausführlich die große Bandbreite von Schwierigkeiten, die die Wiedereingliederung der Veteranen in das Zivilleben begleiteten. Behinderungen, eheliche Untreue, Alkoholismus und andere Probleme werden angesprochen, so dass am Ende des Buches von der These der „greatest generation“ kaum noch etwas übrig bleibt.

Dass es Rose mit seinem Buch jedoch gelingen könnte, die breite Akzeptanz dieser These in der amerikanischen Gesellschaft zu erschüttern, erscheint auch ihm selbst zumindest zweifelhaft (S. 3). Zu viele andere, einschließlich einiger Kriegsveteranen wie z.B. Paul Fussell, sind vor ihm mit diesem Vorhaben gescheitert. Myth and the Greatest Generation bietet keine substantiell neuen Erkenntnisse, ist aber eine hervorragend geschriebene Zusammenfassung des Forschungsstands, die sich zudem auf vielfältige Quellen stützt. Positiv hervorzuheben sind ebenso der intelligente Einsatz von Bildern, eine detaillierte Chronologie der wichtigsten Ereignisse sowie der umfangreiche Index. Der positive Gesamteindruck wird lediglich durch das Fehlen einer Bibliografie sowie durch den unübersichtlichen Aufbau des Buches gestört, der zwischen thematischer und chronologischer Gliederung schwankt. Obwohl sich Rose um eine möglichst breite Darstellung bemüht, werden einige Felder doch zu knapp abgehandelt. Seine Schilderung der Situation amerikanischer Frauen konzentriert sich zum Beispiel zu sehr auf weiße Frauen der Mittelklasse, und die Forderungen des „Negro March on Washington“ 1941 werden nur unvollständig wiedergegeben (S. 132). Zu debattieren wäre auch seine Feststellung, dass der Einsatz der Atombombe gegen Japan die einzige Möglichkeit darstellte, eine Invasion der japanischen Hauptinseln zu vermeiden (S. 218-220). 4 Obwohl Rose die psychologische Wirkung der Atombombe anerkennt, sieht er trotzdem keinen signifikanten Unterschied zu einem konventionellen Angriff mit Brandbomben (S. 220). Die Notwendigkeit einer zweiten Bombe auf Nagasaki so kurz nach dem Angriff auf Hiroshima wird nicht in Frage gestellt, und die Forschungsergebnisse von Gar Alperovitz werden zu knapp und nur unvollständig präsentiert (S. 221). All dies tut der Qualität von Myth and the Greatest Generation jedoch keinen Abbruch. Das Buch eignet sich besonders für alle, die einen Einstieg in das Thema suchen, und es ist aufgrund seiner klaren Stellungnahmen und guten Lesbarkeit auch für die Lehre zu empfehlen.

Anmerkungen:
1 Hugh Hardy, Fellow of the American Institute of Architects, in Douglas Brinkley (Hrsg.), The World War II Memorial: A Grateful Nation Remembers, Washington DC 2004, S. 4. Zur Geschichte des Denkmals siehe das Buch von Nicolaus Mills, Their Last Battle: The Fight for the National World War II Memorial, New York, 2004. Für Bilder siehe die offizielle Webseite: <http://www.wwiimemorial.com/> (17.09.2008).
2 Beide Begriffe sind durch Titel von Büchern popularisiert worden, die relativ spät erschienen sind. Sie drücken jedoch Konzepte aus, die bereits längere Zeit im Umlauf waren. Tom Brokaw, The Greatest Generation, New York 1998; Studs Terkel, “The Good War”: An Oral History of World War Two, New York 1985. Im Gegensatz zu Terkel, der seinen Titel in skeptische Anführungszeichen stellte, ist Brokaw ein offensiver Verfechter seiner These.
3 John Morton Blum, V Was for Victory: Politics and American Culture during World War II, New York 1976; Paul Fussell, Wartime: Understanding and Behavior in the Second World War, New York 1989; Michael C. C. Adams, The Best War Ever: America and World War II, Baltimore 1994; John W. Jeffries, Wartime America: The World War II Home Front, Chicago 1996. Siehe auch: Richard Lingeman, Don’t You Know There’s A War On? The American Home Front, 1941-1945, New York 1970/2003; William L. O’Neill, A Democracy at War: America’s Fight at Home and Abroad in World War II, New York 1993; Lewis A. Erenberg / Susan E. Hirsch (Hrsg.), The War in American Culture: Society and Consciousness during World War II, Chicago, 1996.
4 Rose schreibt unter anderem: „It was America’s great good fortune (and arguably Japan’s good fortune as well) that the atomic bomb would make such an invasion unnecessary.“ (S. 218). Für eine Zusammenfassung der Debatte über den Einsatz der Bombe siehe Edward T. Linenthal / Tom Engelhardt (Hrsg.), History Wars: The Enola Gay and other Battles for the American Past, New York, 1996.

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