Titel
Familienstand ledig. Ehelose Frauen und Männer im Bürgertum (1850-1914)


Autor(en)
Kuhn, Bärbel
Reihe
L'Homme, Schriften 5
Erschienen
Köln 2000: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
488 S.
Preis
€ 34,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Margret Friedrich, Institut fuer Geschichte

Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde in Österreich die Einführung einer "Hagestolzensteuer" diskutiert und zur selben Zeit der Aufbau zweier staatlicher Mädchenpensionate für verwaiste bzw. mittellose und daher mit geringen Heiratschancen ausgestattete Offiziers- und Beamtentöchter in Angriff genommen zu deren Ausbildung als Gouvernanten. Ledige Männer und Frauen, gerade des sich formierenden neuen Bürgertums, wurden ein Thema im absolutistischen Staat, die einen, weil sie der zur Förderung des "Gemeinwohls" für notwendig erachteten Familiengründung nicht nachkamen, die anderen, weil sie Versorgungsfälle zu werden drohten. Doch wurde erstere Maßnahme gar nicht, zweitere nur in beschränktem Ausmaß durchgesetzt. Die "Ledigenfrage" entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem Teil der "Frauenfrage", während im ausgehenden 20. Jahrhundert der Anteil von Single-Haushalten in städtischen Wohnbereichen durchaus bei einem Drittel liegen konnte. Die heutige Häufigkeit dieser Lebensform regte Bärbel Kuhn zu ihrer Untersuchung des "Single-Daseins" im 19.Jahrhundert anhand von Selbstzeugnissen, v.a. Autobiographien und Briefen, an. Dabei sieht sie weder den Hagestolz noch das Fräulein, das, auch wenn "es" noch so leistungsfähig war, sich einer Verkleinerungsform und des grammatikalischen Neutrums erfreuen durfte und sehr schnell zur alten Jungfer mutieren konnte, als Vorläufer der heutigen Singles, wohl aber haben ihrer Auffassung nach auch die unverheiratet gebliebenen Männer und Frauen des 19. Jahrhunderts versucht, bzw. daran gearbeitet, dem Ehe- und Familienmodell alternative Lebensgestaltungsmöglichkeiten gegenüberzustellen.

Das Sample setzt sich zusammen aus Selbstzeugnissen von 68 zwischen 1808 und 1905 geborenen Frauen und von 61 zwischen 1760 und 1883 geborenen Männern, wobei generell festgestellt werden konnte, daß für ledige Männer reichhaltigeres Quellenmaterial vorlag. Die zeitliche und räumliche Streuung ist meiner Meinung nach zu groß, eine Begründung für die unterschiedlichen Zeiträume der Geburtsdaten fehlt, bei den Männern wurden auch Selbstzeugnisse von Schweizern und Österreichern berücksichtigt. Das Untersuchungsfeld ist begrenzt auf Frauen und Männer aus dem Bürgertum. Anhand dieses Quellenmaterials sollte die "Wahrnehmungsebene" rekonstruiert werden, für die Diskursebene wurden zusätzlich zeitgenössische Schriften zu Ehe, Familie und Frauenfrage untersucht, außerdem Ratgeber, punktuell auch Familienzeitschriften sowie fiktionale Texte, soweit sie zentrale gesellschaftliche Themen behandelten.

Die zentrale Frage der Arbeit behandelt die Lebens-, Wahrnehmungs- und Verarbeitungsformen von Ehelosigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Liberalismus/ Individualismus und Heiligung der Familie, wobei Bärbel Kuhn den Individualisierungsprozeß für Frauen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzen läßt - eine Aussage, die nur mit allergrößter Vorsicht und Einschränkung zu treffen ist.

Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert. Der erste Teil befaßt sich mit den ledigen Frauen, mit Bildern von und Vorurteilen gegenüber der "alten Jungfer", der Frauenfrage als Ledigenfrage und, anhand von drei Selbstzeugnissen, mit Frauenantworten, mit der Rekonstruktion, wie Frauen ihr Leben als Unverheiratete gestalteten. Der zweite Teil behandelt den gesellschaftlichen Blick auf unverheiratete Männer und, wiederum anhand von Selbstzeugnissen dreier Männer, individuelle Wertungen und Gestaltungen von "Hagestolzenleid" und "Hagestolzenfreud". Im dritten Teil zeigt Bärbel Kuhn anhand des reichen Quellenmaterials Formen und Strategien der Lebensbewältigung von unverheiratet gebliebenen Frauen und Männern auf.

Für ein selbstgewähltes Alleinleben von Frauen bot die bürgerliche Gesellschaft zunächst wenig Raum, auch für den Umgang mit alleinlebenden Frauen gab es kaum konventionalisierte Verhaltensformen, erst mit der Frauenbewegung wurde das Thema "erwerbstätige Frau" stärker in der Öffentlichkeit präsent: Ausgehend vom Problem einer zahlenmäßig relativ kleinen Gruppe, der unverheirateten Töchter des Bürgertums, wurde diese Frage als allgemeine diskutiert, weitete sich schließlich auch vom Aspekt einer Notversorgung hin zu Ansprüchen berufstätiger junger Frauen an die Gesellschaft und zur Thematisierung der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit der Frau und Ehe aus. Bärbel Kuhn verweist auf die Verbesserung der Mädchenbildung, die Vermehrung der Zahl der höheren Mädchenschulen, die Zulassung der Frauen zur Universität und zu akademischen Berufen, geht aber nicht auf die berufsbildenden Schulen und Kurse ein, auch nicht darauf, daß der Akademikerinnen im Betrachtungszeitraum nur wenige waren und ihnen, je mehr sie eine ihrem Studienabschluß und ihren Fähigkeiten entsprechende Karriere anstrebten, umso massivere Barrieren entgegengestellt wurden. Generell blieb die Erwerbstätigkeit von Frauen auf wenige Berufsfelder beschränkt, auf Erziehung, Pflege, Dienstleistung und weibliche Handarbeiten, wo sie sich dann selbst konkurrenzierten, sowie auf diverse zuarbeitende Tätigkeiten. Auch die Argumentation mit der "geistigen Mütterlichkeit", die eine systeminterne Aufwertung der ledigen Frauen bedeutete, zielte nur in diese Richtung.

Bärbel Kuhn zeigt, wie bei Wohn- und Lebensgemeinschaften von ledigen Frauen der ökonomische und soziale Aspekt betont wurde. Im Gegensatz zu miteinander lebenden unverheirateten Männern gerieten sie kaum in den Verdacht der Homosexualität, der entsprechende Paragraph des Strafgesetzbuches galt nicht für sie. Allerdings kamen Frauenfreundschaften, je mehr sich Frauen von männlicher Für- und Obsorge unabhängig machten, stärker in Diskussion. Das BGB brachte einige Verbesserungen für die Situation unverheirateter Frauen. Zusammenfassend stellt Bärbel Kuhn fest, daß die sozioökonomischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts den Boden bereiteten für Autonomiebestrebungen von Frauen, die in der männlichen Rede von Liberalismus oder Individualität nicht vorgesehen waren. Dieses neue Frau-Sein erschütterte die nach dem Komplementaritätsprinzip gebildeten Vorstellungen vom Mann-Sein, sowie die in der Geschlechterkomplementarität enthaltene hierarchische Komponente. Männern schien ihr traditionelles Selbstverständnis durch ökonomisch unabhängigen (von einer freien Gestaltung ihres Sexuallebens konnte noch lange nicht die Rede sein), ihre eigenen Lebensformen wählenden, möglicherweise auf dem Arbeitsmarkt als Konkurrentinnen auftretenden Frauen massiv bedroht, kaum einer konnte darin positive Alternativen erkennen. Am wenigsten wurde die Vorstellung von den Geschlechtscharakteren angetastet, wenn sich auch unverheiratete Frauen im "Dasein für andere" erschöpften, im Sinne der "geistigen Mütterlichkeit" agierten.

Wie nun unverheiratet gebliebene Frauen auf die bestehenden Strukturen und Vorstellungsweisen reagierten, inwieweit sie sich beugten, sie geschickt nutzten oder ihren Handlungsradius erweiterten, zeigt Bärbel Kuhn anhand der Selbstzeugnisse von Adelheid Mommsen, Frieda Duensing und Marie von Bunsen, alle drei in den 1860-er Jahren geboren, alle drei immer oder doch die meiste Zeit ihres Lebens in Berlin lebend: Marie von Bunsen, die als Kind mit ihrer Familie bei Kronprinzens verkehrte, die sich in einer untergehenden Welt des Adels als Dame inszenierte und ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit so lebte, daß sie als weiblicher Junggeselle galt (wobei sich die Frage stellt, inwieweit sie als Beispiel für eine Frau des Bürgertums stehen kann), Adelheid Mommsen, die als Tochter der kinderreichen Professorenfamilie Mommsen bei ihrem Studium und bei dem schließlich klassischen Weg der Gründung einer eigenen Schule von ihrem Vater finanziell und durch seine Beziehungen unterstützt wurde und die sich nicht nur mit der Schule, sondern auch mit der Aufnahme zweier Pflegetöchter eine Ersatzfamilie schuf, Frieda Dünsing, die nach der klassischen Lehrerinnenausbildung in Zürich Jus studierte, promovierte, in Berlin als Juristin arbeitete und schließlich Leiterin der Sozialen Frauenschule wurde und damit sicherlich die höchste für eine Frau damals erreichbare Stufe der Karriereleiter einnahm.

Bärbel Kuhn stellt hier drei individuell gestaltetete Lebenswege vor, deren immer noch frauentypische aber doch relativ variantenreiche Gestaltung allerdings nur in einer Großstadt, vielleicht sogar nur in einer Hauptstadt mit ihrem reichen Bildungs- und Berufsangebot und dem Vorhandensein von Frauennetzwerken möglich war.

Auch wenn dieses erste Großkapitel speziell nach den Lebensbedingungen für unverheiratete Frauen fragt, bringt es inhaltlich nicht sehr viel Neues für Wissenschaftlerinnen, die sich mit der Geschichte der Mädchenbildung, der bürgerlichen Frauenbewegung, der Geschichte von Frau und Recht, Selbstzeugnissen von Frauen usw. befaßt haben. Die zahlreichen in den Fußnoten angeführten Arbeiten verweisen ebenfalls darauf.

Wenig thematisiert wurde im gleichen Zeitraum die Situation unverheirateter Männer. Sie wurden nicht zum Inhalt einer "Frage", da die Erreichung von Bildungszertifikaten und einer diesen adäquaten Berufstätigkeit einen wesentlichen Bestandteil der Knabenbildung ausmachten, das Auftreten als Einzelperson bei Männern gesellschaftlich akzeptiert war, ihnen nie als ihre wesentliche "Bestimmung" vorgehalten wurde, Ehemann und Vater zu sein, sie daher im Fall der Nichtverheiratung ihre "Bestimmung" auch nicht verfehlt hatten. Außerdem waren Männer nicht an ein bestimmtes Heiratsalter gebunden. Und es wurden Junggesellen durchaus von ihren verheirateten Geschlechtskollegen beneidet als selbstbestimmt leben könnende Menschen, die frei sind von der Last der Verantwortung.

Bärbel Kuhn geht auch hier auf (Hinter-)Gründe und Folgen männlicher Ehelosigkeit und die zeitgenössischen Lösungsvorschläge ein, die von der Diskussion einer progressiven Junggesellensteuer und des Übergangs des Erbes an den Staat bis zum Appell reichten, daß Männer durch ihre Verheiratung die Frauen wieder ihrem "Naturberuf" zuführen und damit auch den Arbeitsmarkt von drohender weiblicher Konkurrenz entlasten sollten. Weitaus weniger hatte der unverheiratete Mann gegen ein negatives Image zu kämpfen, seine Versorgung stellte gerade in Städten kein Problem mehr da, sein Sexualleben war nicht Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Diesen zweiten Hauptteil zusammenfassend stellt Bärbel Kuhn fest, daß Männer die Schuld an der Frauenfrage Männern gaben, die sich der Eheschließung verweigerten. Man konstatierte, daß nicht nur die "Frauenfrage" den Männern entglitten sei, sondern ebenso die Erziehung und Bevormundung der Frauen - und daß damit die alte Ordnung fundamental erschüttert werde. Größer schien das Verständnis für weibliche Ehelosigkeit, da Frauen diese als Schicksal ertragen müßten, während Ehelosigkeit bei Männern für eine bewußte Entscheidung gehalten wurde. Die Funktion von Ehe und Familie war nicht mehr sicher - war sie ein Hort der Geborgenheit im Konkurrenzkampf "draußen" oder diesem hinderlich oder gar eine zusätzliche Last, da der Status der gesamten Familie gewahrt werden mußte? Insgesamt blieb die Diskussion der Junggesellenfrage verhalten. Kuhn schließt diesen Abschnitt mit einem Zitat Marianne Webers, die prognostizierte, daß das durch außerhäusige Erwerbstätigkeit erstarkte Selbstwert- und Selbständigkeitsgefühl der Frauen auch den Ehepatriarchalismus zersetzen werde, ein Zitat, das vielleicht besser am Ende des ersten Kapitel plaziert gewesen wäre.

Anders als im ersten Kapitel gestaltet Bärbel Kuhn die alltagsgeschichtlichen Einblicke: Nicht mehr um die Lebensbewältigungsmechanismen und Lebensstile von drei fast gleichaltrigen Menschen in der Reichshauptstadt Berlin geht es, sondern um Gottfried Keller, Max Eyth und Ernst Barlach, geboren 1819, 1836 und 1870, die an völlig unterschiedlichen Orten lebten. Die Frage war, wie sie als unverheiratete Männer, die der allgemeinen Einschätzung nach jederzeit hätten heiraten können, in einer familienorientiertn Gesellschaft ihren Alltag gestalteten, ob Fremd- und Selbstwahrnehmung differierten. Auch diese drei Männer suchten sich Ersatzfamilien, sei es, daß sie mit der Schwester zusammenlebten, eine Hausdame beschäftigten und sich um Nichten und Neffen kümmerten oder das Sorgerecht für den unehelichen Sohn erkämpften.

Im dritten Hauptteil folgt ein Vergleich der Formen und Strategien der Lebensbewältigung zwischen "Hagestolz" und "neuer Jungfer" hinsichtlich der Weichenstellungen und Entscheidungen für ein eheloses Leben, ihrer Berufstätigkeit und ihres privaten Lebens, also der Wohnverhältnisse, der Erledigung der Hausarbeit, des Essens, der Rolle von Familie und Verwandtschaft, Freundinnen und Freunden, der Teilnahme an und Gestaltung von Geselligkeit und Festen, Reisen und Freizeit, ihrem Umgang mit Sexualität, der Pflege bei Krankheit und Alter, ihres Befassens mit dem Tod, wobei sie sich nicht mit dem Gedenken der nächsten Generation und dem vielzitierten "Weiterleben" in den Kindern trösten konnten. Für diesen Teil schöpft Bärbel Kuhn aus dem gesamten Quellenfundus, was die Gefahr birgt, daß er sich streckenweise als Aneinanderreihung von Quellenzitaten präsentiert, auch redundant wird. Der Eindruck verstärkt sich, da auch die Schlußbemerkungen wieder mit Quellenzitaten und zahlreichen Fallbeispielen einsetzen.

Doch resümiert Bärbel Kuhn schließlich, daß die beherrschende Idee von der Komplementarität der Geschlechter Alleinlebende in Identitätskrisen stürzen konnte, Frauen mehr als Männer, da für sie dieser Lebensweg noch weniger vorgesehen war (ein Widerspruch, den Frauenrechtlerinnen mit spitzer Feder anprangerten), daher eine individuelle Lebensgestaltung größere Schwierigkeiten bereitete, aber auch eine größere Herausforderung bedeuten konnte. Unverheiratete Frauen hatten häufiger Rollenkonflikte zu bewältigen, v.a. wenn sie plötzlich die Familienernährerrolle für ihre Herkunftsfamilie spielen mußten. Bärbel Kuhn beobachtete eine allmähliche Aufweichung der Grenzen zwischen den "typisch männlichen" und "typisch weiblichen" Geschlechtseigenschaften, wobei selbständigen Frauen oft das Attribut "männlich" von weiblichen und männlichen Mitmenschen zugeschrieben wurde, während sich Männer die Zuschreibung weiblicher Eigenschaften versagten. Festzustellen war auch die Angst vor der Gefährdung der Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft, wenn das Beispiel individueller Lebensentwürfe Schule machen würde. Damit in Zusammenhang stand ein direkter Vorwurf an die angeblich heiratsunwilligen Männer, sie verweigerten einen gesellschaftlichen Auftrag, der sie aber, wie aus den privaten Quellen und öffentlichen Erörterungen zu schließen ist, nicht besonders traf.

Größere Probleme zeigten sich bei Lebensgemeinschaften von Männern, intern wohl nicht zuletzt deshalb, weil keiner die (be-)dienende Rolle übernehmen wollte, von außen, da sehr schnell der Verdacht auf eine homosexuelle Beziehung geäußert werden konnte. Generell wurde bürgerlichen Moralvorstellungen zumindest vordergründig entsprochen. Ein tieferer Einblick könnte hier nur, und auch dann höchstens vereinzelt, in ungedruckten privaten Quellen gewonnen werden. Bei beiden Geschlechtern ließ sich aus den Selbstzeugnissen ein Anspruch auf Wohnlichkeit, Behaglichkeit, Häuslichkeit festmachen sowie die Schaffung einer Ersatzfamilie. Auch wenn, freiwillig oder gezwungenermaßen, andere Lebensformen gewählt wurden, behielt Familie also ihren Wert.

Bärbel Kuhn sieht als weiteres Ergebnis ihrer Arbeit, daß sich "die Wünsche und Träume" von unverheirateten Frauen und Männern kaum unterschieden, deren Realisierung weniger von der Geschlechtszugehörigkeit als von der jeweiligen Persönlichkeit abhingen. Speziell bei unverheirateten Frauen konnte sich, so sie ökonomische Unabhängigkeit erlangt hatten, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung allmählich verändern, ihr Aktionsradius wesentlich erweitern. Trotz der ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen für ledige Männer und Frauen hätten sich ihre Lebensformen, die Strategien ihrer Alltagsbewältigung in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts angenähert: "Die Probleme, die es zu bewältigen galt, waren zu sehr allgemein menschlicher Natur, als daß sie für eine Frau oder einen Mann grundsätzlich andere Lösungswege erfordert hätten."(435)

Diesen Satz würde ich in dieser allgemeinen Formulierung nicht unterschreiben; hinsichtlich der ledigen Frauen kann er nur für diejenigen gelten, die ökonomisch unabhängig waren, sich nicht am Existenzminimum bewegten oder gar auf Versorgung angewiesen waren, und die durch berufliches, soziales, politisches Engagement die Möglichkeit hatten, die eng gesteckten Grenzen zu weiten. Und ob es "die ´Normalität´, die ledige Frauen und Männer vorlebten", war, die "sicherlich zu einer breiteren Akzeptanz des alternativen Modells beigetragen" hat,(435) sei zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Trotzdem bleibt Bärbel Kuhn das Verdienst, mit dieser, sowohl was die verwendeten Quellen als auch die eingearbeitete Literatur betrifft, sehr materialreichen Arbeit zahlreiche Aspekte der Lebenswirklichkeiten von ledigen Männern und Frauen des Bürgertums im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert dargestellt zu haben.

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