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Titel
Bunker. Kriegsort, Zuflucht, Erinnerungsraum


Herausgeber
Marszolek, Inge; Buggeln, Marc
Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Campus Verlag
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 32,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ralf Blank, Historisches Centrum Hagen

Bunker als Zeugnisse kriegerischer Auseinandersetzungen, der Vorbereitung auf Konflikte oder aber des „Kalten Krieges“ gehören zu den baulichen Objekten, die bisweilen für eine hohe Aufmerksamkeit in der interessierten Öffentlichkeit und in den Medien sorgen. Beispiele für das große mediale Interesse an diesem Thema sind die Überreste des „Führerbunkers“ in Berlin, der ehemalige Befehlsbunker der DDR-Regierung bei Prenden im Barnimer Land oder der bundesdeutsche Regierungsbunker im rheinland-pfälzischen Altenahr. Das nationalsozialistische Regime ließ Tausende Bunker im Gebiet des Deutschen Reichs und in den besetzten Ländern Europas errichten. Sie stellen bis heute Relikte des Zweiten Weltkriegs dar, deren hohe Bedeutung als Erinnerungs- und Gedenkorte in den letzten Jahren steigt, seit die Zahl der Zeitzeugen als „Erinnerungsträger“ immer geringer wird.

Die nach dem „Führer-Luftschutzprogramm“ ab Herbst 1940 und vorwiegend bis 1943/44 gebauten Hochbunker und Großstollen in mehr als 50 deutschen Großstädten sind dort heute häufig die einzigen architektonischen Zeugnisse der NS-Herrschaft. Dass es sich um Baudenkmäler handelt, dürfte mittlerweile kaum noch ernsthaft in Frage gestellt werden. Doch gerade Lokalpolitiker und Verwaltungen ignorieren und negieren den Denkmalwert dieser Bauwerke häufig, wenn es um Bauplanungen in den Städten geht. Aufnahme in den so genannten Architekturführern, die in den letzten Jahren in vielen Städten erschienen sind, finden die NS-Bauten ebenfalls nur sehr selten.

Die Geschichte deutscher Bunker ist eng verwoben mit dem Bombenkrieg und der „Heimatfront“ 1939–1945, aber auch mit der Nachkriegszeit, wo sie häufig als provisorische Wohnorte für Flüchtlinge, Vertriebene und Obdachlose dienten. Errichtet von einem Großaufgebot ausländischer Arbeitskräfte, besonders italienische Baufacharbeiter, und Zwangsarbeiter, örtlich auch von KZ-Häftlingen, reichen sie bis auf die Ebene der NS-Verbrechen. Auf der anderen Seite waren die Bunkerbauten für die deutsche Zivilbevölkerung eng mit städteplanerischen Konzepten der Nationalsozialisten verbunden, die einhergingen mit Planungen für den Wiederaufbau nach einem illusionären „Endsieg“.

Seit den 1970er-Jahren wird immer wieder versucht, die nackten Betonfassaden der als hässlich empfundenen Bunker durch Farbanstriche und Motivgestaltungen zu verändern oder das urbane Umfeld anzupassen. Doch diese Experimente, den Charakter und die in den Bunkern konservierte Geschichte zu übertünchen, erweisen sich als ebenso sinnlos wie eine völlige Beseitigung. Selbst die durch den Einbau von Fenstern und Türen entmilitarisierten Bunker bewahren in der äußeren Gestalt ihren eigentlichen Zweck.

Die Bunker als düstere Hinterlassenschaften des „Dritten Reichs“ finden in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit in populären Publikationen, in Websites und nicht zuletzt auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Eine ausführliche und immer noch aktuelle Auseinandersetzung mit Bunkern als Erinnerungs- und Gedenkorten gab Silke Wenk 2001 heraus, während Michael Foedrowitz 1998 eine zusammenfassende Übersicht zum Bunkerbau in Nordwestdeutschland publizierte.1 Weitere Darstellungen beschäftigten sich mit dem „Atlantikwall“, jener monumentalen und propagandistisch aufgewerteten Befestigungslinie entlang der europäischen Küsten, dem „Westwall“, „Führerhauptquartieren“, Flakbunkern in Hamburg, Wien und Berlin sowie mit U-Boot-Bunkern in deutschen und französischen Hafenstädten. Vielfach fokussieren sich diese Veröffentlichungen auf architektonische, technische und militärische Aspekte; andere Publikationen stellen wiederum den Erinnerungswert dieser Bauwerke heraus.

In die Reihe wissenschaftlich fundierter Veröffentlichungen zum Thema Bunker reiht sich nun der von Inge Marszolek und Marc Buggeln herausgegebene Band ein. Inhaltlich schließt er an das erwähnte Buch von Silke Wenk an und enthält, unterteilt in drei Kapitel (1. Bunker in Deutschland, 2. Bunker in der Welt, 3. Bunker: Architektur und Ästhetik), neben der sehr guten Einleitung der beiden Herausgeber 18 Beiträge. Das Spektrum der Aufsätze reicht von Zeitzeugenberichten aus Bunkern während der britischen Angriffsserie auf Hamburg im Sommer 1943 (Ulrich Lamparter/Christa Holstein/Birgit Möller/Silke Wiegand-Grefe) über Zivilschutzbunker in der Bundesrepublik Deutschland 1950–1965 (Nicholas J. Steneck) und britische Luftschutzräume im Zweiten Weltkrieg (Bernd Lemke) bis hin zur „Theorie vom Ruinenwert“ Albert Speers (Christian Fuhrmeister/Hans-Ernst Mittig) und US-amerikanischen Atomschutzbunkern (Kenneth D. Rose) sowie zur Nutzung von Bunkern als Sehenswürdigkeiten (Nicole Mehring, Harald Kimpel).

Eine spannende Frage ist, ob und wie nationale Unterschiede erkennbar sind. Der Vergleich zwischen dem Umgang mit Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien und in Deutschland drängt sich förmlich auf. Hier bieten Bernd Lemke und Phil Reed in ihren Beiträgen interessante Einblicke. Anders als im nationalsozialistischen Deutschen Reich, in dem seit 1933 der bauliche Luftschutz systematisch ausgebaut und gesetzlich vorgeschrieben wurde, begann der Ausbau von privaten und öffentlichen Schutzräumen in Großbritannien erst gegen Ende der 1930er-Jahre. Die U-Bahn-Tunnel während der deutschen Luftangriffe im Herbst 1940 und Winter 1940/41 waren eher Notbehelfe, wie Lemke zeigt. Ein umfassendes und groß angelegtes Bunkerbauprogramm, wie es in Deutschland im Herbst 1940 aufgenommen wurde, gab es in Großbritannien nicht.

Tetsuo Aoki greift in seinem Beitrag „Luftschutzbunker in Japan“ eine weitere „Achsenmacht“ auf, um die 1940 recht spät einsetzenden Luftschutzmaßnahmen im japanischen Kaiserreich zu thematisieren. Hier zeigen sich wiederum deutliche Unterschiede sowohl zu den britischen Maßnahmen als auch zum monumentalen Bunkerbauprogramm im Deutschen Reich. Tetsuo kommt zu dem Schluss, dass die Bunker in Japan, die von offizieller Seite als „Stellungen“ bezeichnet wurden, nicht zum Überleben der Bevölkerung während der verheerenden US-amerikanischen Brandbombenangriffe 1944/45 beigetragen haben. In Deutschland war die Situation anders: Trotz ihrer relativ geringen Anzahl boten die hier errichteten Bunker und Stollen vielen Menschen einen halbwegs sicheren Schutz vor den Bomben. Dennoch zeigten die „Feuersturm“-Angriffe auf Wuppertal und Hamburg im Jahr 1943 sowie auf Pforzheim und Dresden im Februar 1945, dass noch so gut ausgebaute Luftschutzräume und Bunker keinen absoluten Schutz bieten konnten.

Gerade die in den Beiträgen von Reed, Mehring und Kimpel angeschnittene Musealisierung von Bunkern, wie zum Beispiel in den so genannten Bunkermuseen in Deutschland, hätte aus Sicht des Rezensenten etwas mehr Aufmerksamkeit verdient, wenngleich dieser Aspekt durch die Aufsätze von Phil Reed über Cabinet War Rooms des Imperial War Museum in London sowie von Yves Le Maner über den V2-Bunker in La Coupole in Saint-Omer exemplarisch vertreten ist. Aber auch die umfangreiche populärwissenschaftliche Rezeption von Bunkern im Internet, wie etwa die vielen „Bunkerforen“, Bunkervereine und Webseiten, wäre sicherlich ein Aspekt gewesen, der sich gut in die übrigen Beiträge eingeordnet hätte. Hier hätte sich ein guter Anknüpfungspunkt ergeben zu den lokal ausgerichteten Beiträgen von Malte Thießen („Von der ‚Heimstätte’ zum Denkmal: Bunker als städtische Erinnerungsorte – das Beispiel Hamburgs“), Hans Hesse und Elke Purpus („Vom Luftschutzraum zum Denkmalschutz – Bunker in Köln“) sowie Silke Betscher („Der Bunker und das Dorf“).

Die 18 Beiträge lassen deutlich erkennen, dass sowohl Historiker als auch Kunsthistoriker, in einem Beitrag zudem Psychologen (Lamparter u.a.), die Feder geführt haben. Diese unterschiedlichen Sichtweisen und Deutungen machen den besonderen Reiz der in sich dennoch stimmigen und inhaltlich fundierten Publikation aus. Hier und da hätte sich der Rezensent eine weitergehende politische oder historische Analyse gewünscht, doch angesichts der gut ausgewählten und eloquent geschriebenen Beiträge erscheint dieser Wunsch eher als Marginalie. Für die Beschäftigung mit der Geschichte und Gegenwärtigkeit von Bunkern stellt dieser Band eine wichtige Ergänzung dar.

Anmerkung:
1 Silke Wenk (Hrsg.), Erinnerungsorte aus Beton. Bunker in Städten und Landschaften, Berlin 2001; Michael Foedrowitz, Bunkerwelten. Luftschutzanlagen in Norddeutschland, Berlin 1998.