Titel
The Invisible Woman. Zara Schmelen. African Mission Assistant at the Cape and in Namaland


Autor(en)
Trüper, Ursula
Anzahl Seiten
118 S.
Preis
CHF 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joachim Zeller, Berlin

„Tatsächlich schienen ihre Gebete manchmal mehr Eindruck zu machen auf meine Zuhörer, als meine Predigten...“. Diese anerkennenden Worte schrieb der deutsche Missionar Johann Hinrich Schmelen (1778-1848) im Nachruf auf seine Frau Zara Schmelen, die Anfang April 1831 an „Auszehrung“ gestorben war. Um das Jahr 1793 geboren, wurde Zara Schmelen demnach nur ungefähr 38 Jahre alt. Die Berliner Historikerin, Theologin und Journalistin Ursula Trüper zeichnet in ihrem Buch das kurze Leben dieser bemerkenswerten Frau nach, einer Frau, die Missionsgeschichte schrieb, aber zu Unrecht in Vergessenheit geriet.

Johann Hinrich und Zara Schmelen hatten sich 1812 kennen gelernt. Er stammte aus dem Kurfürstentum Hannover und war in der damaligen britischen Kapkolonie im Dienste der Londoner Missionsgesellschaft als Missionar tätig, sie war eine (wahrscheinlich von ihm) getaufte Nama. Während einer 1814 unternommenen Erkundungsreise ins Groß-Namaland (gelegen nördlich des Orange-Rivers im heutigen Namibia) heiratete Schmelen die junge Frau, eine geborene Hendrichs. Dafür wurde Schmelen vorübergehend vom Dienst suspendiert. Zwar zeigte sich die Londoner Missionsgesellschaft in dieser Pionierphase ihrer Tätigkeit bemerkenswert frei von Rassismus und tolerierte schwarz-weiße Ehen bei ihren Missionaren. Doch über Schmelen und einige seiner Kollegen kursierten Gerüchte, dass sie „in Sünde“, also unverheiratet mit ihren Frauen zusammenleben würden. Schmelen konnte diese Verdächtigungen widerlegen und die Suspendierung wurde wieder aufgehoben. Ungeachtet der ihnen entgegengebrachten Missgunst entwickelte das Paar in den folgenden Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit. Der pietistische Missionar fand in der tief religiösen Zara eine kongeniale Mitkämpferin, die ihm bei der Mission unter den Nama zur Seite stand. Eindrücklich schildert Trüper die Schwierigkeiten, die bei der „Heiden-Mission“ auftraten. Denn den Nama Begriffe wie etwa „Sünde“ oder „Schuld“ näherzubringen, hieß, sie in das ihnen gänzlich fremde christlich-abendländisch geprägte Denksystem einzuführen. Immer wieder erfuhren die missionarischen Bemühungen auch herbe Rückschläge, da sich die Gemeindemitglieder durch zwischenzeitliche Dürreperioden gezwungen sahen, Bethanien – die bekannteste der von Schmelen gegründeten Missionsstationen – zu verlassen, um wieder ihre frühere nomadisierende Lebensweise aufzunehmen.

In diesem Zusammenhang räumt die Autorin mit der noch immer weitverbreiteten Vorstellung auf, dass die Initiative zur Mission stets von den Missionaren ausgegangen sein soll. Die lokalen "Chiefs" forderten vielmehr von sich aus Missionare an und das Christentum war nur eine unter anderen Errungenschaften Europas, die sich die Nama aneignen wollten. Vor allem verbanden sie damit auch die Hoffnung, an Feuerwaffen und Munition zu gelangen und die für sie immer wichtiger werdenden europäischen Kulturtechniken wie Kolonialsprachen (Holländisch und Englisch), Ackerbau, neue Handwerke und nicht zuletzt Lese- und Schreibfertigkeiten zu erwerben.

Bedeutung erlangte Zara Schmelen keinesfalls nur als Missionsgehilfin; als solche arbeitete sie übrigens weitgehend selbstständig, da – wie auch in diesem Fall – die unzureichende Sprachkompetenz vieler Missionare eine Kontrolle kaum zuließ. Der historische Rang von Zara Schmelen beruht aber vor allem auf ihrer Mitwirkung an der Übersetzung der vier Evangelien des Neuen Testaments in die Sprache der Nama. Überzeugend kann Trüper nachweisen, dass diese außerordentliche, bisher allein ihrem Mann zugeschriebene Leistung zu gleichen Teilen Zara Schmelen zuzurechnen ist, wenn deren Verdienste an der sprachwissenschaftlichen Pionierarbeit nicht sogar höher bewertet werden müssen.

Johann Hinrich Schmelen beherrschte die Sprache der Nama, die zur Sprachfamilie der im südlichen Afrika lebenden Khoikhoi gehören (abschätzig von den Weißen auch „Hottentotten“ genannt), verhältnismäßig schlecht. In seinem Tagebuch schreibt er: „Ich kann nur sagen, dass ich weit davon entfernt bin, sie zu sprechen. Ich kann ein wenig plaudern, aber sehr wenig. Ich verstehe nicht so viel von ihrer allgemeinen Unterhaltung, wie von der Übersetzung in der Kirche. Manchmal verstehe ich alles, aber zu anderen Zeiten nur sehr wenig, besonders wenn ich über Dinge lehre, die selten vorkommen.“ Aus diesem Grund wären die sich äußerst schwierig gestaltenden Übersetzungsarbeiten ohne seine Frau kaum möglich gewesen. Sie als native speaker ist auch allein in der Lage gewesen, die Druckfahnen Korrektur zu lesen.

1831 waren die beiden Bibelübersetzer am Ziel: Nach jahrelanger mühevoller Vorarbeit konnten die vier Evangelien bei der Kapstädtischen Bibelgesellschaft erscheinen, nachdem zuvor in London neue Drucktypen für die zahlreichen, die Nama-Sprache prägenden Klicklaute gegossen worden waren. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Werkes starb Zara Schmelen. Johann Hinrich Schmelen brachte nach dem Tod seiner Frau keine weiteren Übersetzungen in der Nama-Sprache mehr heraus, ein weiterer Hinweis darauf, wie sehr er auf deren Unterstützung angewiesen war.

Ursula Trüper, die bisher unbekannte Quellenbestände in den Archiven der Londoner Missionsgesellschaft und der Rheinischen Missionsgesellschaft in Wuppertal-Barmen auswertete – eine Auswahl wichtiger Dokumente findet sich im Anhang des Buches abgedruckt –, leistet mit ihrer Studie einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Frauengeschichte in den (vor-)kolonialen Gesellschaften des südlichen Afrikas. Bisher nur am Rande wahrgenommen, werden am Beispiel der Zara Schmelen die weitgehend unsichtbaren Frauen Afrikas dem Vergessen entrissen.

Das vorliegende Buch ist die englische Übersetzung der deutschen Ausgabe, die die Autorin vor einigen Jahren vorgelegt hat.1 Damit ist das Werk nun auch im südlichen Afrika für ein breiteres Lesepublikum rezipierbar. Was Namibia (das ehemalige „Deutsch-Südwestafrika“) betrifft, gehört Johann Hinrich Schmelen zu den bekanntesten deutschen Missionaren aus der vorkolonialen Phase des Landes. Das seit 1952 unter Denkmalschutz stehende Schmelen-Haus in Bethanien gehört zu den wichtigen Reisezielen für historisch interessierte Touristen. Und so wird nicht nur in Namibia ein Geschichtsbild zu revidieren sein, in dem für die „Hottentottin“ Zara Schmelen bisher kein Platz war. Zukünftig wird man mit dem Namen „Schmelen“ beide Persönlichkeiten verbinden: das Missionarspaar und die Sprachpioniere Johann Hinrich und Zara Schmelen.

Anmerkung:
1 Trüper, Ursula, Die Hottentottin. Das kurze Leben der Zara Schmelen (ca. 1793-1831). Missionsgehilfin und Sprachpionierin in Südafrika, Köln 2000.

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