N. Kokkinos (Hrsg.): The World of the Herods

Cover
Titel
The World of the Herods. Volume 1 of the International Conference The World of the Herods and the Nabataeans held at the British Museum, 17–19 April 2001


Herausgeber
Kokkinos, Nikos
Reihe
Oriens et Occidens 14
Erschienen
Stuttgart 2007: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
327 S.
Preis
€ 62,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ernst Baltrusch, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Das Ziel der Tagung vom April 2001, deren Beiträge das vorliegende Buch teilweise enthält, war es, „to gather a significant number of Near Eastern experts on the Hellenistic and Graeco Roman periods to exchange wisdom“ – und die Herodier (oder besser: Herodianer) bzw. die Nabatäer (warum eigentlich gerade diese Kombination?) waren das Exerzierfeld dieser „wisdom“. So war ein Leitmotiv, eine thematische Verbindung der Beiträge von Anfang an nicht zu erwarten. Nikos Kokkinos, einer der Organisatoren und Herodeskenner 1, hat über die Tagung ein sehr persönliches Vorwort verfasst, aus dem man vieles über die Genese, die Teilnehmer und die Schwierigkeiten insbesondere auch mit der Publikation erfährt, denn es hat ja noch sechs lange Jahre gebraucht, bis interessierte Leser das Buch zu den Herodianern in ihre Hände nehmen konnten.2

Die Herodianer – also die vielköpfige Dynastie, die sich um ihren bedeutendsten Vertreter Herodes den Großen (40–4 v.Chr.) gruppiert und in der jüdischen Welt, bisweilen auch darüber hinaus, zwischen 67 v.Chr. und circa 100 n.Chr. außerordentlich einflussreich war – sind lange Zeit als Forschungsfeld vernachlässigt oder auf ihre archäologische Dimension verkürzt worden. Dies gilt weniger für Herodes selbst 3 als vielmehr für die Nachfolger. Zuletzt hat jedoch Julia Wilker alle Spuren zusammengetragen und in einer glänzenden Analyse die zwischen Rom und Jerusalem vermittelnde Stellung der Herodianer im 1. Jahrhundert n.Chr. herausgearbeitet.4 Einen derartigen systematischen Zugriff bietet das vorliegende Buch nicht, und kann es auch wegen seines Charakters als Tagungsband nicht bieten. Vielmehr sind hier puzzleartig Einzelteile zusammengetragen, die sich der Leser selbst zu einem Bild fügen muss. Entsprechend ist die Anlage des Buches (etwas einfallslos) nach Quellengattungen gestaltet: Von den insgesamt 17 Voll-Beiträgen befassen sich 5 mit der literarischen und dokumentarischen Überlieferung, acht mit der archäologischen Hinterlassenschaft und drei behandeln den „context“. Dazu kommen vier Kurzbeiträge in einer Appendix, von denen keine Ausarbeitung vorlag; gerade diese thematisch sehr vielversprechenden Beiträge über die Inschriften oder die christlichen Quellen hätte man aber gerne ausführlicher. Obwohl sich manche Beiträge überschneiden, gibt es leider keine Diskussionen untereinander, nicht einmal Querverweise innerhalb des Bandes, selbst wenn ähnliche Themenbereiche erörtert werden; der wissenschaftliche Austausch ist hier irgendwie nicht recht in Gang gekommen.5 Als Einführung gibt Fergus Millar einen Kommentar zu den Forschungsproblemen der herodianischen Welt: Seine Beobachtungen zur geringen epigraphischen Hinterlassenschaft in der herodianischen Zeit, zur Euergesie oder zur Bedeutung der Herodianer für die römische Provinzialverwaltung sind wie immer geistreich, aber doch allzu knapp (S. 17–21).

Was ist nun der wissenschaftliche Gewinn des Buches? Er liegt nicht unbedingt darin, dass man nach der Lektüre mehr über die Geschichte der Herodianer wüsste, man weiß aber doch mehr über Grabungsergebnisse, Quellengrundlagen und Einzelaspekte. Das meiste beschränkt sich auf Herodes selbst; nur wenige Beiträge gehen darüber hinaus. An dieser Stelle mag es ausreichen, nur eine kurze inhaltliche Würdigung der Ergebnisse zu versuchen: (1.) Die Quellenlage: Das literarische Corpus zu Herodes und den Herodianern ist so gering nicht, selbst wenn man Josephus nicht mitberücksichtigt; es lässt noch Spielraum für weitere Interpretationen. In diesem Sinne zeigt der originelle Beitrag von Daniel Schwartz zu dem zwiespältigen Herodesbild in der rabbinischen Literatur interessante Perspektiven auf. Zu Josephus (Tessa Rajak) müssen die Forschungen ebenso weitergehen wie zu den sehr weit verstreuten und gattungsspezifisch unterschiedlichen griechisch-römischen Texten (David Braund). Der sicherlich ebenso spannende Beitrag zu den christlichen Quellen fehlt leider. Zu den schriftlichen Überresten bietet der Band leider nur Torsi: Die Inschriften werden (anders als bei der Tagung selbst) nicht systematisch besprochen, und was Alla Kushnir-Stein als den Forschungsstand zu den Münzen der herodianischen Zeit präsentiert, sind höchstens kleine, eher appetitanregende, als sättigende Häppchen. Tal Ilan stellt dagegen in ihrem inspirierenden Beitrag zu den Ossuarien die Frage, wie man diese Quellengruppe, die mit der Tempelzerstörung ihr Ende findet, für die soziale Struktur und die äußeren Beziehungen Jerusalemer Juden in der Schlussphase des Zweiten Tempels besser nutzen kann. Rachel Hachlili hat davon allerdings keine Kenntnis, obwohl sie nur 200 Seiten später zum gleichen Thema eine Theorie über das Goliath-Grab in Jericho vorstellt, die nicht frei von Spekulation ist. Aus all dem lässt sich immerhin das Fazit ziehen, dass auch das bereits bekannte Material noch einiges hergibt, um unsere Fragen zu beantworten.

(2.) Das Bauprogramm: Zu diesem Komplex bietet das Buch beträchtliche Informationen, allerdings in erster Linie für Herodes. Damit liegt das Buch durchaus im Trend der Zeit, denn in den letzten zehn Jahren sind bemerkenswerte Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt worden.6 Daran knüpfen die archäologischen Beiträge an. Ehud Netzer erörtert beispielsweise die Frage, ob Herodes bei all seiner Bauwut ein Konzept hatte, ob er die Städte „plante“. Wirklich neue Städte hat er nicht gebaut, Caesarea ist aber zumindest ein Beispiel für eine großartige planerische Umgestaltung, und selbst Jerusalem veränderte sich durch den Tempelumbau. Dies wird durch Joseph Patrich, der sich mit dem „Urban Space“ in Caesarea befasst, ebenso bestätigt wie durch John Francis Wilson und Vassilos Tzaferis, die eine spannende gemeinsame Untersuchung zu Caesarea Philippi (Panias) vorlegen, einer der besten Beiträge des Buches. Mikrohistorisch kann man hier herodianische Politik in ihrer Vielfalt – stadtplanerisch, bevölkerungs- und sozialpolitisch, religionspolitisch – abgebildet finden. Es scheinen in der betroffenen Region alle von der Planung einer Stadt profitiert zu haben, die offenbar gar keine eigentliche Stadtbevölkerung haben sollte, nur öffentliche und königliche Gebäude. Gleichzeitig war hier auch der Kaiserkult im Rahmen eines Augusteums zuhause, um dessen Lokalisierung allerdings selbst in diesem Band – und wieder ohne Bezug zueinander – gestritten wird. Dazu passt, dass David Jacobson in seinem anregenden Beitrag zum Neubau des Jerusalemer Tempels durch Herodes eine „synthesis of Roman, Hellenistic and indigenous architectural elements and therefore representative of its period in the Roman Empire at large“ vermutet (S. 171). Zu Recht zurückhaltender betont jedoch Sarah Japp in ihrer Untersuchung zur Dekoration herodischer Bauten, dass das Bilderverbot (2. Gebot) weitgehend eingehalten wurde. Das Buch bringt die Lebendigkeit dieser Diskussion über Mittel und Ziele der herodischen Baupolitik zum Ausdruck, und ein Ende ist noch nicht abzusehen, denn die Frage nach dem ‚Warum’, die Duane W. Roller in seinem Beitrag „New insights into the building program of Herod the Great“ stellt, bleibt noch zu beantworten.

Schließlich (3.) Einzelaspekte: Etwas losgelöst von den beiden eher quellenkritischen Schwerpunkten des Buches sind zwei weitere inhaltsbezogene Beiträge: der eine des Herausgebers Nikos Kokkinos zum Königshof des Herodes und (in bewusster Anlehnung an Norbert Elias) zur höfischen Gesellschaft unter im Wesentlichen quantifizierender Perspektive 7 und der andere von Shimon Dar zur Wirtschaftskraft des Herodes, derer er zur Finanzierung seines Regierungsprogramms benötigte. Kann man aber aus Dars Ergebnis, dass Herodes „a very wealthy king“ war (S. 309), etwa schließen, dass eine Auspressung der Untertanen gar nicht nötig war, weil er ja genug hatte?

Insgesamt fällt eine zusammenfassende Schlusswürdigung des Buches nicht leicht, denn es fehlt einfach der rote Faden. Im Grunde wird man nur über die Quellenlage zu Herodes aufgeklärt. Man kann es aber durchaus mit Gewinn benutzen, zumal die Beteiligung ausgewiesener Herodes-Fachleute ja erst einmal beeindruckend ist; die archäologische, an Einzelgrabungen verdeutlichte Dimension des Themas „Herodes“ (weniger der Herodianer) steht heraus. Die Synthese allerdings, die Interpretation des vielfältigen Materials muss erst noch geschrieben werden.

Anmerkungen:
1 Besonders hervorzuheben ist: The Herodian Dynasty: Origins, Role in Society and Eclipse, Sheffield 1998.
2 Der Konferenzteil zu den Nabatäern erschien als: Politis, Konstantinos D. (Hrsg.), The World of the Nabataeans. Volume 2 of the International Conference The World of the Herods and the Nabataeans held at the British Museum, 17–19 April 2001, Stuttgart 2007.
3 Die neuesten Biographien (neben Schalits) stammen von Günther, Linda-Marie, Herodes der Große, Darmstadt 2005; Kasher, Aryeh, King Herod. A Persecuted Persecutor, Berlin u.a. 2007. In Bochum fanden 2006 und 2007 unter der Leitung von Linda-Marie Günther Herodes-Konferenzen statt, deren Ergiebigkeit man in den von der Veranstalterin herausgegebenen Tagungsbänden unschwer erkennen kann: Herodes und Rom, Stuttgart 2007; Herodes und die Juden, Stuttgart 2008 (im Druck).
4 Wilker, Julia, Für Rom und Jerusalem. Die herodianische Dynastie im 1. Jahrhundert n.Chr., Frankfurt 2007.
5 Dies beklagt mehr grundsätzlich auch Duane W. Roller in seinem Beitrag, S. 313–320.
6 Etwa Japp, Sarah, Die Baupolitik Herodes des Großen. Die Bedeutung der Architektur für die Herrschaftslegitimation eines römischen Klientelkönigs, Rahden 2000; Lichtenberger, Achim, Die Baupolitik Herodes des Großen, Tübingen 1999; Roller, Duane W., The Building Program of Herod the Great, Berkeley u.a. 1998.
7 Vgl. dazu stärker in Bezug auf den Charakter des Hofes jetzt Gauger, Jörg-Dieter, Herodes’ hellenistische (?) Hofhaltung, in: Günther 2007 (wie Anm. 1), S. 91–107.

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