Cover
Titel
Banking on Global Markets. Deutsche Bank and the United States, 1870 to the Present


Autor(en)
Kobrak, Christopher
Erschienen
Anzahl Seiten
503 S.
Preis
€ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Carsten Burhop, Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn

Christopher Kobrak ist ein erfahrener Autor, der selbst trockene Finanzgeschichte gekonnt erzählen kann. In seinem neuesten Buch „Banking on Global Markets“ – das inzwischen auch auf Deutsch erschienen ist 1 – erzählt er die Geschichte der Deutschen Bank in den Vereinigten Staaten von Amerika von der Gründung der Bank im Jahre 1870 bis zur Gegenwart. Kobrak hat das Thema umfassend und abschließend behandelt und vermutlich jede einschlägige Akte im Historischen Archiv der Deutschen Bank ausgewertet. Der große Fleiß wird zumindest durch einen über 70 Seiten umfassenden Endnotenapparat belegt. Doch obwohl Kobrak zahlreiche Akten auswertet, ungezählte veröffentliche Quellen hinzuzieht und die Entwicklung der Bank gekonnt in die politische und wirtschaftliche Geschichte sowie in die Entfaltung der internationalen Finanzmärkte einordnet, bleibt eine entscheidende Frage: Lohnt es sich 367 Seiten über die Geschichte der Deutschen Bank in den zu USA lesen? Im Allgemeinen muss die Antwort darauf ein klares „Nein“ sein; lediglich für detailversessene Spezialisten lohnt sich die Lektüre des ganzen Buches.

Bereits auf Seite drei der Monographie weist Kobrak den Leser indirekt auf das zentrale Problem des Werkes hin: „[…] during many of the years of this narrative, Deutsche Bank was not in the United States in any meaningful sense.“ Zwar gab es während der vergangenen 140 Jahre Beziehungen zwischen der größten Bank Deutschlands und der größten Volkswirtschaft der Welt. Aber sowohl für die Deutsche Bank als auch für die Vereinigten Staaten waren diese Beziehungen marginal. Vor dem Ersten Weltkrieg war die Bank lediglich an einigen – teilweise wichtigen – Projekten in den USA beteiligt; in der Zwischenkriegszeit gab es kaum nennenswerte Beziehungen; nach dem Zweiten Weltkrieg war die Deutsche Bank zunächst mit der Rekonstruktion ihres Inlandsgeschäfts beschäftigt und eröffnete 1978 erstmals eine Filiale in den USA. Erst die Übernahme einer New Yorker Großbank, des Bankers Trust, im Jahre 1998 machte die USA zu einem entscheidenden Markt für den Deutsche Bank Konzern.

Die Beschreibung und Analyse der Geschäftsbeziehungen vor dem Ersten Weltkrieg ist sicherlich der spannendste und mit Abstand beste Teil des Buches. Auf rund 150 Seiten beschreibt Kobrak, nahezu vollständig auf Grundlage von archivalischen Quellen, den Aufbau einer Präsenz der Deutschen Bank in den USA mit Hilfe von Verbindungsleuten (agents). Die wohl wichtigste Geschäftsbeziehung war diejenige mit der Northern Pacific Eisenbahngesellschaft, deren Wertpapiere die Deutsche Bank in Deutschland einführte und an deren Restrukturierung sie sich mehrfach beteiligte. Des Weiteren erfährt der Leser, dass die Deutsche Bank auch an der Finanzierung der Elektrifizierung der USA beteiligt war und den Technologietransfer deutscher Produzenten von Koksöfen in die USA finanziell begleitete. Insgesamt waren es jedoch nur wenige gemeinsame Geschäfte, die von Kobrak dafür sehr detailliert dargestellt werden. Es bleibt jedoch anzumerken, dass nicht jeder Leser an der Anzahl von Koksöfen und deren Kapazität interessiert sein dürfte. In gestraffter Fassung hätte das Material der ersten Sektion sicherlich einen sehr spannenden Aufsatz ergeben.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachen die Geschäftsbeziehungen mit den USA praktisch zusammen und die Deutsche Bank war während und nach dem Kriege vor allem mit der Rettung von Vermögensgegenständen in den USA beschäftigt. Auch in diesem Abschnitt des Buches erfährt man wieder unterhaltsame Details, beispielsweise die Finanzierung der U-Boote „Deutschland“ und „Bremen“ durch die Deutsche Bank; diese sollten u.a. Geschäftskorrespondenz nach Übersee transportieren (S. 180-182). Große Geschäfte fanden in der Zwischenkriegszeit jedoch kaum statt.

Der dritte Hauptteil des Buches behandelt die Zeit von 1957 bis zur Gegenwart, wohingegen die Zeit der Dezentralisierung und der damit verbundenen Zwangsteilung der Bank (1945-57), die vor allem von den amerikanischen Besatzungsbehörden forciert wurde, noch im zweiten Hauptteil abgehandelt wird. In den USA selbst ging es vor allem um die Wiederherstellung des guten Namens nach dem Kriege. Kobrak arbeitet heraus, dass die eigentliche Geschäftstätigkeit – allerdings auf sehr niedrigem Niveau – erst 1967 mit der Gründung einer Bank in New York durch ein europäisches Bankenkonsortium unter Beteiligung der Deutschen Bank begann. Ein Jahrzehnt später schließlich gründete die Bank erstmals eine eigene Filiale in den USA. Diese blieb jedoch mit einem Personalbestand von 50 Mitarbeitern und einer Kreditlinie von zwei Millionen Dollar im Jahre 1980 (S. 319) weit hinter der Bedeutung inländischer Hauptfilialen zurück. Bis in die 1990er-Jahre spielten die USA somit keine große Rolle im Geschäft der Deutschen Bank.

Insgesamt hätte man die Geschichte der Deutschen Bank in den USA während der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sowie die Auswirkungen des Weltkriegs auch in einem längeren Aufsatz erzählen können. Für eine mehrere hundert Seiten umfassende Monographie liefert die Ereignisgeschichte hingegen kaum ausreichenden Stoff.

Anmerkung:
1 Kobrak, Christopher, Die Deutsche Bank und die USA, München 2008.

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