G. Hurm u.a. (Hrsg.): Rebels without a Cause?

Titel
Rebels without a Cause?. Renegotiating the American 1950s


Herausgeber
Hurm, Gerd; Fallon, Ann Marie
Erschienen
Anzahl Seiten
292 S.
Preis
€ 53,93
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nina Mackert, Hamburg

Der Band „Rebels without a Cause? Renegotiating the American 1950s“, der auf die gleichnamige Konferenz des „Trier Center for American Studies“ im Jahre 2005 zurückgeht, reiht sich explizit ein in eine Forschungsbewegung, die die 1950er-Jahre als pluraler und heterogener versteht, als es die bisher kanonische Gegenüberstellung von Repression und Rebellen, gesellschaftlicher Konformität und Abweichungen kolportiert. Er vereint 15 zumeist kurze Aufsätze unterschiedlicher Disziplinen, allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Literaturwissenschaft, um die unterschiedlichen Repräsentationen von Rebellion und RebellInnenfiguren in kulturellen Produktionen zu untersuchen. 1 Auf drei dieser Aufsätze soll im Folgenden detaillierter eingegangen werden.

Paul Goetschs Beitrag “Reinhold Niehbuhr’s The Irony of American History: A Cold Warrior’s Critique of Cold War Rhetoric” betrachtet die Interventionen des protestantischen Theologen Reinhold Niebuhr in die US-amerikanischen Debatten zum Kalten Krieg. Niebuhr, der in den 1940er- und 1950er-Jahren eine Vielzahl von Artikeln und einige Bücher zur US-amerikanischen Außenpolitik veröffentlichte, habe sich selbst dem Kampf gegen den Kommunismus verschrieben, den er als unvermeidlich betrachtete. Gleichzeitig habe er vor Vereinfachungen und der Selbstgerechtigkeit gewarnt, die die Cold-War-Rhetorik der USA prägten.

Reinhold Niebuhr beschrieb geschichtliche Prozesse mit den Begriffen „tragedy“ und „irony“. „Tragedy“ weise darauf hin, dass Menschen in bestimmten historischen Situationen gezwungen wären, bewusst bestimmte Werte zu Gunsten höherer Ziele zu opfern – für ihn ein Kennzeichen des Kalten Krieges. Dagegen kennzeichne „irony” eine unbewusste Schwäche, die er für die zeitgenössische Geschichte als bedeutsamer charakterisierte: „If virtue becomes vice through some hidden defect in the virtue; […] if security is transmuted into insecurity because too much reliance is placed upon it [...] – in all such cases the situation is ironic.” 2 Niebuhr habe die Rhetorik der amerikanischen Kalten Krieger herausgefordert, in dem er nicht einfach die Verteidigung der Freiheit gegen die Tyrannei postuliert, sondern auf diese Ironie hingewiesen und simple Unterscheidungen in gut und böse abgelehnt habe. Goetsch betont, Niebuhrs Ansatz sei auch zur kritischen Analyse der gegenwärtigen Situation nach 9/11 fruchtbar, lenke er den Blick doch auf die Widersprüchlichkeiten, die in Konzepten von ‚dem Feind’ eingeschlossen seien.

Einen Höhepunkt des Bandes bietet der zunächst etwas aus dem Rahmen zu fallen scheinende Aufsatz von Kriste Lindemeyer: „Meet the Parents: Embracing an Ideal of Modern American Childhood“. Lindemeyer schreibt, die Figur einer beschützten und verlängerten Kindheit sei in den 1950er-Jahren in den USA ein wichtiger Teil eines Familienkonzeptes gewesen, das – mehr Mythos als Realität 3 – fürsorgende Mütter und die Familie ernährende Väter in der „nuclear family“ propagierte. Diese Idealisierung von Kindheit – das Recht auf eine behütete Kindheit und hochwertige Erziehung, ohne zu früh in die Erwerbsarbeit gehen zu müssen – stelle einen bedeutsamen Vorstellungswandel in den 1950er-Jahren dar, der eine Generation zuvor noch unmöglich gewesen sei. Lindemeyer beschreibt die Entstehung dieses Modells, indem sie einen genaueren Blick auf Veränderungen der gesellschaftlichen Ordnung in den 1930er-Jahren wirft.

Zwei Aspekte sind laut Lindemeyer in diesem Zeitraum zentral: die Erfahrung der „Great Depression“ und die Entwicklung einer zugänglicheren Kommerzkultur, die Kinder und Jugendliche in den Fokus nahm. Sie identifiziert eine Reihe von New-Deal-Gesetzen und Programmen, die die Abhängigkeit von Jugendlichen von ihren Eltern verlängert und den High School-Besuch zur Regel gemacht hätten, so z.B. der „Fair Labor Standards Act“ von 1938: „The federal government had defined the ideal childhood as one that included an adolescence spent in school through at least age seventeen“. (S. 145) Mit und in der Entstehung einer breiter zugänglichen Populärkultur sei das Mittelklassen-Kindheits-Ideal verfestigt worden, auch, indem vor allem über das Radio Verbindungen zwischen der Unterhaltung von Kindern und Konsum möglich wurden – z.B. über kleine Figuren von Radio-HeldInnen in WHEATIES- und Ovomaltine-Verpackungen. Diese – durchaus auch kritisch diskutierte – Fokussierung von Kindern und Jugendlichen als KonsumentInnen und die New-Deal-Programme haben nach Lindemeyer den gesetzlichen und kulturellen Möglichkeitsraum des Ideals einer behüteten Kindheit in den 1950er-Jahren geschaffen.

In ihrem Artikel „Interpreting the Aliens: Representations of American Society in Science-Fiction Movies of the 1950s“ untersucht Hilary P. Dannenberg Science-Fiction-Filme der 1950er-Jahre als Texte, die die komplexen kulturellen und politischen Kontexte ihrer Entstehungszeit spiegeln. Vor allem „Invasion of the Body Snatchers“ (1956) und „The Day the Earth Stood Still“ (1951) stehen im Zentrum ihrer Betrachtung. Nach Dannenberg stellen ein Großteil der Science-Fiction-Filme Repräsentationen der dominanten Erzählung der Dekade dar und inszenieren damit die Bedrohung der Menschheit durch eine Invasion monströser Kreaturen, die im Endeffekt aber zurückgeschlagen werden können. Die Alien-Figur biete so den Kontrapunkt für ein positives Narrativ der menschlichen – in den meisten Fällen spezifisch amerikanischen – Zivilisation.

Anders bei den genannten Filmen: Dannenberg verweist explizit darauf, dass eine so einfache, eindimensionale Lesart dieser Filme eine multiple Ebene verdecken können, die keine einfachen moralischen Schlüsse zulässt. So identifiziert sie für „Invasion of the Body Snatchers“ mehrere potentielle Lesarten, die die dominante US-amerikanische Cold-War-Narration (und auch hegemoniale Männlichkeitskonzepte) gleichzeitig verfestigen und parodieren. „The Day the Earth Stood Still“ sei dagegen ein offen rebellischer Text, der die Rollen von Aggressor und Opfer umkehre, indem die Alien-Figur als überlegenes und friedvolles Wesen dargestellt werde.

Für Geschichts- und KulturwissenschaftlerInnen, die sich mit ‚neuen’ Geschichten der US-amerikanischen 1950er-Jahre befassen, sind die Aufsätze durchaus lesenswert und interessant. Dies gilt vor allem für diejenigen, die eine umfangreichere diskursive Einbettung ihres Sujets leisten. Hier zu nennen wäre u. a. noch Bernd Elzers Artikel „’At Last My Hero’. Alternative Masculinities in 1950s Hollywood Melodrama“, der plurale kulturelle Repräsentationen weißer Männlichkeit in Kinoproduktionen betrachtet. Ein Manko vieler Beiträge ist allerdings, dass sie die von ihnen behandelten Texte nicht selbst als Teil der Bedeutungsproduktion untersuchen, sondern in ihnen eher Spiegel mehr oder weniger dominanter Erzählungen der Dekade sehen. Dies führt dazu, dass sie die Figur des „Rebels“ kaum explizit als notwendige Figur auch innerhalb dieser vorherrschenden Konzepte analysieren und so – bei aller Mehrdimensionalität von Rebellion – oft in der Gegenüberstellung von Mehrheitsgesellschaft und Rebell verbleiben.

Anmerkungen:
1 Inhaltsverzeichnis einsehbar unter URL: http://www.peterlang.com/PDF/Buecher/TOC/10936_TOC.pdf [Stand: 02.07.2008].
2 Niebuhr, Reinhold, The Irony of American History, New York 1953, S. 2, zit. nach Goetsch, A Cold Warrior’s Critique, S. 97.
3 Lindemeyer bezieht sich hier auf Coontz, Stephanie, The Way We Never Were: American Families and the Nostalgia Trap, New York 2000.

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