Kaiser Karl V. 1500-1558 - Macht und Ohnmacht Europas

Kaiser Karl V. 1500-1558 - Macht und Ohnmacht Europas

Veranstalter
Die Ausstellung ist Bestandteil des internationalen Projekts "Carolus" Weitere Ausstellungsstationen: Gent, Bonn, Wien, Madrid
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
16.06.2000 - 10.09.2000

Publikation(en)

Kaiser Karl V.. 1500-1558 - Macht und Ohnmacht Europas. Bonn 2000 750 ATS
Koblizek, Ruth

Vor 500 Jahren, am 24. Februar 1500, wurde Kaiser Karl V. geboren. Dieses Ereignis wird im Jahr 2000 zum Anlass der Grossausstellung "Kaiser Karl V. - Macht und Ohnmacht Europas" genommen.

Die Ausstellung ist Bestandteil und gleichzeitig Höhepunkt des internationalen Projektes "Carolus", an dem die Sint-Pietersabdij in Gent, die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, das Kunsthistorische Museum in Wien (KHM) sowie das Museo Nacional del Prado in Madrid beteiligt sind.

Internationale Leihgeber wie der Prado in Madrid, der Louvre in Paris und das Deutsche Historische Museum in Berlin ergänzen die Objekte aus den Beständen des KHM. So stammen von den rund 460 Ausstellungsobjekten über 175 aus den Beständen des KHM, wobei einige Exponate auch nur in Wien zu sehen sind. So werden erstmals die grossen, aus Seide, Gold und Silber gewebten Tapisserien des Willem van Pannemaker aus Madrid gezeigt, die den Sieg Karls V. über den Machthaber von Tunis rühmen. Die zehn (ursprünglich zwölf) Kartons dazu, gefertigt von Jan Cornelisz Vermeyen, befinden sich im Besitz des KHM und sind aufgrund ihrer Grösse und konservatorischen Beschaffenheit nur an diesem Ausstellungsort zu bewundern. Damit ergibt sich die einmalige Gelegenheit, Vorlage und Endprodukt gemeinsam und in einem zusammengehörigen Kontext zu betrachten.

Das KHM will mit dieser Ausstellung Lebenszeit und Persönlichkeit eines Herrschers darstellen, der noch heute, nicht zuletzt auch aufgrund der modernen Entwicklung auf dem Kontinent, für Europa interessant ist. So war Kaiser Karl V. eine Herrscherpersönlichkeit, der seine individuelle Verantwortung als politisch Handelnder als wichtig erachtete, der Europa in den Mittelpunkt seines Weltreiches stellte sowie eine übernationale Ordnung erreichen wollte. Siege und Niederlagen Karls V. haben gezeigt, dass Europas Stärke, nämlich die kulturelle Vielfalt auf kleinstem Raum, auch seine Schwäche war. Die kulturelle Vielfalt beruhte nämlich auf unterschiedlichen historischen, religiösen und ethnischen Entwicklungen, die eine angestrebte Nivellierung zum Scheitern verurteilten. Somit wurde die Macht Europas zur Ohnmacht.

Der Bereich "Die habsburgische Dynastie" befasst sich mit der Persönlichkeit Karls V. im familiären Kontext seiner Vorfahren, Eltern und Geschwister sowie den daraus erwachsenen Grundlagen seiner Herrscheridee. Die auf einem Stammbaum Karls V. ersichtlichen genealogischen Zusammenhänge bildet die vielfältigen Beziehungen zwischen den Staaten und Fürstentümern Europas und das feine Geflecht der verwandtschaftlichen Verbindungen. Sie verdeutlichen den europäischen Horizont der dynastischen Politik der Habsburger. So erforderte die Politik von jedem Mitglied des Herrscherhauses einen repräsentativen Einsatz unter Verzicht auf ein persönlich gestaltetes Leben. Die Brüder und Söhne des Herrschers hatten die wichtigsten Positionen in Staat und Kirche einzunehmen, die Schwestern und Töchter wurden meist den dynastischen Heiratsplänen geopfert. Durch die Heiratspolitik Karls V. wurde das Netz der dynastischen Beziehungen unter anderem mit Portugal, Italien, Frankreich, Dänemark und Deutschland geknüpft und verfestigt.

In dem Ausstellungsbereich "Das Imperium Romanum - Das Reich und die Herrschaftsgebiete Karls V." werden die Strukturen des deutschen Reiches und die Kräfteverhältnisse in Europa vorgestellt. Wie ein mittelalterlicher König regierte Karl V. sein Reich gleichsam im Sattel und war auf zahlreichen Reisen und Feldzügen ein mobiler Herrscher.

"Krieg und Frieden. Der Kampf um die Vorherrschaft in Europa und mit dem Osmanischen Reich" - so wird der Kampf mit Franz I. von Frankreich, der Europa in zwei Lager spaltete, dargestellt. Auch die Osmanen unter Sultan Suleyman (erste Türkenbelagerung Wiens 1529) als zweiter grosser Feind der Habsburger werden hier angeführt.

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlebte das Deutsche Reich einen wirtschaftlichen Aufschwung. Vor allem in der Metallindustrie und dem Bergbauwesen war es europaweit führend. Berühmte Familien, wie die Fugger und Welser, erreichten immensen Reichtum und konnten sich leisten, eine Königswahl zu finanzieren. Dieser Aspekt wird im Bereich

"Die Macht des Geldes" thematisiert. Zunehmend erlangten bürgerliche Familien, die im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit aufgrund ihrer Handels- und Gewerbeaktivitäten über finanzielle Unabhängigkeit verfügten, als Machtfaktoren in Europa an Bedeutung.

"Das Reich und die Glaubensspaltung": Die Reformation war wohl das wichtigste Ereignis des 16. Jahrhunderts. Besondere Hervorhebung erhalten die Person Luther und die Vorgänge auf den Reichstagen. Was als persönliches Ringen Martin Luthers begonnen hatte, endete mit der Spaltung der Kirche in mehrere Konfessionen. Dies hatte auch politische Konsequenzen, da im Reich konfessionelle und politische Auseinandersetzungen Hand in Hand gingen.

Der Bereich "Die Entdeckung und Aneignung der Welt" wird anhand von Globen, Karten, Herbarien und Instrumenten verdeutlicht. Die neuen Erkenntnisse und Voraussetzungen für die Entdeckung der "Neuen Welt" werden in diesem Kontext gezeigt.

Davon überleitend wird das Thema "Die neue Allianz von Wissenschaft und Technik" angesprochen. Die Wertschätzung der schöpferischen Kräfte des Individuums begünstigten viele Erfindungen. Die zahlreichen Neuerungen brachten allerdings das Ende der mittelalterlichen Weltordnung. In der kopernikanischen Wende mussten die Leute erkennen, dass nicht sie im Mittelpunkt des Universums stehen, sondern sich ihr Planet wie viele andere um die Sonne dreht. Ingenieure wurden als "Künstler" gesehen. Die Medizin erfuhr ihre grosse Umwandlung von Galen im 2. Jahrhundert zur modernen Wissenschaft (siehe Vesalius: De humani corporis fabrica) und Anatomie.

Die Zeremonien der Macht. Karl V. und die Kunst seiner Zeit. Mäzenatentum und Macht. Das höfische Zeremoniell war ein wichtiges Instrument der Selbstdarstellung von Macht und Grösse seiner Person und Herrschaftssicherung der Dynastie, an dem alle Künste (wie Musik, Malerei, Literatur, Geschichtsschreibung) beteiligt waren. Karl war allerdings kein Sammler wie sein Grossvater Maximilian I., aber ein Auftraggeber. Er liess sich Kunstwerke vorlegen, nahm sie entgegen oder wies sie zurück. Musik war Karl sehr wichtig. Schon als Kind lernte er Flöte und Spinett und hatte eine eigene niederländische Musikkapelle, die "Capilla flamenca", die ihn ein Leben lang begleitete.

Des Kaisers Abdankung und seine Erben. Das ungewöhnliche Ende der langen Regentschaft Karls V. bildete seine Abdankung. Ursache war die Erkenntnis, dass das Deutsche Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden auch ohne ihn als Herrscher seine eigenen Wege ging. Sein Tod wurde zu einer pompösen Veranstaltung, die sein Sohn Philipp II. zu seiner Präsentation nutzte.

Bei den über gezeigten 460 Objekten und bei zwei Etagen muss der Besucher der Ausstellung im KHM Wien schon einen mehrstündigen Austellungsbesuch einrechnen und zudem ein gutes Schuhwerk anziehen. Denn zusätzlich sind auch die Ausstellungsräume der Münzsammlung und der "Wunderkammer" geöffnet, die zahlreiche Exponate erhalten, die aus der Epoche Karls V. stammen.

Der Besucher wird durch ein rotes Samttuch mit den Goldbuchstaben Karl V., das zwischen den Säulen im 1. Stock hängt, empfangen und über die Treppe hinaufgeleitet. Rot ist dann auch die Leitfarbe der Ausstellungspräsentation, der Wandverkleidungen und Textatefeln.

Mit den kostenfrei erhältlichenAudioguides - ähnlich zu gross geratenen Handies - ausgerüstet betritt man den ersten Raum, in dem man die genealogischen Verbindungen Karls V. kennenlernt. Die Begleittexte zu den Objekten sind klar verfasst und bieten zusätzliche Informationen. Allerdings kann die Orientierung in der Ausstellung nur an Hand der Objektnummern erfolgen, da man ansonsten in einen anderen Themenbereich gelangt, da eine Orientierungsrichtung durch die jeweiligen Ausstellungsbereich nicht gekennzeichnet ist.

Die Präsentation der Objekte ist besucherfreundlich gestaltet. So ist ausreichend Platz vorhanden, um sich jedes Exponat genauer anzusehen, was vor allem bei grösseren Objekten (etwa den Rüstungen) sehr angenehm ist, da einem "Rundgang" somit im wahresten Sinne des Wortes nichts im Wege steht. Die Präsentationshöhe ist ebenfalls besucherfreundlich bedacht, so dass man sich nicht auf den Boden bücken oder hinauf strecken muss, um etwas zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Aussichtspodest zur Betrachtung der grossen Tapisserien über den Tunisfeldzug lobenswert. Über eine Rampe gelangt man auf eine Plattform, auf der man sich auf halber Hängehöhe der Tapisserien befindet, was das Betrachten sehr erleichtert und einen Rundblick ermöglicht.

Da sich die Objektbeschreibungen leider nicht immer direkt bei dem konkreten Exponat befinden, muss man wiederholt an Nebenwänden nach den zugehörigen Textetafeln suchen (z.B. bei den Musikinstrumenten, der Büste Karls V., der Helm Karls V., beim Ehevertrag). Die Texte, sowohl die allgemeinen zu Beginn jedes Themenschwerpunktes als auch die Objektbeschreibungen, befinden sich in angenehmer Lesehöhe, sind klar und informativ geschrieben. Die meisten Texte sind auch ins Englische übersetzt, so dass diesem international angesetzten Ausstellungskonzept Rechnung getragen wird. Bei einigen Texten wirkte sich jedoch die Beleuchtung nachteilig aus, d.h. sie liegen im Schatten, was jedoch durch eine geringfügige Änderung der Spots sicher zu ändern wäre.

Im ersten Stockwerk des KHM erfährt man viel über das persönliche und familiäre Umfeld Karls V., angefangen von seiner eigenen Familie, über die Kämpfe und Persönlichkeiten seiner Zeit. Unter den ausgestellten Exponaten befinden sich sehr bekannte, wie das Bildnis Maximilians I., die Büste Karls V. oder das Porträt Martin Luthers.

Das zweite Stockwerk widmet sich dem Tod Karls V. und den zeitgenössischen Künsten. In den Wandelbögen der Räumlichkeit wird das Thema "Die Entdeckung der Welt" dargestellt. Es werden Globen und Karten gezeigt, zudem Bücher über die neue Tier- und Pflanzenwelt und die Erkenntnisse über die neue Sicht vom Menschen (Anatomiebuch). Schwerpunkt in diesem Bereich sind allerdings die bereits erwähnten Kartons der Tapisserien zum Tunisfeldzug, die sich als Teil der Dauerausstellung des KHM hier befinden. Durch die Beengtheit der Durchgänge ist es schwierig, einen gesamten Karton genauer zu betrachten. Zudem beeinträchtigt zuweilen der Lichteinfall und die dadurch bedingten Spiegelungen im Schutzglas.

Über die Adresse http://www.khm.at/karl5 gelangt man direkt auf die Ausstellungsseite des KHM. Die Leitfarbe Rot, die bereits signifikant für die Ausstellung war, herrscht auch hier ebenfalls wieder vor. Sie ist allerdings zunächst etwas gewöhnungsbedürftig.

Die zweisprachig gehaltenen Internetseiten bieten einen sehr guten ersten Einblick in die Ausstellung. So werden die Haupttexte der Themenbereiche komplett präsentiert und bieten auch im Internet reichen Lesestoff. Bezüglich der konkreten Wiener Exponate ist hier eine Auflistung ausgewählter wertvoller Objekte, die einzeln als Fotos aufgerufen werden können. Desweiteren kann man auch den Stammbaum Karls V. betrachten und in dem umfangreichen Zusatzprogramm "blättern". Zusätzliche Linkverweise zu verschiedenen internationalen Forschungsprojekten, die mit der Ausstellungstehmatik in Verbindung stehen, bieten zusätzlich interessante Informationen. Ein Anklicken lohnt also hier auf jeden Fall!

Der reich bebilderte Katalog ist zusammen mit einer hauseigenen Publikation über den Feldzug nach Tunis und den damit verbundenen Tapisserien im Shop des KHM um ATS 750,-- zu erhalten. Da leider kein Rezensionsexemplar vom KHM zur Verfügung gestellt wurde, muss eine Besprechung desselben leider entfallen.

Allerdings dürfte der hohe Preis des Katalogs wohl einige Besucher abschrecken. Glücklicherweise gibt es einige andere Publikationen zur Ausstellung, wie die z.B, die Sonderausgaben der Zeitschriften "Damals Spezial" und "Vernissage". Letztere zeigt in guter Qualität nur Ausstellungsexponate und bietet verschiedene Textbeiträge. Inhaltlich gehen sie allerdings mehr auf Teilaspekte der Zeit Karls V. ein, wie eine Kurzbiographie Karls V., über die Entstehung des höfischen Porträts, über die Kartons Vermeyens, Karl als Mäzen der Plattnerkunst und Wien, Ungarn und das Osmanische Reich. Um erschwingliche ATS 70,-- ist es eine informative Alternative zum Katalog - und bedeutend leichter.

Für englischsprechende Besucher ist leider wenig vorgesorgt. Einzig eine kleine Broschüre ohne Abbildungen ist in Englisch über das Leben Karls V. erhältlich.

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