D. Taschler: Vor neuen Herausforderungen

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Titel
Vor neuen Herausforderungen. Die außen- und deutschlandpolitische Debatte in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion während der Großen Koalition (1966-1969)


Autor(en)
Taschler, Daniela
Reihe
Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 132
Erschienen
Düsseldorf 2001: Droste Verlag
Anzahl Seiten
421 S.
Preis
DM 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hacke, Christian

Die wissenschaftliche Literatur über die Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD wird durch die vorliegende Arbeit sinnvoll ergänzt, denn Daniela Taschler geht der Frage nach, ob die CDU / CSU in der Ost- und Deutschlandpolitik eine eigene gestaltende Rolle spielen konnte. Erschwert wurde der Union diese Rolle, weil beide Ministerien von der SPD besetzt waren: Willy Brandt leitete das Auswärtige Amt und Herbert Wehner das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen. Wichtiger jedoch war der Umstand, daß die CDU/CSU in der Ost- und Deutschlandpolitik programmatisch in eine defensive Position zurückgefallen war, wie das Festhalten an der Hallsteindoktrien exemplarisch zeigte. Demgegenüber wurde vor allem in der SPD und in der FDP über Alternativen und Initiativen nachgedacht. In der Öffentlichkeit galt die SPD seit Egon Bahrs Forderung nach Wandel durch Annäherung von 1963 zu Recht als diejenige Partei, die entspannungspolitisch aktiv wurde. Auch deshalb gerieten die Unionsparteien unter Druck.

Daniela Taschler beschreibt weiterhin anschaulich die Versuche von Bundeskanzler Kiesinger, die unterschiedlichen „atlantischen“ und „gaullistischen“ Strömungen in Einklang zu bringen. Dabei zeigte sich insbesondere die CSU als schwieriger Partner: Im Fall der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages drohte sie mit Ausscheiden aus der Koalition: Dies „schwebte fortan wie ein Damoklesschwert über der Regierung der Großen Koalition“ (S. 91), weil einflussreiche „Atlantiker“ in der CDU, wie der Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel und der außenpolitische Experte Kurt Birrenbach auch mit Blick auf amerikanische Unterstützung für eine dynamische Ost-Politik anders votierten. Weitere innerparteiliche Zwistigkeiten zwischen „Atlantikern“ und „Gaullisten“ entstanden, weil in der Europapolitik, der außenpolitischen Domäne der Union, durch die unnachgiebige Haltung des französischen Präsidenten de Gaulle weitere Probleme entstanden: Der von ihm abgelehnte Beitritt Großbritanniens zur EWG wurde von der Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion unterstützt, um auch das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten positiv zu beeinflussen.

Die Ost- und Deutschlandpolitik der Großen Koalition sieht Frau Taschler zwar geprägt von der SPD, sie hat jedoch Vorbehalte gegenüber einer Darstellung der Unionsfraktion als „Bremser“. Sie erwähnt in diesem Zusammenhang entspannungspolitische Vorstellungen innerhalb der Union und verweist auf die (weitgehende) Unterstützung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien; Frau Taschler schildert jedoch auch das Verzagen der Union angesichts der kompromisslosen Haltung der Sowjetunion, vor allem nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei im August 1968. In der Deutschlandpolitik konnte sich die Unionsfraktion nicht zur Aufgabe bestehender Rechtspositionen durchringen. Schließlich stellt auch Frau Taschler fest: „Es gelang der Unionsfraktion in der Zeit der Großen Koalition nicht, eine eigene Initiative in der Deutschlandpolitik zu entwickeln“ (S. 400), und für eine Politik im Sinne der SPD war sie nicht zu gewinnen – vornehmlich aus inhaltlicher Überzeugung, aber auch aus dem Grund, sich nicht thematisch von dieser dominieren zu lassen.

So waren es äußere Zwänge wie auch taktisches Zögern und innerparteiliche Uneinigkeit, die eine gestaltende Rolle der Unionsfraktion in der Außenpolitik hemmten. Daniela Taschler hat eine sehr lesenswerte Studie zur außen- und deutschlandpolitischen Debatte in der CDU/CSU vorgelegt, die wichtige neue Einsichten mit sich bringt, interessante Fragen aufwirft und im Vergleich zur bisherigen Literatur auch neue Schlussfolgerungen erlaubt. Dank dieser vorbildlichen Studie tritt das außenpolitische Bild der CDU/CSU der Jahre 1966 bis 1969 plastischer hervor als bisher.

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