Titel
Anwalt des Reiches. Carl Schmitt und der Prozess „Preußen contra Reich“ vor dem Staatsgerichtshof


Autor(en)
Seiberth, Gabriel
Reihe
Zeitgeschichtliche Forschungen 12
Erschienen
Anzahl Seiten
318 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wilfried Nippel, Humboldt-Universität zu Berlin

Carl Schmitt (= CS) war ein Virtuose der retrospektiven, jeweils wechselnden Rechtfertigungsbedürfnissen angepaßten Selbstauslegung. Dies gilt auch für seine Rolle in der Verfassungskrise des Jahres 1932, in der er zum Vertreter der Reichsregierung im Prozeß mit Preußen vor dem Leipziger Staatsgerichtshof avancierte. Als Preußischer Staatsrat hat er 1933 den „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932 als Beginn der dann von Göring vollendeten neuen Ordnung gefeiert, 1 nach 1945 behauptete er, er habe 1932, u.a. mit der (noch vor der Intervention in Preußen abgeschlossenen) Schrift „Legalität und Legitimität“ vor einer legalen Machtübernahme durch die NSDAP warnen wollen, einen „Notschrei“ zur Rettung der Verfassung ausgestoßen. 2 Welche Version zutrifft, läßt sich weder aus CSs Rolle nach der „Machtergreifung“ noch daraus ableiten, daß seine Kontrahenten 1936 seine Schriften von 1932 als Beleg dafür heranzogen, daß er aus Opportunismus vom Gegner zum Anhänger des Nationalsozialismus geworden sei (20ff.).

Gabriel Seiberth verweist in seiner Dissertation 3 auf eine Reihe seriöser Meinungen in der Literatur, die die Version des Rettungsversuches für richtig halten. Dies sei die „mittlerweile wohl herrschende Auffassung“ (33). Daraus zieht er den Schluß, es stelle sich „nicht die Frage, ob dieser Staatsrechtler für oder gegen die Nationalsozialisten war, sondern für welche Option er in den Krisenjahren 1932/33 eintrat“, ob er ein „Mann Papens“ oder ein „Mann Schleichers“ war, d. h. entweder Verfechter einer neuen autoritären Verfassungsordnung oder Befürworter eines verfassungspolitischen Krisenmanagements (34, vgl. 260). Das ist aber nur eine rhetorische Frage, denn Seiberth geht davon aus, daß die von Wolfram Pyta und ihm selbst gemeinsam vorgenommene Auswertung des Tagebuchs von CS 4 zweifelsfrei dessen Zugehörigkeit zum Kreis um Schleicher belege (35f.). Verwunderlich ist, daß Seiberth hier den Quellenwert dieser (lückenhaften und oft enigmatischen) Tagebuchaufzeichnungen – für die Aktivitäten und Kontakte CSs einerseits, seine Beweggründe andererseits - nicht grundsätzlich erörtert. 5 Deutlicher hätte herausgestellt werden sollen, daß es ausschließlich um Kontakte CSs mit Mitarbeitern Schleichers - nie mit Schleicher persönlich - geht (35, Anm. 69).

Seiberth stellt zunächst (37-77) die Vorgeschichte des „Preußenschlags“ dar, die damit begann, daß der alte Landtag zwölf Tage vor der Landtagswahl (24. April 1932) mit denkbar knapper Mehrheit die Geschäftsordnung bezüglich der Wahl des Ministerpräsidenten geändert und die Möglichkeit einer Wahl mit einfacher Mehrheit im zweiten Wahlgang abgeschafft hatte. Mit diesem problematischen Schritt hatte man der Bestellung einer NSDAP-Minderheitsregierung vorbeugen wollen und schließlich auch erreicht, daß die zwei Tage nach der Wahl zurückgetretene Regierung Braun die Geschäfte weiterführen mußte; der neue Landtag hatte – mit den Stimmen der KPD – eine Rückkehr zur alten Geschäftsordnung abgelehnt. Der amtsmüde Otto Braun, der sich Anfang Juni in den Urlaub zurückzog, war mit dieser Lösung durchaus nicht glücklich. Er und auch sein Innenminister Severing wären mit der Einsetzung eines Reichskommissars, speziell für die preußische Polizei, durch die Regierung Brüning einverstanden gewesen.

Die von der neuen Regierung Papen (auf Initiative des Innenministers Gayl) betriebene Absetzung der preußischen Regierung 6 war damit allerdings nicht gemeint. Mit den von der preußischen Regierung noch am 20. Juli eingeleiteten juristischen Schritten gegen diese Maßnahme hat die Reichsregierung jedoch nicht gerechnet, so daß sie darauf unzureichend vorbereitet war (62. 70. 72. 104). Die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli, die den Reichskanzler zum Reichskommissar für Preußen bestellte, gründete sich auf Art 48, Abs. 1 und 2 der Verfassung, unterstellte demnach eine Pflichtverletzung Preußens (Abs. 1) und eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Reich (Abs. 2). In der amtlichen Mitteilung der Reichsregierung vom 20. Juli und der Rundfunkrede Papens vom gleichen Abend wurde darauf Bezug genommen, daß die geschäftsführende preußische Regierung faktisch von der Duldung der KPD abhängig sei und ihr deshalb die „innere Unabhängigkeit“ fehle, die „blutigen von kommunistischer Seite hervorgerufenen Unruhen“ zu bekämpfen. „Weil man sich in maßgebenden politischen Kreisen nicht dazu entschließen kann, die politische und moralische Gleichsetzung von Kommunisten und Nationalsozialisten aufzugeben, ist jene unnatürliche Frontenbildung entstanden, die die staatsfeindlichen Kräfte des Kommunismus in eine Einheitsfront gegen die aufstrebende Bewegung der NSDAP einreiht“. Eine Regierung, die ignoriere, daß die KPD „einen beharrlichen Kampf gegen die Lebensgrundlagen von Staat, Kirche, Familie und Millionen von Einzelschicksalen“ führe, komme ihrer „sittlichen Pflicht“ nicht nach, „einen klaren Trennungsstrich zwischen den Feinden des Staates, den Zerstörern unserer Kultur und den um das Gemeinwohl ringenden Kräften unseres Volkes zu ziehen“. 7 Der offenen Hofierung der NSDAP war allerdings auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen eine Warnung an Ruhestörer jedweder Couleur beigemischt. Seiberth spricht von einer „Drohung“, gegebenenfalls „gegen die NSDAP mit gleicher Härte vorzugehen wie gegen die KPD“ (76); hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Eindeutig ist, daß die Verordnung des Reichspräsidenten als vorübergehende Maßnahme dargestellt wurde; von einer grundsätzlichen Auflösung des Dualismus Preußen-Reich, wie sie Papen und Gayl angestrebt hatten, war keine Rede mehr (69. 77). Dahinter konnte man auch bei den anstehenden verfassungsrechtlichen Klärungen nicht mehr zurückgehen.

CS hatte vom „Preußenschlag“ aus der Zeitung erfahren und war sehr enttäuscht, daß er nicht zuvor konsultiert worden war (97). 8 Seit seiner Berufung an die Berliner Handelshochschule 1928 hatte er nach politischen Wirkungsmöglichkeiten gestrebt, war zwar von den Regierungen Hermann Müller und Brüning mit Gutachten 9 beauftragt worden, jedoch mit dem Versuch gescheitert, in den engsten Beraterkreis von Brüning vorzustoßen (78ff.). Seit 1931 pflegte er enge Kontakte zu Mitarbeitern Schleichers, stimmte schließlich sogar Publikationen mit Vertretern des Reichwehrministeriums ab (89); hinzu kamen Verbindungen zum Innenministerium (95). CSs Bestellung zum Prozeßvertreter des Reiches am 22. Juli 1932 ging auf Schleicher zurück, der sich mit diesem Vorschlag durchsetzen konnte, da Papen und Gayl keine Alternativen zu bieten hatten (97ff.).

Der Leipziger Staatsgerichtshof hat am 25. Juli die von der preußischen Regierung beantragte einstweilige Verfügung, die die Handlungsmöglichkeiten des Reichskommissars einschränken sollte, abgewiesen, da dies eine „Spaltung der Staatsgewalt“ in Preußen zur Folge haben würde (113). Für die Vertretung der Reichsregierung in der Hauptsache (an der auch die Staatsrechtler Bilfinger und Jacobi beteiligt waren) wurde die Argumentation maßgeblich, die CS in ihren Grundzügen bereits in einem am 1. August publizierten Aufsatz dargelegt hatte. Dort hatte er den Fortbestand der Regierung Braun nach den Landtagswahlen auf einen „staatsstreichähnlichen Vorgang“, nämlich die Änderung der Geschäftsordnung, zurückgeführt und v.a. im Sinne der Äußerungen Papens der preußischen Regierung Begünstigung staatsfeindlicher Organisationen bei gleichzeitig ungleicher und ungerechter Behandlung nicht staatsfeindlicher Parteien vorgeworfen. Aus dieser Pflichtverletzung ergebe sich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, so daß das Einschreiten des Reiches sowohl nach Abs. 1 wie Abs. 2 von Art. 48 gerechtfertigt sei, wobei es sich jedoch um eine vorübergehende Maßnahme handle. 10 Seiberth erwähnt nur diesen letzten Punkt (102f.).

Obwohl die preußische Regierung in ihrer Klage die Einsetzung eines Reichskommissars für unzulässig hielt, da die Bedingungen des Art. 48 in keiner Hinsicht gegeben seien, gab es bis zur Verhandlung in der Hauptsache mit Zustimmung von Otto Braun Bemühungen von Arnold Brecht (Ministerialdirektor im Staatsministerium; im Prozeß Vertreter der preußischen Regierung) und Hermann Hoepker-Aschoff (DDP-Landtagsabgeordneter, bis 1931 Finanzminister), einen Vergleich mit der Reichsregierung zu erzielen, der darauf hinauslief, die Maßnahmen des 20. Juli nachträglich als Vorbereitung einer ordnungsgemäßen Reichsreform zu legalisieren (114ff.). Diese Kompromißbereitschaft war auch dadurch bedingt, daß man den „Preußenschlag“ zunehmend als eine Chance verstand, die NSDAP von der Macht fernzuhalten. Dies wurde nach einer Besprechung von Hitler, Röhm und Frick mit Papen und Hindenburg am 13. August, bei der der Reichspräsident Hitlers Forderung nach Übertragung der Regierung abgelehnt hatte, auch von der NSDAP so gesehen, die nunmehr, nachdem sie zuvor die Einsetzung des Reichskommissars begrüßt hatte, auf scharfe Kritik an dieser Maßnahme umschwenkte (124ff.). CS war auch in die Planungen Schleichers vom August einbezogen, NSDAP (und KPD) 11 gegebenenfalls durch Notverordnung zu verbieten (144).

Seiberth nimmt an, daß diese Stoßrichtung gegen die NSDAP von Anfang an auch der Intention von CS entsprach. Bereits am 19. Juli war in der „Täglichen Rundschau“ ein Vorabdruck aus „Legalität und Legitimität“ erschienen. Die Passage mit der Warnung vor dem Mißbrauch der Legalität am Beispiel der Geschäftsordnung des Preußischen Landtags 12 war in diesem Teilabdruck nicht enthalten. Eine angehängte Stellungnahme der Redaktion nahm das grundsätzliche Argument als „unsere Nutzanwendung“ in dem Sinne auf, daß eine absolute Mehrheit der NSDAP bei den Reichstagswahlen am 31. August eine politische Prämie auf den legalen Machtbesitz mit unabsehbaren Folgen gewähren würde. CS hat in einem Interview von 1972 den Eindruck erweckt, diese Passage stamme von ihm. Seiberth schließt daraus, daß dieser Zusatz „in Übereinstimmung mit Schmitt“ erstellt worden sei (93f. mit Anm. 79), an späterer Stelle heißt es sogar: „Schmitt hatte zudem in dem Artikel in der ‚Täglichen Rundschau‘ eine Machtübernahme der NSDAP als Hauptgefahr dargestellt. Von der KPD war bezeichnenderweise keine Rede“ (143). Es ist eine Sache, daß CSs Text so interpretiert werden konnte, eine andere, ob dies seiner damaligen Intention entsprach, die sich eben nicht aus seiner späteren Selbstauslegung erschließen läßt.

Beim Verfahren vor dem Leipziger Staatsgerichtshof nahm CS in der ersten Verhandlung am 10. Oktober Papens Begründung wieder auf, die preußische Regierung habe eine beleidigende Gleichstellung der KPD mit einer „Bewegung, mit der Millionen Deutsche nicht nur sympathisieren, der sie ihre Stimme gegeben haben“, vorgenommen. 13 Seiberth kommentiert: „Dieser Zwang, die Rechtfertigung Papens einfach wiederholen zu müssen, war eine schwere Hypothek, die auf Carl Schmitt lasten musste, da sie geeignet war, seine Glaubwürdigkeit zu beschädigen [...]“ (143). Im Prozeß konnte man von der Argumentation, Preußen sei nicht gegen die KPD vorgegangen, schwerlich abrücken, zumal sich auch Brecht in seiner ersten Stellungnahme damit auseinandergesetzt hatte; ob es aber zwingend notwendig war, sie in dieser Form zu präsentieren, bleibt fraglich. 14

Die Frage einer möglichen Pflichtverletzung der preußischen Regierung wurde insofern zum Prozeßgegenstand, als die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli sich auch auf die „Reichsexekution“ nach Abs. 1 von Art. 48 bezogen hatte; strittig war, ob diese Pflichtverletzung subjektiv oder objektiv gegeben sein mußte und wie weit eine Ermessensentscheidung des Reichspräsidenten einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegen konnte. Dies bereitete den Prozeßvertretern der Reichsregierung, wie Seiberth detailliert schildert, erhebliche Probleme (147ff.). Sie mußten deshalb ihre Argumentation stärker auf Abs. 2 bzw. dessen „innere Verbindung“ mit Abs. 1 ausrichten, womit sich dann aber die Absetzung der preußischen Regierung nicht mehr begründen ließ, die entsprechend rückwirkend in eine „Suspension“ umgedeutet wurde. Seiberth stellt den Prozeß aus Sicht der Reichsregierung dar; die Positionen der Gegenseite werden nicht gleichermaßen berücksichtigt.

Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofes vom 25. Oktober war allein der Bezug auf Abs. 2 rechtmäßig, damit auch die Einsetzung eines Staatskommissars, jedoch nicht die Absetzung der Landesregierung. Dies bedeutete, daß die Exekutivgewalt bei der kommissarischen Regierung lag, die geschäftsführende Regierung Braun aber weiterhin das Land im Reichsrat vertreten konnte. Nach Seiberths Einschätzung war dieses kompromißhafte Urteil nicht zwingend, da das Gericht mit dem Kriterium, eine Reichsexekution setze eine subjektive Pflichtverletzung einer Landesregierung voraus, und das Vorliegen dieses Tatbestands sei gerichtlich überprüfbar, juristisches Neuland betreten habe (174ff. 203ff.). Die Entscheidung ist insgesamt von Staatsrechtlern sehr unterschiedlich kommentiert worden; daß die Stellungnahmen nicht notwendig von der politischen Couleur abhingen, zeigt Kelsens Kritik (183ff.).

CS hat das Urteil als Niederlage empfunden 15 – während es die Reichsregierung als Erfolg in der Sache deutete und daraus weitere Konsequenzen zog. 16 CSs Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit der Leipziger Verhandlungen (10. –17. Oktober) spiegeln seine Stimmungsschwankungen wider; mit seinem eigenen Agieren war er zeitweise so unzufrieden, daß er sogar daran dachte, sein Mandat niederzulegen; dies lag auch darin begründet, daß er im Verfahren wenig souverän auftrat und sich Scharmützel mit Hermann Heller, Prozeßvertreter auf der Gegenseite, lieferte (179ff.). 17 Seiberth meint, CS habe sich „mit seiner Sache nicht wirklich identifiziert“ und sei durch die Bindung an die Vorgaben Papens in eine unbequeme Situation geraten (181). Nur hatte er sich mit der Übernahme der Prozeßvertretung und seiner ersten öffentlichen Stellungnahme von Anfang an selbst in diese Bredouille gebracht.

Das heißt nicht, daß CS Papens Vorstellungen zur Verfassungsumgestaltung teilte – auch in der seit einem Jahrzehnt geführten Debatte um eine Reichsreform hatte er lange eine für seine Verhältnisse ungewöhnliche Zurückhaltung gezeigt (214ff.). Bei den Notstandsplanungen der Umgebung Schleichers hat CS im Januar 1933 anscheinend die Lösung, die Rücktrittspflicht der Regierung nach einem Mißtrauensvotum (Art. 54) zu ignorieren, wenn der Reichstag nicht zugleich zur Bildung einer Mehrheitsregierung in der Lage sei, dem weiter gehenden Schritt vorgezogen, der Pflicht zur Ausschreibung von Neuwahlen 60 Tage nach Reichstagsauflösung (Art. 25) nicht nachzukommen (248ff.). Seiberth folgt der Deutung Pytas und anderer, daß in einer solchen „Verfassungsdurchbrechung“ 18 eine tatsächliche Chance bestanden habe, eine Regierung Hitler zu verhindern.

Insgesamt hat Seiberth überzeugend dargelegt, daß angesichts der Komplexität der
Entwicklungen seit Sommer 1932 der „Preußenschlag“ nicht notwendig eine „Vorstufe der Machtergreifung Hitlers“ gewesen sei; ob dies zugleich heißen muß, er habe von Anfang an „vielmehr deren Verhinderung dienen“ sollen (262), ist jedoch eine andere Frage. Schließlich bleibt problematisch, ob die auf Grund der Auswertung des Nachlasses von CS mögliche Rekonstruktion seiner „Rolle als Gutachter und Berater der Reichsregierung“ definitiv auch „Aufschluss über seine eigenen Motive und Intentionen in der Reichskrise der Weimarer Endzeit“ geben kann (9). Dies paßt nicht zu dem methodischen Prinzip, sich jedweder Spekulation über CSs mögliche „politische Fernziele“ zu enthalten, sondern nur „seine konkreten politischen Ziele aus den zur Verfügung stehenden Materialien herauszuarbeiten und alles, was sich nicht aktenmäßig belegen lässt, auszublenden“ (11, Anm. 2). Über CSs Tagebucheintrag vom 25. Januar 1933 – „traurig, deprimiert. Der 20. Juli ist dahin“ (16. 263) - darf weiter gerätselt werden. 19 Wer CS ein Spiel mit mehr Optionen als nur denjenigen zutraut, die sich „tatsächlich in strategischen Planungen für die Reichsregierung niedergeschlagen haben“ (10), wird von Seiberths Deutung – „mit der Ernennung des Führers der stärksten parlamentarischen Fraktion zum Reichskanzler war alles gescheitert, wofür Schmitt in der Endphase der Weimarer Republik eingetreten war“ (263) – nicht überzeugt werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. D. Blasius, Carl Schmitt. Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich, Göttingen 2001, 82f.
2 CS, Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, 345; ferner die (von Selbstmitleid und Ressentiment zeugende) Notiz vom 15. 1. 1949, in: CS, Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, Berlin 1991, 214.
3 Vgl. die Zusammenfassung der wesentlichen Thesen bei G. Seiberth, Legalität oder Legitimität? „Preußenschlag“ und Staatsnotstand als juristische Herausforderung für Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit, in: P. Tommissen (Hg.), Schmittiana. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts, Bd. 7, Berlin 2001, 131-164.
4 W. Pyta / G. Seiberth, Die Staatskrise der Weimarer Republik im Spiegel des Tagebuchs von Carl Schmitt, Der Staat 38, 1999, 423-448; 594-610.
5 Vgl. aber die (ebenfalls nicht ganz befriedigenden) Bemerkungen bei Ptya / Seiberth, 427f. In der vorliegenden Arbeit begnügt sich Seiberth mit kurzen Andeutungen (16f.) sowie mit Zitaten zur Beweiskraft aus Arbeiten Pytas (35, Anm. 69).
6 Vgl. zu den Einzelheiten K. D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, 3. Aufl., Villingen 1960, 590f.
7 Zitiert nach Preussen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogrammbericht der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. bis 14. und vom 17. Oktober 1932, Berlin 1933, 482-484. – Diese im Dietz-Verlag publizierten Aufzeichnungen stammen von einem Stenographen, den der SPD-Vorstand entsandt hatte; eine amtliche Dokumentation fehlt.
8 Hier stellt sich wieder die Frage, ob das Fehlen entsprechender Eintragungen im Tagebuch eine vorherige Konsultation CSs, wie sie sein Vertrauter Ernst Rudolf Huber vermutet hat (Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Republik, in: H. Quaritsch, Hg., Complexio Oppositorum, Berlin 1988, 33-50, Diskussion 51-70, hier 37f.), definitiv ausschließen kann, auch wenn es dafür, wie Seiberth (92) feststellt, keine Belege gibt.
9 Sein Gutachten von 1931, daß wohlerworbene Beamtenrechte nicht vor Gehaltskürzungen schützen (wieder in: CS, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 174-179), könnte wieder aktuell werden.
10 Die Verfassungsmäßigkeit der Bestellung eines Reichskommissars für das Land Preußen, Deutsche Juristen-Zeitung 37, 1932, 953-958.
11 So Huber 42. 57.
12 Verfassungsrechtliche Aufsätze 292.
13 Preussen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof 39.
14 Während Blasius (31. 46. 48) darin eine politische Rückversicherung CSs gegenüber den Nazis sieht, die sich nicht aus prozeßstrategischen Gründen erklären lasse, meint Seiberth (143f.), diese reichten zusammen mit CSs Beteiligung an gegen die NSDAP gerichteten Planungen Schleichers aus, um hier eine „Parteinahme für diese Partei“ ausschließen zu können. Huber (60) hat in Zweifel gezogen, daß diese Äußerung korrekt notiert worden ist, da auch CS den „authenischen Charakter dieses Bandes [Preussen contra Reich] immer bestritten“ habe. In: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1929-1939 (1940), ND Berlin 1988, 315, hat CS angemerkt, er habe abgelehnt, die ihm zur Korrektur vorgelegte Dokumentation durchzusehen, zugleich aber die weitgehende richtige Wiedergabe seiner Schlußrede vom 17. Oktober bestätigt; zur Nachschrift seiner Äußerungen vom 10. Oktober sagt er an dieser Stelle nichts.
15 E. R. Huber hat dies 1932 ebenfalls so gesehen, meinte aber in der Retrospektive von 1986 (45), CSs Prozeßerfolg habe darin gelegen, daß der Staatsgerichtshof die Reichsexekution für zulässig erklärt habe, falls die geschäftsführende Regierung die ihr verbliebenen Kompetenzen überschreiten sollte.
16 Vgl. zu den Einzelheiten H. A. Winkler, Weimar 1918-1933, München 1993, 530ff.
17 Heller vertrat die SPD-Fraktion des preußischen Landtags. Nach dem Urteil von W. Jellinek, Der Leipziger Prozeß, Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt 53, 1932, 901-908, haben die im Verfahren auftretenden Professoren mit ihren wechselseitigen Angriffen ein unangemessenes Verständnis ihrer Rolle gezeigt. Vgl. auch A. Kaiser, Preußen contra Reich. Hermann Heller als Prozeßgegner Carl Schmitts vor dem Staatsgerichtshof 1932, in: Ch. Müller / I. Staff (Hgg.), Der soziale Rechtsstaat. Gedächtnisschrift für Hermann Heller 1891-1933, Baden-Baden 1984, 287-311.
18 Vgl. CS, Verfassungslehre (1928), ND Berlin 1970, 99f.; ferner ebd. 345 den Vorschlag, Art. 54 unter bestimmten Bedingungen als nicht bindend anzusehen.
19 In späteren Kommentaren (Verfassungsrechtliche Aufsätze, 350. 450) hat CS kritisiert, die Regierung habe Ende Januar 1933 vor einem „falschen Legalitätsbegriff“ und der Drohung mit neuen Prozessen vor dem Staatsgerichtshof kapituliert; daß dies Wirkung auf Hindenburg zeigte, der nicht „in das Geschrei und die Schikanen taktisch und propagandistisch aufgezogener Prozesse hineingezerrt“ werden wollte, führt er auf das „in sich gespaltene Urteil“ vom Oktober 1932 zurück.

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