S. Selzer: Deutsche Söldner im Italien des Trecento

Titel
Deutsche Söldner im Italien des Trecento.


Autor(en)
Selzer, Stephan
Reihe
Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 98
Erschienen
Tübingen 2001: Max Niemeyer Verlag
Anzahl Seiten
X + 563 S.
Preis
€ 80,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Malte Prietzel, Institut für Geschichtswissenschaften der HU Berlin Email

Während des 14. Jh. zogen Tausende deutscher Adliger nach Italien, um dort gegen Sold Kriegsdienst zu leisten. Warum sie dies taten, wie es ihnen dabei erging und welchen Nutzen ihnen dies brachte, untersucht diese vorzügliche Kieler Dissertation. Selzers Arbeit besticht durch klare, elegante Darstellung und durch den methodisch wohlüberlegten Umgang mit Quellen unterschiedlichster Art. Trotz des Reichtums der italienischen Archive ist zu wenig statistisch auswertbares Material in durchlaufender Folge erhalten, um sinnvolle statistische Aussagen über das Gesamtphänomen zu erlauben. Daher stützt sich Selzer auf aussagekräftige, gut dokumentierte Fälle, die er mit Augenmaß interpretiert und einordnet.

Der erste Teil des Buchs (Kap. I) beschäftigt sich mit den äußeren Rahmenbedingungen. Ein Massenphänomen wurde die Soldnahme von Deutschen südlich der Alpen, als Kaiser Heinrich VII. im Jahr 1313 in Norditalien starb und sich sein Heer daraufhin auflöste. Viele der deutschen Ritter ließen sich gerne von den italienischen Kommunen anwerben, die ihre militärische Effektivität zu schätzen wussten. In den folgenden Jahrzehnten zogen immer wieder deutsche Adlige über die Alpen, um dort - wie zahlreiche Angehörige anderer Völker auch - für Geld Kriegsdienst als gepanzerte Reiter zu leisten. Wie viele es insgesamt waren, lässt sich nicht mehr feststellen, doch war das Phänomen mit Sicherheit auch quantitativ von größter Bedeutung. Allein im Jahr 1354 standen deutlich mehr als 3500 deutsche Söldner in italienischen Diensten. Ab 1380 wurden dann jedoch immer weniger Deutsche angeworben, ab 1400 gab es fast keine mehr in den Diensten der Kommunen. Italienische Soldtruppen hatten ihre Stelle übernommen.

Das Kapitel II behandelt den Aufenthalt in Italien. Zum einen werden organisatorische und rechtliche Aspekte des Solddienstes wie Anwerbung, Soldverträge, Anreise erläutert. Zum anderen beschreibt Selzer die Praxis der Kriegführung. Dabei betont er zu Recht, dass die deutschen Söldner auf den Kriegsschauplätzen Italiens die europaweit gültigen Normen ritterlichen Verhaltens akzeptierten. Zum dritten wird die Stellung der Söldner in der Gesellschaft Italiens beschrieben; trotz vielfältiger Bindungen blieb es doch die Ausnahme, wenn sich ein Söldner auf Dauer dort niederließ.

Der räumlichen und sozialen Herkunft der Söldner sowie ihren Motivationen widmet sich das folgende Kapitel III. Ein erstes wichtiges Ergebnis liegt darin, dass der Solddienst für die meisten Kämpfer nur eine kurzfristige Beschäftigung war (und dies sollte er gewiss von vornherein sein). Die meisten Söldner dienten nur in einer Saison in Italien; auch solche, die länger blieben, taten dies meist lediglich drei oder vier Jahre lang. Nur wenige der Söldner kamen aus dem Hochadel; diese hatten aber die besten Karrierechancen und finden sich häufig als Befehlshaber einzelner Kontingente. Einzig in Ausnahmefällen gelang dies der Masse der Kämpfer, die aus dem Niederadel, aber auch in einigen Fällen aus dem städtischen Patriziat kamen, wohl auch aus Familien, die nach ihrem Besitz und ihrer Lebensführung am Rand zum Bauerntum standen.

Was die Motive angeht, gerade in Italien Solddienst zu suchen, so scheidet überraschenderweise die Höhe des Soldes schnell aus, denn man verdiente dort nicht wesentlich mehr als auf anderen Kriegsschauplätzen. Der Sold lag in ganz Italien in ungefähr der gleichen Höhe und blieb langfristig auf einem stabilen Stand, im Durchschnitt bei ungefähr 9 Florenen für einen Reiter. Nur in militärischen Krisen konnte er für kurze Zeit etwas höher liegen. Zum Sold traten freilich weitere Verdienstmöglichkeiten: Zuschläge bei militärischen Erfolgen, Sonderzahlungen für die Abteilungskommandeure, Schutzgelderpressung. Außerdem trieb viele Adlige sicherlich die Hoffnung auf große Beute an - aber nur für wenige erfüllte sich dieser Wunsch.

Ein weiterer Grund, gerade in Italien Dienst zu nehmen, lag in der geografischen Nähe. Die meisten Söldner stammten aus Schwaben und dem Rheinland, also Regionen, die über gute Verkehrsanbindungen an Italien verfügten, insbesondere zu Mailand, das bei den Anwerbungen eine wichtige Rolle spielte. Ferner spielte eine Rolle, dass einmal etablierte Bindungen den Solddienst anderer nach sich zogen. Auffallenderweise wurden Angehörige eines Banners häufig in einer Region rekrutiert und in vielen Fällen sind mehrere Männer aus einer Familie in Italien nachweisbar.

Hinzu kommen strukturelle Probleme des Adels, die in unterschiedlichem Maß einzelne Ritter veranlassten, über die Alpen zu reiten. In einer Zeit, in der sich die politische und wirtschaftliche Stellung des Adels entscheidend veränderte, bot die Soldnahme vielen die Chance, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie zu lindern. Dabei war von Bedeutung, dass es in Schwaben kaum einen großen Hof gab, der Karrierechancen im Fürstendienst hätte bieten können. Besonders betrafen diese Probleme nachgeborene Söhne, die bei der Verteilung des väterlichen Erbes hinter dem Erstgeborenen zurückstanden und sich andere Einnahmequellen suchen mussten; sie sind offensichtlich überdurchschnittlich stark unter den Soldrittern vertreten.

Der letzte Abschnitt (Kap. IV) wendet sich schließlich der Frage zu, welchen materiellen und ideellen Gewinn die Söldner am Ende ihres Dienstes nach Norden nehmen konnten. Einzelne Männer brachten durchaus ansehnliche Summen Geldes in die Heimat und investierten sie dort. Auch erwarben manche Söldner südlich der Alpen soviel Prestige, dass sie nördlich des Gebirges davon profitierten. Andere wiederum wollten sogar offenbar deswegen nicht zurückkehren, weil sie nicht glaubten, eine Stellung wie jene, die sie sich in Italien errungen hatten, in Deutschland wieder aufbauen zu können. Die Gewinner waren allerdings meist Bannerherren, Condottieri, militärische Unternehmer. Was die einfachen Reiter angeht, so lagen die Erträge aus dem Sold nur bei mehrjähriger Verweildauer höher als die Kosten für die Ausrüstung. Finanzielle Profite waren daher bei den meisten Söldnern relativ unwahrscheinlich. Selbst in jenen Fällen, wo der Dienst jenseits der Alpen ein pekuniärer Erfolg war, nutzte er häufig nur kurzfristig, nämlich nur dem einzelnen Heimkehrer, nicht aber seinen Nachkommen. Die strukturellen Probleme, die einzelne Adlige in die Fremde trieben, waren durch kurzfristige Finanzspritzen offensichtlich nicht zu beheben.

Ganz zu Recht verweist Selzer jedoch darauf, dass es der Sicht der Zeitgenossen nicht gerecht wird, allein nach dem finanziellem Ertrag zu fragen. Es ging den Söldnern auch um die Erfüllung eines adligen Lebensideals, für das Bewährung in Kämpfen im Ausland einen beachtlichen Stellenwert hatte. Und wenn nicht immer Ruhm, so ließ sich in Italien doch zumindest Anerkennung durch die Standesgenossen stets erwerben. Man beachtete in den wichtigsten Rekrutierungsgebieten der Söldner die Vorgänge jenseits der Alpen; zumindest hatten die süddeutschen Chronisten der Zeit die militärischen Geschehnisse in Italien stets im Blick.

Die wichtigsten von allen diesen Erkenntnissen, die dem Leser die Söldner und ihren Dienst plastisch vor Augen führen, werden in einem knapp gehaltenen Schluss nochmals zusammengefasst. Ein an Umfang wie Informationen reicher Anhang beschließt das Buch: prosopographische Verzeichnisse deutscher Grafen und Fürsten sowie deutscher Condottieri in italienischen Solddiensten, die Edition von 13 typischen Dokumenten, schließlich eine ausführliche Liste von Archivalien in nicht weniger als 20 italienischen Städten, in deren Archiven und Bibliotheken sich Informationen zu deutschen Söldnern finden. Zukünftiger Forschung, insbesondere auch solcher zu einzelnen Söldnern oder Adelsfamilien, wird mit diesen Anhängen ein solides Hilfsmittel an die Hand gegeben. Entsprechendes gilt für das Personen- und das Ortsregister.

Die Verdienste dieses Werks gehen jedoch über die grundlegenden Erkenntnisse, die es über den Solddienst in Italien gestattet, noch weit hinaus. Auch wer sich z. B. für adlige Memoria, für Rituale der Kriegführung oder für Klischees italienischer Novellistik interessiert, wird hier fündig werden. Hinter allen Darlegungen Selzers steht zudem immer wieder ein großes Thema: die Internationalität des spätmittelalterlichen Adels. Zu der Erforschung dieses Phänomens, dessen Bedeutung für die europäische Geschichte gar nicht unterschätzt werden kann, trägt diese Arbeit reiche Erkenntnisse und zahlreiche Anregungen bei.

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