Die Hungarica Sammlung: Alte Drucke

Klosterberg, Britta; Verók, Attila (Hrsg.): Die Hungarica-Sammlung der Franckeschen Stiftungen zu Halle. Teil 1 A–O. Alte Drucke 1495–1800. Budapest 2017 : MTA Könyvtár és Információs Központ, ISBN 978-963-7451-33-1 XLII, 740 S.

Klosterberg, Britta; Verók, Attila (Hrsg.): Die Hungarica-Sammlung der Franckeschen Stiftungen zu Halle. Teil 2 P–Z. Alte Drucke 1495–1800. Budapest 2017 : MTA Könyvtár és Információs Központ, ISBN 978-963-7451-34-8 492 S.

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Juliane Brandt, München

Das von Attila Verók erarbeitete Werk zu den alten Drucken in der historischen Bibliothek der Franckeschen Stiftungen erschließt die letzte noch ausstehende Facette der ungarnbezüglichen Bestände dieser Sammlung in Halle bis 1800. Dieser international bedeutende, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts aufgebaute Altbestand ist nicht zuletzt Ausdruck des Bestrebens des Hallischen Waisenhauses nach einer weltweit wirkenden christlichen Gesellschaftsreform. Wegen der breiten Kontakte des Hauses in den Donau-Karpatenraum handelt es sich um die vielleicht größte historische Hungarica-Sammlung außerhalb des heutigen Ungarns. So ist das vorliegende, mit großer Sorgfalt erarbeitete Werk ein wichtiges Hilfsmittel zur weiteren Erschließung des kulturellen „Echos“ Halles in der Region, zu den Netzwerken des internationalen Pietismus und darüber hinaus zu den innereuropäischen kulturellen Verflechtungen seit der Frühen Neuzeit.

Parallel zu der ab 1992 einsetzenden Rekonstruktion der Franckeschen Stiftungen und ihrem Umbau begannen mehrere internationale Forschungs- und Erschließungsprojekte, darunter seit 2000 in einer Kooperation zwischen den Stiftungen und der Budapester Nationalbibliothek die systematische Erfassung von Hungarica-Beständen. Am vorliegenden Projektteil war mit EU-Mitteln auch die Károly-Eszterházy-Universität Eger beteiligt. Bereits erschienen sind in der Reihenherausgeberschaft von B. Klostermann und I. Monok die Bände zu den Porträts (2003), zu den historischen Karten und Ansichten (2009) sowie zu den Handschriften (2015). Erfasst und ausgewertet wurden dabei über ca. 13.000 Porträts, 2.000 Landkarten und nunmehr auch die 110.000 Bücher des Altbestands. Während bei den „Porträts“ nur die in der Bötticherschen Privatsammlung befindlichen Darstellungen einbezogen wurden, sind nun auch weitere, im Zuge der „autoptischen Durchsicht“ der Sammlung erschlossene Porträts erfasst. Anders als zum Beispiel im Fall der Wolfenbütteler Hungarica wurde hier auch nicht auf der Grundlage des Katalogs, sondern einer Autopsie im Magazin gearbeitet, so dass die Zusammenstellung als weitgehend vollständig betrachtet werden kann.

In einer einleitenden Studie behandelt Attila Verók „Die hallisch-ungarischen Kulturkontakte im Spiegel der Sammlungen der Franckeschen Stiftungen zu Halle (17.–18. Jahrhundert)“. Diese Beziehungen sind besonders seit den 1990er-Jahren erneut zum Gegenstand zahlreicher religions-und kirchengeschichtlicher, aber auch wissenschaftshistorischer, institutionsgeschichtlicher und anderer Forschungen geworden. Der Autor verweist auf die neueste Literatur zu Francke, den hallischen Einrichtungen, den Sammlungen und der Bibliotheksgeschichte, die er eingehender vorstellt. Besonderes Augenmerk erhalten beziehungsgeschichtliche Aspekte der Religionsgeschichte, Pädagogik, Geschichte des Buchwesens, Medizingeschichte, der Peregrination von Studenten und Gelehrten, darunter zahlreiche Beiträge, die ungarische Forscher/innen wie Márta Font und Zoltán Csepregi, Miklós Szabó und László Szögi, István Monok und auch der Verfasser selbst dazu geleistet haben. Der Wert der hier Seiten füllenden Anmerkungen liegt auch darin, dass neben den großen Überblicken und etlichen ungarischsprachigen Aufsätzen auch die vielen Beiträge in deutscher Sprache nachgewiesen sind, die in Tagungsbänden, Jahrbüchern etc. erschienen, deren Titel dies sprachlich gar nicht vermuten lassen würden. Verók stellt nochmals neue Erkenntnisse heraus, die im Zuge der früheren Katalogbände gewonnen wurden. Hierzu gehören die Funde von Karten und Ansichten, die der Forschung zuvor nicht oder nur in anderen Varianten bekannt waren, die vielen bisher noch nie verwendeten oder zitierten Dokumente auch unter den Archivalien in dem erst kürzlich von Csepregi edierten Band und der dort geführte Nachweis von Wien als einem Unterzentrum im Netzwerk der hallischen Pietisten in Europa. Zudem schätzt Verók ein, dass bei Drucken und Archivalien ethnische Ungarn – aus dem Königreich Ungarn wie aus dem Fürstentum Siebenbürgen – „sogar zahlenmäßig größeres geistiges Erbe hinterlassen“ haben als die Siebenbürger Sachsen (S. XX). Darüber hinaus präsentiert er die zu Teilen in die Hallenser Sammlung eingegangene Bibliothek des aus Kronstadt stammenden Martin Schmeizel, später Professor in Jena und dann in Halle, als erste bekannte Hungarica-Sammlung. Als „andere Seite der Medaille“ stellt er die Wirkung und das Echo des hallischen Pietismus in Siebenbürgen vor. Nach einer ersten frühen Aufgeschlossenheit eines Teils der sächsischen Intelligenz wurde dieser ab Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer kirchlich und staatlich tolerierten Richtung, im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts dann zu einem „‚interessanten Farbfleck‘ auf der Palette der Kulturgeschichte Siebenbürgens“, wobei er allerdings angesichts der „stillen Einverleibung durch Kirche und Staat“ seine „mobilisierenden Kräfte“ verloren habe (S. XXIV).

Der Katalog selber erfasst fünf Kategorien von Hungarica, nämlich 1. Texte ganz oder teilweise in ungarischer Sprache; 2. Druckwerke aus Offizinen in Ungarn als Gebiet der Staatsgrenzen von 1802; 3. Werke von ungarländischen Autoren; 4. ausländische Werke mit Ungarnbezug; und 4. Zusätzlich, analog dem Vorgehen bei den Handschriften, Drucke mit Eintragungen und Besitzervermerken ungarländischer Personen oder Institutionen oder Einträgen zu Büchern von ungarländischen Autoren. Auf diese Weise werden die Katalogeinträge insgesamt 15 Gattungen (Untergruppen) zugeordnet. Die Einzelnachweise erfassen laufende Nummer, Signatur, Verfasser, Titel, Druckort, Drucker, Erscheinungsjahr, Umfang, Hungarica-Gattung sowie Art des Ungarnbezugs des Werks, gaben wo nötig eine Anmerkung zu letzterem und wenn nötig eine Konkordanz zum Wolfenbütteler Hungarica-Katalog (HAB) und der Bibliotheca Nationis Hungariae (BNB), das heißt der ungarischen Bestände in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil beide nur gedruckt vorliegen und schwer zugänglich sind, was bei anderen digital recherchierbaren Erschließungen zum 17. und 18. Jahrhundert oder auch der ungarischen Nationalbibliographie, in die Veróks Funde fortlaufen eingearbeitet wurden, nicht der Fall ist. Angeschlossen sind mehrere Register: eines der Personen, Orte, Drucker und Verleger, der Verlags- und Druckorte, der Hungarica-Gattungen, chronologisches Register und eine Signaturenübersicht. Somit ist hier ein äußerst nützliches Grundlagenwerk zur europäischen Verflechtungsgeschichte entstanden.

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