B. Wintermute u.a.: Race and Gender

Cover
Titel
Race and Gender in Modern Western Warfare.


Autor(en)
Wintermute, Bobby A.; Ulbrich, David J.
Erschienen
Anzahl Seiten
XXIII, 417 S.
Preis
€ 33,95; $ 39.99; £ 31.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karen Hagemann, Department of History, University of North Carolina at Chapel Hill

Seit den späten 1980er-Jahren hat sich die internationale Frauen- und Geschlechtergeschichte mit zunehmender Intensität dem Thema Militär und Krieg gewidmet. Der zeitliche Schwerpunkt dieser Forschung lag zunächst vor allem auf dem 20. Jahrhundert mit seinen beiden Weltkriegen, doch schon seit den 1990er-Jahren gab es auch Studien zum 19. Jahrhundert und der Frühen Neuzeit. Nach wie vor ist allerdings die Zeit vor dem 20. Jahrhundert deutlich weniger erforscht. Die regionalen Schwerpunkte der Forschung zu Geschlecht, Militär und Krieg waren lange Zeit Europa, hier vor allem Deutschland, Großbritannien und Frankreich, sowie Nordamerika, insbesondere die USA. Erst seit Mitte der 1990er-Jahre werden zunehmend auch andere Regionen in den Blick genommen. Zu einem wichtigen Gegenstand entwickelten sich die antikolonialen Befreiungskämpfe sowie der globale Kalte Krieg.

In dieser Forschung sowie vor allem in Studien zur amerikanischen Geschichte spielen Fragen der Intersektionalität von „Race and Gender“ eine zentrale Rolle. Neben frauen- und geschlechtergeschichtlichen Themen gewann schon früh die Geschichte von Militär, Krieg und Männlichkeit als Forschungsgegenstand an Bedeutung. Im Forschungsfeld der Geschichte von Männlichkeit sind Militär und Krieg noch heute zentrale Themen.1 Hinzu kam seit den 1990er-Jahren eine wachsende Beschäftigung mit Fragen von sexueller Gewalt, Sexualität und Krieg. Heute ist die intersektionale Geschichte von Geschlecht, Militär und Krieg ein weit entwickeltes Forschungsfeld. Allein das an der University of North Carolina in Chapel Hill angesiedelte Digital Humanities Projekt „GWonline, the Bibliography, Filmography and Webography on Gender and War since 1600” umfasst derzeit mehr als 8.500 Titel und ist mit seinem Fokus auf englischen, deutschen, französischen und spanischen Veröffentlichungen, Filmen und Websites sicher weit davon entfernt, vollständig zu sein.2

Der 2018 erschienene Band „Race and Gender in Modern Western Warfare“, der vom Verlag als „Textbook“, das heißt als Überblicksdarstellung für die Lehre empfohlen wird, ist ein erster Versuch, diese umfangreiche Forschung einem breiteren Publikum nahezubringen. Die beiden Autoren David Ulbrich und Bobby Wintermute haben sich vor allem als Experten der amerikanischen Militärgeschichte einen Namen gemacht. Ulbrich unterichtet an der Norwich University in Northfield, Vermont, Wintermute am Queens College der City University of New York. Anlage und Inhalt des Bandes, der auf einem gemeinsam angebotenen Onlinekurs zu „Race and Gender in Modern Western Warfare“ an der Norwich University basiert, reflektieren die Forschungsinteressen der Autoren. Nach der Einleitung konzentrieren sich sieben von neun Kapiteln auf das 20. Jahrhundert. Einziger durchgehender regionaler Schwerpunkt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Andere Länder und Regionen werden nur für einzelne Konflikte in verschiedenen Kapiteln in den Blick genommen. Erklärtes Hauptziel des Bandes ist es, zu untersuchen, warum und wie kulturelle Konstruktionen der Identität wie Rasse und Geschlecht von Kriegen beeinflusst wurden und wie sie umgekehrt den Charakter von Kriegführung und Konflikten veränderten. Neben Rasse und Geschlecht sollen auch deren Zusammenspiel mit anderen intersektionalen Kategorien wie Sexualität, Ethnizität und Klasse in den Blick genommen sowie der Einfluss von Ideologien auf deren Zusammenspiel untersucht werden (S. XIII). Das Buch will eine chronologische Erzählung bieten und diese mit der kritischen Analyse einzelner Fallstudien und der Diskussion der Forschung verbinden.

Dementsprechend werden in der Einleitung zunächst die Konturen der Entwicklung der Rassen- und Gendertheorien vorgestellt und danach erörtert, wie sie von Historiker/innen, Anthropolog/innen, Soziolog/innen und anderen Wissenschaftler/innen angewandt wurden. Die Autoren selbst definieren „gender” and „race” als „socially constructed forms of identity that, while tied to the perception of physical difference, more accurately reflect both individual and communal negotiations of status and value in specific cultures” (S. 2). Dieses Verständnis reflektiert den Diskussionsstand in der Geschlechtergeschichte, die für die Autoren die Geschichte von Männern und Männlichkeit einschließen muss.3

Das zweite Kapitel zu „Race and Gender in the Nineteenth Century” diskutiert „Rasse und Geschlecht” als soziale Konstruktionen im 19. Jahrhundert und deren Einfluss auf ausgewählte Konflikte, insbesondere den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg und den Amerikanischen Bürgerkrieg. Das dritte Kapitel „Race, Gender, and Warefare during New Imperialism“ analysiert „Rasse und Geschlecht” als wichtige Aspekte des neuen Imperialismus, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Untersucht werden hier die britische Kolonialexpansion in Indien und Afrika, der amerikanische Siedlerkolonialismus, der Spanisch-Amerikanische Krieg sowie der Philippinisch-Amerikanischen Krieg. Das vierte Kapitel „Gender and the First World War“ konzentriert sich auf die dramatischen Veränderungen der Geschlechterrollen und -beziehungen an der Front und in der Heimat während des Ersten Weltkrieges. Der Fokus liegt hier auf Großbritannien, Deutschland und den USA. Zentrale Themen sind Männlichkeit und Krieg, sexuelle Gewalt im Krieg, die Erfahrungen von Frauen an der Heimatfront, der männliche Körper und seine Kriegswunden sowie Homosexualität und Männlichkeit im Krieg.

Das fünfte Kapitel „Race and the First World War“ befasst sich mit verschiedenen Dimensionen von Rasse und Kriegführung. Schwerpunkte sind unter anderem der Einsatz von Kolonialsoldaten durch das britische und französische Empire, die Erfahrungen der afro-amerikanischen Soldaten in der US-Armee in Übersee sowie das Zusammenspiel von Rasse und Geschlecht beim türkischen Völkermord an den Armenier/innen. Das sechste Kapitel ist dem Thema „Race and Gender on the Eastern Front and in the Pacific War“ gewidmet und das siebte „Gender and Race on the Homefronts in the Second World War“. In beiden Kapiteln zeigt sich einmal mehr, dass beide Autoren sich am besten in der amerikanischen Militärgeschichte auskennen. Ihre Ausführungen zur Entwicklung in anderen Ländern, wie in diesem Kapitel beispielsweise der Sowjetunion und Deutschland, sind häufig deutlich weniger differenziert.

Der Fokus von Kapitel acht ist das Thema „Race and Gender in the United States during the Early Cold War“. Schwerpunkte sind der Koreakrieg und die amerikanische „Home Front“ in den 1950er- und 1960er-Jahren. Kapitel neun befasst sich mit „Race and Gender During Decolonization” und behandelt vor allem den Dekolonialisierungskampf in Kenia und Vietnam seit den späten 1940er-Jahren.

Das Buch endet mit einer Diskussion der „Future of Race and Gender in Warfare“. Die Autoren erörtern die Entwicklung im US-Militär seit dem Ende des Vietnamkrieges, vor allem seit der Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 1973, diskutieren das Zusammenspiel von Rasse und Geschlecht in verschiedenen Genoziden seit den 1990er-Jahren, unter anderem im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda, und in den anhaltenden Konflikten im Nahen Osten. Eine Bibliographie mit ausgewählter Literatur rundet den Band ab, der als Textbuch für die Lehre in der Tat geeignet ist, allerdings sollte der Schwerpunkt des Interesses die Entwicklung der Militärpolitik, der Konflikte und Kriege der USA sein.4 Zudem ist durchgehend die Dimension von „race“ besser ausgearbeitet als die von „gender“, was bei amerikanischen Militärhistorikern angesichts der herausragenden Bedeutung von Rassekonflikten in der US-Geschichte nicht verwundert. Bei einer stärkeren Berücksichtigung der internationalen Forschung zu Krieg und Geschlecht hätte auch der internationale Vergleich mehr entwickelt werden können. In der Anlage des Bandes und der benutzen Forschungsliteratur zeigt sich so deutlich, dass beide Autoren Militärhistoriker sind und nicht primär Experten der Frauen- und Geschlechtergeschichte.5 Ungeachtet dieser Einschränkungen ist „Race and Gender in Modern Western Warfare“ ein empfehlenswerter Einstieg in das Thema und die Forschung.

Anmerkungen:
1 Siehe den Forschungsüberblick von Robert A. Ney, Western Masculinities in War and Peace, in: American Historical Review 112 (2007), 2, S. 417─438.
2 Mehr zu dem Projekt „GWonline, the Bibliography, Filmography and Webography on Gen-der and War since 1600” auf der Website: http://gwc.unc.edu/welcome (27.02.2019).
3 Joan W. Scott, Gender. A Useful Category of Historical Analysis, in: The American Historical Review 91 (1986), 5, S. 1053-1075, hier S. 1073.
4 Siehe jüngst auch: Kara D. Vuic (Hrsg.), The Routledge History of Gender, War, and the U.S. Military, London 2017.
5 Eine breitere Einführung wird das folgende Handbuch bieten: Karen Hagemann / Stefan Dudink / Sonya O. Rose (Hrsg.), Oxford Handbuch of Gender and War since 1600, Oxford 2019.

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