Titel
Humboldt's Mexico. In the Footsteps of the Illustrious German Scientific Traveller


Autor(en)
Echenberg, Myron
Erschienen
Anzahl Seiten
LII, 236 S.
Preis
CDN $ 39.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sandra Rebok, Madrid

Im Rahmen der Reise Alexander von Humboldts durch die spanischen Kolonien in Amerika (1799–1804) kommt seinem langen Aufenthalt im Vizekönigreich Neuspanien eine besondere Bedeutung zu. Ein Jahr verbrachte er in diesem Teil des Imperiums, von seiner Ankunft in Acapulco im März 1803 bis zu seiner Abreise aus Verazcruz im März 1804. Die meiste Zeit hielt er sich in Mexiko-Stadt auf, wo er sich mit umfangreichen Studien in den Archiven der Kolonialadministration beschäftigte, für die er eine großzügige Genehmigung des spanischen Königs erhalten hatte. Darüber hinaus suchte er als Bergbauexperte vor allem die enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Real Seminario de Minería, der Bergbauschule Mexikos, und ihrem Direktor, dem bekannten Mineralogen Fausto Elhuyar. Der Stand der Wissenschaften in Mexiko-Stadt hat Humboldt während seines ausgedehnten Aufenthalts dort sehr beeindruckt und zu etlichen positiven Kommentaren diesbezüglich geführt. Auch die reichen Bodenschätze dieses Vizekönigreichs weckten seine wissenschaftliche Neugierde. Er erkannte folglich ein bedeutendes Potenzial dieser Region für eine positive Entwicklung in der Zukunft und stellte hierzu auch konkrete Überlegungen sowie prospektive Studien an. Diese privilegierte und vielversprechende Situation Neuspaniens hat dazu geführt, dass Mexiko – neben den USA – das Land in der Neuen Welt war, in das Humboldt auch noch viele Jahre später gerne eine erneute Reise unternommen hätte.

Die lange Dauer seines Besuches, seine intensive Zusammenarbeit mit Vertretern der lokalen Wissenschaftswelt, sowie das generelle Interesse, das diese Region bei Humboldt hervorgerufen hat, bieten genug Material für eine intensive Beschäftigung mit seiner Auseinandersetzung mit seiner Zeit in Mexiko. Hinzu kommt, dass er Neuspanien eine seiner beiden regionalen Studien gewidmet hat (Essai Politique sur le Royaume de la Nouvelle Espagne, 1808–1810) und die dort enthaltenen Erkenntnisse in unterschiedlichen Wissensgebieten nicht nur eine beachtliche Bedeutung erlangt, sondern auch zu einigen polemischen Debatten geführt haben, was die Verwendung dieser Information außerhalb des von Humboldt beabsichtigten Kontextes belegt.

Myron Echenberg hat Humboldts Aufenthalt in Mexiko nun ein Buch gewidmet, was im Prinzip eine gute Nachricht ist, wenn er auch die Möglichkeiten, die dieses Thema bietet, in seinem Werk bei weitem nicht ausschöpft. Wie der Titel des Buches Humboldt's Mexico. In the Footsteps of the Illustrious German Scientific Traveller bereits andeutet, liegt der Fokus auf der Darstellung von Humboldts Reise durch dieses Land. Die Struktur des Werkes gestaltet sich daher chronologisch entlang seiner Reiseroute, beginnend mit seiner Ankunft in Acapulco bis hin zu seinem Aufenthalt in Veracruz. Hierbei geht der Autor einerseits auf Humboldts Beschreibungen der jeweiligen Regionen ein, zeigt jedoch andererseits auch die Eigenheiten dieser Gegenden auf und behandelt diverse mehr oder weniger mit ihnen verbundene Themen. Echenberg bezieht sich dabei nicht nur auf die Situation zu Humboldts Zeiten, sondern beleuchtet auch die seit dieser Reise in den betreffenden Regionen stattgefundenen Entwicklungen.

Leider bleibt jedoch die Hauptthese des Buches etwas diffus, das heißt die Absicht des Autors wird nicht deutlich, und auch stilistisch erlaubt der Text keine klare Einordnung. Vielmehr stellt er eine Mischung verschiedener argumentativer Ansätze dar: Einmal bietet er einen biographischen Zugang zu Humboldt, dann wiederum dominiert die Beschreibung verschiedener Regionen Mexikos auf seiner Reiseroute bevor der Autor sich wieder auf eine Zusammenfassung verschiedener Debatten innerhalb der Humboldtforschung konzentriert. Stellenweise scheint es sich eher um eine Beschreibung der unterschiedlichen Regionen Mexikos mit ihren lokalen Charakteristika zu handeln, mit Humboldt als Leitfaden, als um eine fundierte Analyse seines Bezuges zu Mexiko. Zu bemängeln ist an dieser Stelle jedoch, dass die Informationen hierbei meist lediglich anderen Quellen entnommen werden, ohne eine eigene Interpretation einzubeziehen. Teilweise werden die Informationen gar mit wenig Präzision oder fehlerhaft wiedergegeben. Zudem erfolgen die Erklärungen oftmals auf eine eher oberflächliche Weise, die auf eine nicht wirklich fundierte Kenntnis des Themas bzw. eine intensive Auseinandersetzung mit den Originalquellen hinweist, also beispielsweise den Tagebüchern oder der Korrespondenz Humboldts zu Mexiko.

Zusätzlich enthält das Buch auch etliche Fehler oder Ungenauigkeiten, die zu Missverständnissen führen können. So teilt uns Echenberg gleich zu Beginn des Vorwortes mit, dass Humboldt auf Französisch, Spanisch und Deutsch schrieb (S. XV). Hier wäre der Hinweis zutreffender, dass er seine Werke vor allem in französischer und deutscher Sprache schrieb und nur eine Arbeit auf Spanisch verfasst hat – den im Jahr 1803 entstandenen Text Tablas Geográfico-Políticas del Reyno de Nueva España, die wichtigste Grundlage für seine spätere regionale Studie zu Neuspanien. Auch hat er nicht „a few diaries” hinterlassen, (S. XV) wie der Autor ebenfalls schreibt, sondern eher umfangreiche Aufzeichnungen: 3500 Seiten alleine umfassen seine Notizen hinsichtlich der Amerikareise, die sowohl eine Beschreibung des Reiseverlaufs beinhalten als auch zahlreiche Messergebnisse, wissenschaftliche Überlegungen, Zeichnungen und Skizzen. Die Tagebücher gehören auch nicht mehr der Familie von Heinz, wie des Weiteren irrtümlich im Vorwort steht (und auf S. 211 wiederholt wird), sondern wurden im Jahr 2013 durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erworben und sind seitdem Teil des Bestandes der Staatsbibliothek zu Berlin. Zudem schrieb Humboldt vor allem zu Beginn der Reise seine Tagebücher in deutscher Sprache, diese Teile wurden folglich nicht aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt (S. XVI). An dieser Stelle hätte auch das aufwendige und langjährige Editionsprojekt der Tagebücher in Berlin detaillierter beschrieben werden können, was eine gute Gelegenheit gewesen wäre, die Situation der Tagebücher dem englischsprachigen Leser zu erläutern. Auch an anderer Stelle lassen sich einige wenig hilfreiche oder aber irreführende Aussagen finden. So wäre es beispielsweise eher angebracht, Carlos Montúfar, Humboldts Reisebegleiter ab Quito, als Sohn einer wichtigen adeligen Familie von Nueva Granada zu bezeichnen, anstatt als „Ecuadorean adventurer” (S. XXI).

Generell lässt sich sagen, dass das Werk dort seine Schwächen hat, wo über den bisherigen Forschungsstand hinausgehende fundierte Untersuchungen von Humboldts Bezug zu Neuspanien oder seiner wissenschaftlichen Aktivitäten vor Ort erwartet werden. Um die Humboldtforschung in dieser Hinsicht voranzubringen, hätten einige wichtige Themen in diesen Kontext einbezogen bzw. intensiver behandelt werden müssen: So war Humboldts Bezug zur spanischen Kolonialbehörde beispielsweise wesentlich komplexer, als dass die spanische Krone lediglich als „sponsor” seiner Reise bezeichnet werden könnte. Ebenso hätte es sich angeboten, eine Analyse seiner Arbeiten für Fausto Elhuyar und den Vizekönig José de Iturrigaray – der Carte Général und der bereits erwähnten Tablas Geográfico-Políticas – vorzunehmen. Auch eine detaillierte Untersuchung der Information, die Humboldt im Frühjahr 1804 an Thomas Jefferson übergeben hat, wäre an dieser Stelle angebracht gewesen, zumal dieses Thema die Wahrnehmung Humboldts in Mexiko maßgeblich beeinflusst hat. Insbesondere der Inhalt der Tablas Geográfico-Políticas, die Humboldt 1804 in einer freien, nicht wortgetreuen, französischen Übersetzung an Jefferson übergeben hat, hätte hier dem englischsprachigen Leser nähergebracht werden können.

Es lag vermutlich nicht im Interesse des Autors, der Humboldtforschung einen neuen Impuls im Hinblick auf diese spezifischen Fragestellungen zu geben. Dies ist eine Entscheidung, die durchaus zu respektieren ist. Jedoch auch was die behandelten Themen angeht, so stellt das Buch meist lediglich eine deskriptive Zusammenfassung der Forschungslage oder aber verschiedener Meinungen dar, ohne einen eigenen Standpunkt zu entwickeln oder darüberhinausgehende Überlegungen anzubieten. Auch Wiederholungen sind im Buch häufig anzutreffen. Neben diesen Schwächen gewinnt das Buch jedoch dort an Stärke, wo es sich mit den von Humboldt bereisten Regionen in Mexiko befasst. Es mag daher durchaus von Interesse für diejenigen Leser sein, die sich ohne detaillierte Vorkenntnisse mit der Beschreibung seiner Reise durch Neuspanien befassen möchten und dabei Näheres zu den jeweiligen Orten sowie zur heutigen Situation dieser Gegenden erfahren möchten.

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